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SPD-Chef Martin Schulz geht am Donnerstag mit schlechten Karten in das Gespräch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

© Tobias Schwarz/AFP

SPD: Für Martin Schulz wird die Luft dünn

Martin Schulz hat sich in der Frage der Regierungsbeteiligung früh festgelegt – nun muss der SPD-Chef um seine Zukunft bangen.

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Wenn Martin Schulz am Donnerstagnachmittag zum Gespräch mit dem Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue kommt, weiß der SPD-Chef, was ihn erwartet. Sein Gastgeber Frank-Walter Steinmeier ist nach dem Platzen der Jamaika-Sondierungen auf Distanz zu Neuwahlen gegangen und fordert die Parteien auf, ihrer Verantwortung zur Bildung einer Regierung nachzukommen. Schulz’ Problem: Seine Partei hatte sich noch vor der Erklärung des Präsidenten am Montag für Neuwahlen ausgesprochen und eine Neuauflage der großen Koalition kategorisch ausgeschlossen.

Doch drei Tage sind in der Politik eine lange Zeit. Inzwischen gilt es in der SPD als unvorstellbar, dass der Vorsitzende weiter stur auf seiner Verweigerung beharrt. Die Aussicht auf Neuwahlen hat in der Bundestagsfraktion und vielen Landesverbänden einen solchen Schock ausgelöst, dass Schulz seinen Einfluss auf die Entwicklung zu verlieren droht. Der SPD-Chef ahnt: Der Plan, gegen wachsenden Widerstand aus den eigenen Reihen seinen Kurs durchzuhalten, ist ungefähr so aussichtsreich wie der Versuch, mit bloßen Händen eine Lawine aufzuhalten.

SPD-Chef unter Druck

Schulz steht massiv unter Druck – aus der Öffentlichkeit und aus den eigenen Reihen. Zwei von drei Parteiflügeln haben sich öffentlich gegen ihn gestellt und fordern Offenheit statt Ausschließeritis. Drei Viertel der Mitglieder des SPD-Wirtschaftsforums sprachen sich in einer Blitzumfrage für Gespräche über eine große Koalition aus.

Sogar verlässliche Verbündete wie der Chef der NRW-Landesgruppe Achim Post rücken vom Parteichef ab und warnen vor Neuwahlen. Der Umgang von Schulz mit dem einstimmigen Beschluss des Parteivorstands vom Montag gegen eine große Koalition nährt die in der SPD ohnehin verbreiteten Zweifel, ob er seinem Amt gewachsen ist. „Die Luft für ihn wird sehr, sehr dünn“, sagt ein erfahrener Sozialdemokrat.

Viele in der Partei stellen sich deshalb darauf ein, dass Schulz am Ende doch Gespräche mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über eine Regierung führen wird. Die große Koalition ist nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre für viele Sozialdemokraten ein Trauma. Vor allem Vertreter des linken Parteiflügels propagieren nun eine Minderheitsregierung, die ihre Partei nicht in eine Juniorpartnerschaft mit Merkel zwingen würde. Doch dann, so heißt das Gegenargument, könnte Merkel alle Erfolge für sich verbuchen, weil kein SPD-Minister mehr in ihrem Kabinett vertreten wäre.

Schulz hat sich in eine Lage manövriert, in der er nur noch schlechte Optionen hat. Fällt er um, schadet er seiner Glaubwürdigkeit. Der angeschlagene Parteichef will sich durch ein Bündnis mit der Basis retten, die er auf Regionalkonferenzen noch begeistern kann. Schulz streichelt dazu die sozialdemokratische Seele. Nun müsste er auf dem Parteitag in zwei Wochen die Delegierten, die er mit der Absage an eine große Koalition beglücken wollte, von der Notwendigkeit einer 180-Grad-Wende überzeugen.

Neuwahl brandgefährlich

Doch auch die Option Neuwahl ist für ihn brandgefährlich. Wenn diese in Sicht rückt, stellt sich sofort die K-Frage. Viele Sozialdemokraten halten es für ausgeschlossen, dass der gescheiterte Kanzlerkandidat noch einmal antritt. Schulz selbst hatte vor seiner Ausrufung zum Merkel-Herausforderer zur Bedingung gemacht, dass er den Parteivorsitz übernimmt. Sobald nun ein anderer Kandidat, etwa Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, ins Spiel käme, müsste der SPD- Chef auch um sein Parteiamt fürchten.

Parteivize Ralf Stegner rückte am Mittwoch von der Forderung nach Neuwahlen ab und forderte mehr Loyalität mit dem Parteichef. In der Geschichte der SPD sind solche Aufrufe ein Zeichen dafür, dass ein Vorsitzender seine Autorität verliert. Schulz brauche „die uneingeschränkte Unterstützung der gesamten Parteiführung“, sagte Stegner. Das vertrage sich nicht mit Angriffen auf ihn.

Die SPD verbreitete unterdessen die Nachricht, dass Schulz dem französischen Präsidenten Macron Unterstützung für dessen Vorschläge zur Erneuerung Europas versichert habe, während Merkel untätig bleibe. Den Hinweis auf das Telefonat mit Paris konnte man auch so lesen: Nicht im Abseits, sondern nur als Entscheider über Regierungshandeln kann die SPD die Welt verbessern.

Doch auch mit dieser Botschaft würde Schulz auf Widerstand stoßen, wenn er sie denn verkünden wollte. Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Gianni Pittella, sagte dem Tagesspiegel, er unterstütze die Entscheidung der SPD, nicht in eine große Koalition zu gehen. Eine „klare Unterscheidung zwischen rechts und links“ sei notwendig, „um das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückzugewinnen“. (mit ame/dpa)

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