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Bei der Amtseinführung als Generalstaatsanwältin am 23. März blickte Margarete Koppers glücklich in die Kamera.

© Britta Peders

Affäre um Generalstaatsanwältin: Streit um Koppers' Ernennung

Heute soll der Senat Margarete Koppers zur Generalstaatsanwältin ernennen. Doch die Debatte geht weiter.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) könnte bei der Entscheidung, gegen die frühere Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers kein Disziplinarverfahren einzuleiten, möglicherweise doch die Gesetzes- und Vorschriftenlage umgangen haben. Geisel hatte derlei Vorwürfe Ende August zwar energisch zurückgewiesen, sein Sprecher hatte erklärt: "Der Senator trickst nicht."

Opposition fordert Sondersitzung

Doch eine geltende Geschäftsanweisung für die Polizei, offizielle Auskünfte der Senatsjustizverwaltung und der Staatsanwaltschaft lassen daran zumindest Zweifel aufkommen. Ebenso die Berufserfahrung von üblichen Polizeibeamten. Wenn der Senat am Dienstag dem Vorschlag von Justizressortschef Dirk Behrendt (Grüne) folgt, Koppers zur Generalstaatsanwältin auf Lebenszeit zu ernennen, dann macht sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) eine Entscheidung zu eigen, die in der Beamtenschaft Unruhe verursacht. Und eine Entscheidung, die das Parlament weiter beschäftigen wird. Nach einer Sitzung des Innenausschusses am Montag beantragte die Opposition eine Sondersitzung am nächsten Montag.

Geisel verhinderte ein Disziplinarverfahren

In der Affäre um gesundheitsgefährdende Zustände in den Schießständen der Polizei hat die Staatsanwaltschaft zunächst gegen unbekannt ermittelt und seit April 2017 infolge von Strafanzeigen auch gegen Koppers – wegen des Verdachts auf Körperverletzung im Amt durch Unterlassen. Im Mai 2017 befasste sich die von Geisel geführte Senatsinnenverwaltung deshalb mit der Frage, ob nun auch, wie bei beschuldigten Beamten nach dem Gesetz vorgesehen, ein Disziplinarverfahren gegen Koppers eingeleitet werden soll. Dies wurde laut einem von Geisel abgezeichneten Vermerk verworfen. Vielmehr sollte das Ergebnis der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden.

Wurde der Anfangsverdacht geprüft?

Der im Vermerk angeführte Grund: Ob "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für ein Dienstvergehen vorliegen, wie es das Gesetz vorschreibt, könne nicht beurteilt werden, angeblich weil die Staatsanwaltschaft die Akten nicht herausgeben würde. Das hat die Staatsanwaltschaft aber inzwischen dementiert und die Aussage in dem Vermerk als falsch zurückgewiesen. Damit ist fraglich, ob der Anfangsverdacht überhaupt geprüft wurde.

Geisel versuchte am Montag die Aussage zu entschärfen und offenbarte dabei noch mehr Widersprüche.

Geisel zitierte aus dem Vermerk der Staatsanwaltschaft, die am Freitag entschied, nicht gegen Geisel zum Disziplinarverfahren wegen Rechtsbeugung zu ermitteln. Demnach habe die Innenverwaltung bereits im März 2017 bei der Staatsanwaltschaft angefragt. Damals ging es jedoch um einen Antrag zur Akteneinsicht durch einen Abgeordneten, der abgelehnt wurde, um die Schießstandermittlungen nicht zu gefährden. Daraus hatte die Innenverwaltung – aus Sicht der Staatsanwaltschaft vertretbar – geschlossen, dass auch sie selbst keine Auskünfte erhält, was aber unüblich ist.

Geisel wollte Koppers als Generalstaatsanwältin

Die Opposition im Abgeordnetenhaus hegt den Verdacht, dass Geisel mit seinem Vorgehen eine entscheidende Hürde aus dem Weg geräumt hat, damit Koppers im März Generalstaatsanwältin auf Probe werden konnte. Denn in der Regel wird gegen Beamte, gegen die ein Ermittlungsverfahren läuft, ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Es sei denn, die Vorwürfe erweisen sich als komplett absurd. Ein Disziplinarverfahren wiederum führt – bis auf Ausnahmefälle mit Sonderverfahren – in der Regel zu einem Beförderungsstopp. Wobei Behrendts Sprecher darauf beharrt, dass dies in der Justiz nicht üblich sei.

Sollte bei Koppers auf ein Disziplinarverfahren verzichtet worden sein, um für ein hohes Amt eine "politisch genehme Entscheidung" durchzusetzen, habe das "mehr als ein Gschmäckle", befand die CDU. Ähnlich wird das unter Polizisten gesehen, darunter ranghöhere wie Abschnittsleiter.

Ein Disziplinarverfahren wäre die logische Konsequenz

Denn tatsächlich sieht eine seit 2007 geltende Geschäftsanweisung "für die gesamte Polizeibehörde" zur Beachtung des Disziplinarrechts beim Aufstieg von Polizeibeamten ein anderes Vorgehen als das der Innenverwaltung vor. Demnach liegt bereits ein "disziplinarrechtlich erheblicher Sachverhalt" vor, wenn "Tatsachen, die den Gegenstand eines Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens bilden, bekannt werden" und der "betroffene Beamte als Beschuldigter" geführt wird. Im Klartext: Sobald gegen einen Beamten strafrechtlich ermittelt wird, kommt es zum Disziplinarverfahren.  So – und damit anders als Geisel – sieht es auch die von Dirk Behrendt (Grüne) geführte Senatsjustizverwaltung. Ein von der Schießstandaffäre betroffener Beamter hatte Ende Januar direkt bei Behrendt um Auskunft zum Stand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft angefragt.

Geisel sieht bei sich kein Fehlverhalten

In der Antwort der Senatsjustizverwaltung heißt es: "Grundsätzlich führt die Anzeige einer innerdienstlichen Straftat gegen einen Beamten immer zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens." Das werde dann zwar bis zum Ende des Strafverfahrens ausgesetzt, aber: Durch das unabhängig vom Strafverfahren laufende Disziplinarverfahren werde sichergestellt, dass es auch zu einer beamtenrechtlichen Prüfung des Sachverhalts kommt.

Geisels Sprecher hatte dagegen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens als Kann-Bestimmung bezeichnet, nach der im Einzelfall nach Lage der Dinge entschieden werden müsse. Ein Disziplinarverfahren sei nicht als "zwingend notwendig" erachtet worden, Koppers habe sich nichts zuschulden kommen lassen, es sei kein Fehlverhalten erkennbar. Auch Geisel selbst sagt, es hätten keine Anhaltspunkte für ein Dienstvergehen vorgelegen.

Tatsächlich war Koppers nach den internen Unterlagen spätestens seit 2011 mit den Problemen befasst. Ihr wird vorgeworfen, nicht schnell und entschieden genug gehandelt und stattdessen die Lage in den Schießständen trotz klarer Warnungen bis 2014 sogar weiter geduldet zu haben, bis das ganze Ausmaß 2015 publik geworden ist. Rechtlich käme aus Sicht von Marcel Luthe (FDP) nicht nur Körperverletzung, sondern ein Verstoß gegen den Arbeitsschutz infrage. Aber das klärt die Staatsanwaltschaft im Verfahren – gegen ihre eigene Chefin.

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