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Personal im öffentlichen Dienst in Berlin ist dringend gesucht - auch für die Betreuung von Kita-Kindern.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Verwaltung: Der öffentliche Dienst hat ein massives Nachwuchsproblem

Jährlich müssten bis zu 6000 Stellen nachbesetzt werden. Der Senat streitet, statt sich zu kümmern. Und die Bürokratie nimmt wohl eher zu als ab.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

„Wir packen die Modernisierung unserer Verwaltung an und werden die Bezirke mit mehr Personal und Ressourcen ausstatten.“ Das hat Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag versprochen, aber bisher ist nicht einmal im Ansatz erkennbar, wie der Senat die Probleme des öffentlichen Dienstes in Berlin lösen will. Jetzt kriegt man zwar schneller einen Termin im Bürgeramt, dafür stehen nun in den Standesämtern die Heiratswilligen Schlange. In einer Behörde wird die Lage durch einen Kraftakt kurzzeitig verbessert, dafür reißen die personellen und organisatorischen Lücken andernorts auf.

Die Berliner Verwaltung, so bestätigen Experten auch aus den Reihen der Koalition, hat nicht nur bei den Kunden einen schlechten Ruf. Sie ist auch wenig attraktiv für junge Menschen auf der Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Denn sie müssen dort damit rechnen, auf schlecht bezahlte, gestresste und frustrierte Mitarbeiter zu treffen, von denen viele kurz vor dem Ruhestand stehen. Die Stimmung ist schlecht, die Krankenstände sind hoch und die IT-Ausstattung so mancher Arbeitsplätze treibt die Beschäftigten in den Wahnsinn. Es wird immer schwieriger, frei werdende Stellen in der Verwaltung nachzubesetzen. Und es fehlt sogar Personal, um diese Stellen zügig und rechtssicher auszuschreiben.

Die Bürokratie nimmt wohl eher zu als ab

In der Bezirksverwaltung ist die Lage besonders bedrohlich. „Wir sind das letzte Glied in der Kette“, klagt eine Stadträtin. Auch ist der Ton zwischen den Bezirkspolitikern und der Finanzverwaltung des Senats wieder rauer geworden. Mit dem Finanzstaatssekretär Klaus Feiler, normalerweise ein sehr umgänglicher Mensch, müsse in den laufenden Haushaltsverhandlungen für die nächsten zwei Jahre um jede Stelle gefeilscht werden, heißt es. Und für den Nachweis eines höheren Personal- und Geldbedarfs, etwa für die Planung und Realisierung von Schulsanierungsprojekten, werden die Mitarbeiter mit monströsen Excel-Tabellen eingedeckt, die sie ausfüllen sollen. Die Bürokratie, kritisieren Betroffene, nehme eher zu als ab.

Auch bei der Polizei fehlt es in Berlin an neuem Personal.
Auch bei der Polizei fehlt es in Berlin an neuem Personal.

© Britta Pedersen/dpa

Da klingt es fast zynisch, wenn der Innensenator Andreas Geisel in einem neuen Senatsbericht auf die Vereinbarung zwischen SPD, Linken und Grünen verweist, „die Zuständigkeit für das landesweite Personalmanagement und das Recht des öffentlichen Dienstes in der Senatsverwaltung für Finanzen zu bündeln“. Denn gleichzeitig weigert sich der Sozialdemokrat immer noch, die Kompetenzen für das Landespersonal vollständig abzugeben.

Die Zuständigkeit für einen Teil der Auszubildenden will er behalten, und von der Einstellung eines Personal-Staatssekretärs, den ursprünglich alle drei Koalitionsparteien wollten, will der Regierende Bürgermeister Michael Müller nichts mehr wissen. Wegen dieser internen Querelen bleiben wichtige Zuständigkeiten für die Personalentwicklung und Stellenpolitik des Senats ungeklärt. „Vieles bleibt liegen“, bestätigt ein Insider. Die Fach- und Führungsleute in der Verwaltung wüssten immer noch nicht, in wessen Auftrag und mit welchen Zielsetzungen sie arbeiten sollen, um Ämter und Behörden personell und organisatorisch auf Vordermann zu bringen.

Der Blick in die Zukunft sieht düster aus

Der Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), der für die Personalpolitik des Senats laut Koalitionsvertrag künftig allein zuständig sein soll, will den internen Konflikt nicht öffentlich anheizen und verzichtet angeblich freiwillig auf einen Staatssekretär fürs Personal. Bis zuletzt stand die Forderung nach einem solchen Spezialisten in den gemeinsamen Koalitionspapieren, bis sie bei der Endfassung des Koalitionsvertrages in nächtlicher Sitzung spurlos verschwand. Voraussichtlich wird sich der Koalitionsausschuss in der nächsten Woche erneut mit dem Thema befassen. Bisher blieb die Diskussion, die von Linken und Grünen seit Wochen vorangetrieben wird, ohne greifbares Ergebnis.

Dabei sprechen die Fakten, die der Senat in internen Berichten detailliert aufführt, eine deutliche Sprache. Im Landesdienst Berlin sind in den vergangenen zehn Jahren die Altersgruppen zwischen 35 und 50 Jahren weitgehend weggebrochen. Bis 2022 scheidet ein Viertel der jetzt noch Beschäftigten aus Altersgründen aus. In den Bezirksämtern ist es fast ein Drittel. Das gilt auch für die Führungskräfte im höheren Dienst, die ihre Erfahrung und ihr Wissen in den Ruhestand mitnehmen. Nur 5 Prozent der öffentlich Bediensteten sind jünger als 30 Jahre. Die durchschnittliche Krankenquote im Berliner Landesdienst steigt wieder – und liegt bei über 10 Prozent.

Es wird auch in strategisch wichtigen Bereichen eng

Um die personellen Substanzverluste auszugleichen und die Aufgaben einer wachsenden Stadt zu bewältigen, müssen jährlich 5000 bis 6000 Stellen nachbesetzt werden. Das gilt vor allem für Kitas, Schulen und Hochschulen, Polizei und Feuerwehr, Justiz und Finanzämter, für die über 90 Prozent der öffentlich Bediensteten arbeiten. Aber auch in weniger personalintensiven, aber strategisch wichtigen Bereichen wird es eng. Der ärztliche Dienst, Bauplanung und -technik sowie IT-Fachkräfte wurden vom Senat zu Mangelberufen erklärt.

Zwar will der Senat die Finanzmittel für die eigene Ausbildung von Nachwuchskräften weiter erhöhen, allerdings fehlen in vielen Bereichen Menschen, die ausbilden können. Im vergangenen Jahr wurden etwa 1500 Azubis als Beamte oder Angestellte übernommen. Das übrige Personal muss von außen rekrutiert werden. Eine gigantische Aufgabe.

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