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Günther Schulze, Franziska Merkel-Anger, Inge Philipp und Ursula Breidbach (v.l.) vom Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf.

© Thilo Rückeis

Aktionstage "Gemeinsame Sache": Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf: "Wir schaffen das"

Seit vier Jahren hilft das Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf Geflüchteten bei der Integration und helfen ihnen in allen Lebensbereichen – mit viel Erfolg.

Es gibt diese Momente, die für alles entschädigen. Für die vielen Stunden ehrenamtlichen Engagements, die sich gar nicht mehr zählen lassen. Günther Schulze erzählt deshalb von Elyas. Neulich hätten sie sich auf ein Bier getroffen und Elyas habe über syrische Brauereien gesprochen. Der aus Syrien geflohene junge Mann helfe inzwischen anderen Geflüchteten beim Deutsch lernen und habe sich mit einem Catering-Service in Berlin selbstständig gemacht. Ein Erfolgserlebnis – auch für Schulze und seine Mitstreiterinnen beim „Willkommensbündnis Steglitz-Zehlendorf“.

Sie wollen zeigen, dass Integration funktioniert. „Wir schaffen das“ – davon ist Günther Schulze überzeugt. Und er kann dabei auf Helfer aus dem gesamten Bezirk zählen. Vor vier Jahren, also noch vor der sogenannten Flüchtlingskrise im Sommer 2015, gründete sich das Willkommensbündnis. Ziel war es schon damals, die geflüchteten Menschen im Bezirk zu unterstützen.

Mitmachen kann jeder. Franziska Merkel-Anger kam zur Initiative, als kurzfristig jemand gesucht wurde, der Essen und Getränke im Auto transportieren konnte. Die Taxifahrerin hatte sowohl Zeit als auch ein Auto. Spontan sagte sie ihre Hilfe zu. Seitdem unterstützt sie Schulze auch in der Organisation.

"Fühlt sich überhaupt nicht wie Arbeit an"

Merkel-Anger erzählt von einer iranischen Familie, die sie über das Bündnis kennengelernt habe. Der Vater der Familie sei Buchhalter und konnte ihr, die als Selbstständige arbeitet, bei der Buchführung helfen. Es sei dieses „gegenseitige Geben und Nehmen“, das sie so begeistere und sie für das Engagement motiviere. Sie habe schon viele Freundschaften dabei geschlossen. „Es fühlt sich überhaupt nicht wie Arbeit an“, sagt Merkel-Anger und man glaubt ihr sofort.

Das Bündnis ist offen für alle. Eine Schauspielerin ist ebenso dabei, wie die ehemalige Leiterin einer Landesvertretung oder eine Abiturientin. Jeder kann sich einbringen. Sei es, weil man zufällig Farsi spricht und dolmetschen kann, oder einfach nur, weil man ein altes Fahrrad im Keller stehen hat, dass man abgeben kann. Vor einigen Wochen stellte sich eine Studentin vor, erzählt Günther Schulze, die selbst Triathlon trainiert. Sie schlug vor, einen Lauftreff für geflüchtete Menschen und alle anderen Steglitzer und Zehlendorfer zu organisieren. Solche Ideen sind gerne gesehen. Bald soll es losgehen mit dem gemeinsamen Laufen.

Die Menschen vom Willkommensbündnis kümmern sich um alles, was anfällt. Sie sortieren Sachspenden, organisieren Deutschunterricht, stellen Fahrdienste auf die Beine und vermitteln Dolmetscher oder Rechtshilfe. Außerdem gibt es die interkulturellen Filmtage des Bündnisses. Darüber hinaus organisieren sie jeden Monat einen Runden Tisch, um die verschiedenen Akteure des Bezirks zusammenzubringen. Dann sitzen die Ehrenamtlichen mit der Leitung der sieben Flüchtlingsunterkünfte des Bezirks, aber auch Polizei und Vertreter des Jobcenters an einem Tisch und versuchen gemeinsam, Probleme zu lösen. „Das geht immer besser, wenn alle direkt miteinander sprechen“, ist Günther Schulze sicher.

E-Mail-Verteiler mit Bewohnern des Bezirks

Merkel-Anger erinnert sich noch an die Anfangszeit des Willkommensbündnisses. „Wir haben Klamotten verteilt und in den Turnhallen Essen ausgegeben.“ Das sei nun nicht mehr notwendig: „Die Menschen sind mit dem Nötigsten versorgt.“ Nun bräuchten die Geflüchteten Hilfe bei kompliziert formulierten Behördentexten, bei der Wohnungssuche oder beim Schreiben von Bewerbungen.

Damit die Hilfe schnell und unkompliziert dort ankommt, wo sie benötigt wird, gibt es ein System aus mehreren E-Mail-Verteilern. Etwa 3000 Bewohner des Bezirks seien darin eingetragen, sagt Günther Schulze. Birgit Guerrazzi, Leiterin der Flüchtlingsunterkunft an der Lissabonallee, kann bestätigen, dass „das hervorragend funktioniert“. Benötige etwa eine Familie in der Unterkunft einen Sonnenschirm oder einen Kinderwagen, könne der Wunsch mithilfe der Verteiler oft in wenigen Tagen erfüllt werden.

Aber nicht nur die Arbeit des Willkommensbündnisses habe sich über die Jahre verändert, sagen die freiwilligen Helfer. Die Stimmung in der Gesellschaft sei gekippt: „Wenn eine neue Unterkunft für Flüchtlinge geplant wurde, haben die Anwohner immer skeptisch reagiert, aber auch gefragt, wie sie helfen können“, sagt Schulze. „Heute fragen sie dagegen: ‚Wie können wir das verhindern?’“

Diese Veränderung hat auch Franziska Merkel-Anger beobachtet: Erzählte sie vor drei Jahren von ihrem Engagement im Bündnis, hätten ihr die Menschen anerkennend auf die Schulter geklopft. „Jetzt werde ich gefragt, warum ich das überhaupt mache“, sagt sie. Das habe ihr schon schlaflose Nächte bereitet.

Aber sie lassen sich nicht beirren. Resignation kommt nicht in Frage. sagt Günther Schulze bestimmt, der 1982 die Bonner Friedensdemonstrationen mitorganisierte. Zumal ihn nun verstärkt Menschen ansprächen, die „sich jetzt erst recht engagieren wollen. Die das Feld eben nicht populistischen Parolen überlassen wollten.“

Zum Aktionstag am Samstag, 8. September, sind ist das Willkommensbündnisses beim Mittelstraßenfest nahe der S- und U-Bahn-Station Rathaus Steglitz mit einem Stand „Ansprechbar“ vor Ort. Von 14 bis 18 Uhr wollen sie mit Menschen ins Gespräch kommen und von ihrer Arbeit berichten. Sie freuen sich über Interessierte, die sich beteiligen wollen.

Machen Sie mit. Wollen Sie – allein, mit Nachbarn, Freunden oder Ihrer Initiative – mitmachen beim Aktionstag von Tagesspiegel und Paritätischem Wohlfahrtsverband? Alle Aktionen finden Sie hier: www.gemeinsamesache.berlin Dort können Sie auch Ihre eigene Aktion anmelden. Bei Fragen: gemeinsamesache@tagesspiegel.de

Sie alle machen mit:

Jeden Tag stellen wir Ihnen hier Projekte vor, die sich noch Helfer wünschen.

Regenbogenfamilienzentrum packt an

Gegenüber des Regenbogenfamilienzemtrums in der Cheruskerstr. 22 ist ein Spielplatz mit Grünflächen, der am Freitag, dem 7. 9., von 10 - 12 Uhr von den Mitarbeitenden des Regenbogenfamilienzentrums des LSVD Berlin Brandenburgs gereinigt wird. Aktionsort: Cheruskerstr. 20 - 21, 10829 Schöneberg. www.regenbogenfamilien.de

Hofverschönerung in Pankow

Das Stadtteilzentrum Pankow ist ein sozial-kultureller Ort mit vielen verschiedenen Angeboten und Projekten, das von Menschen aller Generationen und Ethnien genutzt wird. Es soll an der weiteren Verschönerung des Hofes gearbeitet und die Fugen zwischen den Pflastersteinen begrünt werden. HelferInnen sind herzlich willkommen am Freitag, 7. 9., um 15 Uhr. Nach getaner Arbeit gibt es zur Stärkung ein leckeres Süppchen.

Um Anmeldung wird gebeten. Aktionsort: Schönholzer Str. 10, 13187 Pankow. Kontakt: 499870920. E-Mail: freiwillig@stz-pankow.de. www.stz-pankow.de

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Milena Fritzsche

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