zum Hauptinhalt
Nicht mit der Bucht anlegen? Die Rummelsburger Bucht hat viele Befürworter - die gegen die Bebauungspläne demonstrierten.

© Robert Klages

„Denkmal für Investoren“: Der vergebliche Kampf von Berlinern gegen ein Tourismusprojekt

Polizisten riegeln eine Hochschule ab, damit die Politik den Bebauungsplan Rummelsburger Bucht beschließen kann. Dort soll ein riesiges Aquarium entstehen.

Man müsse nicht mehr fragen: "Wem gehört die Stadt?" Sondern: "Wer beherrscht die Stadt?" Ein Mann aus Lichtenberg zweifelt an der Demokratie. Die zahlreichen Proteste samt Volksinitiative mit mehr als 22.000 Unterschriften gegen die Bebauungspläne seien kaum berücksichtigt worden. Er ist einer von vielen, die gegen den Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg protestieren.

Unsere Stadt wird gnadenlos ausverkauft. Dass die Interessen von ein paar Investoren mehr Gewicht haben als der Wille von Tausenden Berlinern, ist ein Armutszeugnis für die Stadt.

schreibt NutzerIn Buchtfre

Am Montagabend haben die Lichtenberger Bezirkspolitiker in einer Sondersitzung dem Bebauungsplan für das Ostkreuz/Rummelsburger See mehrheitlich zugestimmt. Lediglich zwei Abgeordnete der Grünen und Linken stimmten gegen den Beschluss. Erst kurz nach 23 Uhr am Montag konnte unter lauten Protesten abgestimmt werden, zuvor wurde unter ständigen Zwischenrufen in einem Saal der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) diskutiert. Initiatoren einer Bürgerinitiative kamen zu Wort und kritisierten vor allem die in Lichtenberg regierende Linke.

Dass gerade eine Partei, die sich in Berlin auf die Fahnen geschrieben habe, gegen den Ausverkauf der Stadt zu sein, einem Bebauungsplan zustimme, der "investorenfreundlich" sei, verstehen sie nicht. "Das wähle ich nicht mehr", ruft jemand. "Verräter". Noch das Harmloseste. Die Hochschule hatte aus Sicherheitsgründen alle Studierenden gebeten, das Campusgelände nach 16 Uhr zu verlassen, Lehrveranstaltungen wurden abgesagt. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort und sicherte den Saal ab. Journalisten mussten Ausweise vorzeigen, mehr als 70 Personen wurden nicht in die eigentlich öffentliche Veranstaltung gelassen.

Auch im Saal hatten sich Polizisten positioniert und trugen nach rund einer Stunde eine junge Frau aus dem Saal, die mehrfach durch Zwischenrufe aufgefallen war. "Bucht für alle, Bucht für alle", riefen die rund 400 Demonstrierenden draußen immer wieder, auch noch, als es bereits dunkel wurde. Als Heribert Eisenhardt, Verordneter der AfD-Fraktion, das Fenster schloss, stand ein Mann aus dem Publikum auf, um es wieder zu öffnen. Eisenhardt schloss es erneut, der Mann öffnete es wieder und blockierte schließlich mit einem anderen Mann das geöffnete Fenster. "Bucht für alle. Bucht für alle."

CDU hatte die Sondersitzung einberufen

Die Demonstrierenden stört besonders, dass der Bebauungsplan festgesetzt wurde, obwohl es keine angekündigte Info-Veranstaltung dazu gegeben hatte. Diese musste zuletzt abgesagt werden, nachdem in dem Kino in Treptow, wo die Veranstaltung stattfinden sollte, gestreikt wurde. Dann hatte die CDU-Fraktion die Sondersitzung der Bezirksverordnetenversammlung einberufen, eine Pressemitteilung oder einen Hinweis an die Bevölkerung hat es nicht gegeben. Das kritisierte auch Daniela Ehlers, eine der zwei Grünen in der Lichtenberger BVV. Sie beantragte eine Verschiebung, denn es bestehe keine Dringlichkeit, den Bebauungsplan jetzt festzusetzen, ohne eine Info-Veranstaltung gemacht zu haben. Das wurde jedoch abgelehnt, Buh-Rufe aus dem Publikum.

Dann muss die Sitzung mehrfach kurz unterbrochen werden. Eine junge Frau aus dem Publikum ergreift das Mikrofon. "Mit uns Bürgern, nicht gegen uns", sagt sie in Richtung Politiker. "Scheiß auf die Investoren." Dann übergibt die Einwohnerinitiative einen Stapel Zettel mit über 20.000 Unterschriften gegen die Bebauungspläne. Michael Merz, Redner der "Ini", spricht von einem "Denkmal für Investoren, das kein Mensch haben will".

Ja, das Landesunternehmen Howoge wolle auf dem Gelände mietpreisgebundene Wohnungen bauen, aber eben auch "Coral World", einen umstrittenen Aquapark. Der Vertrag mit Lichtenberg wurde bereits vor zwei Jahren unterzeichnet. Eine Korallen-Welt mit exotischen Fischen, wie es diese schon auf Hawaii, in Israel, in Australien und auf Mallorca gibt. Bis zu 500.000 Besucher werden pro Jahr erwartet, die Bebauungsplan-Gegner befürchten, dass die Rummelsburger Bucht von Touristen vereinnahmt wird.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Kevin Hönicke, Vorsitzender der SPD-Fraktion Lichtenberg, sagt am Mikrofon, das Publikum möge doch mal zuhören. "Hören Sie doch mal uns zu", schallt es zurück. Wenig später wird der Ältestenrat einberufen. "Beruft doch mal den Jüngstenrat ein", ruft jemand aus dem Publikum. Der Einwohnerantrag wird dann mehrheitlich abgelehnt. Er befürwortete ein Alternativkonzept, ohne "Coral World". Die Politiker betonen mehrfach, dass die Verträge bereits unterschrieben seien und manche Grundstücke auf dem Bebauungsplan eben privaten Investoren, wie zum Beispiel der Padovicz-Gruppe gehören würde, da könne man nichts machen.

„Da müssen sie Padovicz schon enteignen“

"Herr Padovicz sitzt in einem ganz sicheren Boot, er hat die Grundstücke privat gekauft", sagt Jürgen Hofmann von den Linken. Buh-Rufe aus dem Publikum. "Da müssen sie Padovicz schon enteignen", ergänzt Hofmann. "Ja! Genau!", kommt aus aus dem Saal zurück. "Genau das wollen wir! Warum denn nicht?" Hofmann weiter: "Eine Ablehnung des Bebauungsplans würde Stillstand bedeuten, mehrere Jahre." Auf den Grundstücken an der Bucht befindet sich derzeit eine Brache, einige Obdachlose errichteten ein Camp, die Duldung dieses durch den Senat endete am heutigen Dienstag.

Früher hatte es hier auch ein großes Roma-Camp gegeben, welches jedoch mit der Zeit bereits aufgelöst wurde. Einige Anwohner hatten sich immer wieder über Müll und Lärm vor Ort beschwert. "Das ist kein Zustand derzeit", ruft Hofmann. "Schauen Sie sich vor Ort doch mal um!". Einige aus dem Publikum rufen zurück: "Wir wohnen dort!" Eine reine Grünfläche würde bald das Wertvollste in dieser Stadt sein, weil es davon immer weniger geben wird.

Im Hochschul-Saal wurde über den Bebauungsplan abgestimmt. Zivilpolizisten setzten sich daneben.
Im Hochschul-Saal wurde über den Bebauungsplan abgestimmt. Zivilpolizisten setzten sich daneben.

© Robert Klages

Die bezirkliche Abstimmung über den Bebauungsplan war mehrfach verschoben worden. Zuvor hatte das Abgeordnetenhaus den Plan beschlossen, mehrheitlich, auch die Grünen und Linken. Ein Verordneter der Lichtenberger Linken kritisierte das am Montagabend. Die Verantwortung werde auf die Bezirkspolitik geschoben. "Ja, dann nutzt das doch und stimmt dagegen", entgegnete Iver Ohm von der Bürgerinitiative. Das findet auch Robert Pohle von den Grünen. Bei einer Ablehnung des Plans müsse das Abgeordnetenhaus die Verantwortung an sich ziehen. "Sie müssten dort dann verabschieden, was sie dem Bezirk eingebrockt haben." Er findet noch Rechtschreibfehler in dem Antrag. "Und das, obwohl jahrelang darüber beraten wurde."

„Können nicht unsere Meinung und Verträge ändern“

Daniel Buchholz, Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, sieht eine überfällige Entscheidung und das "richtige Signal für die Entwicklung des Bezirks und Berlins". Der beschlossene B-Plan sehe über 170 landeseigene und damit bezahlbare Mietwohnungen vor, dazu eine neue Grundschule, Kitaplätze und eine Jugendfreizeiteinrichtung.

Vor einem Jahr wurden die Grundstücksgeschäfte im Vermögensausschuss des Abgeordnetenhauses beschlossen. Einige Linke und Grüne hatten einen gemeinsamen Antrag formuliert, in dem der Senat aufgefordert werden sollte, die Entwicklungsziele für die Rummelsburger Bucht zu überarbeiten und neu zu bestimmen.

Die Grünen beschlossen diesen Antrag, die Linken nicht - wohl auch, weil die SPD nicht mitziehen wollte. "In einem Rechtsstaat können wir als Vertragspartner nicht beliebig unsere Meinung zu Verträgen ändern", meint Buchholz. "Das Areal ist Teil einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme, die in den 1990er Jahren ihren Ursprung hat und deren gesetzliche Verpflichtungen wir auch heute nicht einfach ignorieren können. Eigentümer, die mit uns kooperieren, müssen an den Entwicklungen beteiligt werden." Die Senatsverwaltung habe unter diesen Gegebenheiten das bestmögliche Verhandlungsergebnis erzielt.

Verträge müssen eingehalten werden. Ein Grundsatz der alten Römer, der die Zeiten überdauert hat und bis heute und sogar in Berlin immer noch gilt! Und das ist gut und richtig so. Ein Sieg der repräsentativen Demokratie, den unsere Stadt seit längerem mal wieder nötig gehabt hat.

schreibt NutzerIn heiko61

„Berlin braucht eine andere Bodenpolitik und eine andere Baupolitik“

Die Linke hat sich an diesem Bebauungsplan gerieben, auf bezirklicher, wie auch auf landespolitischer Ebene. Tobias Schulze, stellvertretender Vorsitzender der Berliner Linken, sprach sich gegen die Festsetzung des Bebauungsplans aus. Aber er gab auch zu bedenken, dass auch Kitas, preiswerte Wohnungen und eine Schule gebaut werden sollen. Und die Verträge könnten nicht vonseiten des Landes rückabgewickelt werden, sondern nur vonseiten der Investoren. "Das ist die Sch...", schrieb er auf Twitter.

Dort gab er auch an, am Montag vor Ort gewesen, allerdings von den Polizisten nicht in den Saal gelassen worden zu sein. Er habe sich jedoch auch nicht "als Abgeordneter zu erkennen gegeben". Am Dienstag sagte er zudem: "Was lernen aus dem Vorgang Rummelsburger Bucht? Berlin braucht eine andere Bodenpolitik und eine andere Baupolitik"

Nach Ende der Sitzung versammelten sich die verbliebenen Demonstrierenden vor einem Asia-Imbiss, einige sichtlich betrunken. "Wir haben verloren", sagt ein junger Mann. Der Imbiss-Inhaber verkaufte an diesem Tag seine vorhandenen Glühwein-Bestände, und auch das Bier wurde fast alle. Alles schien weitestgehend friedlich abgelaufen zu sein. "Weiterkämpfen", hieß das Motto. Auch andernorts in Berlin, gegen "den Ausverkauf der Stadt."

Zur Startseite