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Fußgänger überqueren die Straße am Potsdamer Platz in Berlin.

© Kay Nietfeld/dpa

Anfrage an Bundesverkehrsministerium: Bund gibt nur einen Cent pro Fußgänger aus

Der Bund investiert zu wenig in den Fußverkehr. Das ergab eine Anfrage des Berliner Grünen Stefan Gelbhaar. Der sieht fehlendes Interesse am Fußgänger.

Von Christian Hönicke

Einen Cent pro Jahr und Einwohner gibt das Bundesverkehrsministerium für den Fußverkehr in Deutschland aus. Das geht aus einer Kleinen Anfrage des Berliner Grünen Stefan Gelbhaar an die Bundesregierung hervor. In 30 Fragen wollte der Bundestagspolitiker wissen, wie das Verkehrsministerium (BMVI) den Fußverkehr fördert.

Heraus kam fast nichts. „Die Bundesregierung hat an Fußgängern kein Interesse“, resümiert Gelbhaar. „Sie hat keinen Plan und kein Ziel, von weit über tausend Mitarbeitern im BMVI ist nicht eine einzige Person für den Fußverkehr zuständig, im Bundeshaushalt gibt es keinen einzigen Titel dafür.“ Obwohl laut einer Studie des BMVI in Deutschland 20 Prozent aller Wege zu Fuß zurückgelegt werden, stellt Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) in diesem Jahr dafür lediglich 800.000 Euro bereit.

Und zwar für „eine bundesweite Kampagne (…), in deren Rahmen motorisierte Fahrerinnen und Fahrer für die Schutzbedürftigkeit insbesondere älterer Fußgänger/innen sensibilisiert werden“. Alle weiteren für 2019 geplanten Fußverkehrsprojekte sind ähnliche „Aufklärungs- und Erziehungsmaßnahmen“.

Gehwege in vielen Berliner Bezirken sanierungsbedürftig

Dabei brauche das in Städten meistgenutzte Verkehrsmittel dringend bessere Wege und mehr Sicherheit, fordert der Interessenvertretungsverein FUSS. „Den Rahmen dafür muss der Bund setzen“, sagt FUSS-Sprecher Roland Stimpel. In Berlin werden laut BMVI-Statistik sogar 31 Prozent der Wege zu Fuß zurückgelegt. Dennoch sind die Gehwege in vielen Bezirken in einem sehr schlechten Zustand.

In Marzahn-Hellersdorf sind 80 Prozent sanierungsbedürftig, in Lichtenberg 60, in Reinickendorf und Steglitz-Zehlendorf mehr als 50. Den Bezirken fehlt Geld für die Instandsetzung. Das BMVI verfüge 2019 über einen Etat von 29,3 Milliarden Euro, so Stimpel. „Die 800.000 Euro sind 0,0027 Prozent davon. Das ist der Betrag, den Verkehrsminister Scheuer Deutschlands wichtigstes Stadtverkehrsmittel wert ist.“ Auch die übrigen Antworten auf die Anfrage seien „weitgehend inhaltsleer“.

Gelbhaar wollte von Scheuer etwa wissen, wie er sich zum kürzlich vorgestellten Vorstoß des Umweltbundesamtes für eine bundesweite Fußverkehrsstrategie verhält. Es werde in der Tat „eine Strategie für den Fußverkehr entwickelt, die schwerpunktmäßig sowohl auf die Sicherheit als auch auf die Attraktivität des Fußverkehrs ausgerichtet sein soll“, teilte das BMVI mit. Auch eine Novelle der Straßenverkehrsordnung sei geplant, „diese berücksichtigt unter anderem den Schutz der Fußgänger und Radfahrer“

FUSS-Sprecher wirft Scheuer Ignoranz gegenüber Fußgängern vor

Allerdings wurden zentrale Forderungen des Umweltbundesamtes schon im Voraus abgelehnt. Eine Senkung der Regelgeschwindigkeit innerorts auf 30 km/h zum Schutz der Fußgänger „ist nicht geplant“. Dabei könnten so hunderte Unfälle verhindert werden, so Gelbhaar. Auch die geforderten höheren Bußgelder für Gehweg-Falschparker sind nicht in Sicht. Laut Bundesregierung gibt es „keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse“ über die Auswirkung höherer Bußgelder. Gelbhaar hält diese Argumentation für „reinen Zynismus“.

Das einzige aktuell im Verkehrsministerium bearbeitete Projekt für den Gehweg ist laut FUSS die Elektro-Kleinstfahrzeugverordnung. „Hier will man nicht Fußgänger schützen, sondern droht sie durch die Zulassung von Motorfahrzeugen auf Gehwegen einer neuen Gefahr auszusetzen“, kritisiert Stimpel. „Das zeigt Minister Scheuers komplette Ignoranz gegenüber der größten Gruppe der Verkehrsteilnehmer.

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