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Alles schnell erledigt? Eine App ist nur ein kleiner Schritt zur Lösung.

© freepik/Vadym Drobot

Berliner Digitalisierungspläne: Eine neue App für Online-Anträge freut vor allem die Entwickler

Unser Gastautor ist Professor für digitale Innovation in der öffentlichen Verwaltung. Das Kapitel zur Verwaltungsreform im Koalitionsvertrag lässt ihn schaudern.

Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. David Zellhöfer

Bereits der erste Satz im Koalitionsvertrag zum Thema „Digitale Verwaltung“ lässt mich schaudern: „Die Koalition beendet das Umsetzungsdefizit bei digitalen Bürgerdienstleistungen und baut die Möglichkeit der Nutzung von Online-Anträgen über das Service-Portal Berlin sowie eine mobile Applikation aus.“

Berufsbedingt müsste ich jubeln. Leider durchdringt diesen ersten Satz ein grundsätzliches Missverständnis über die digitale Transformation, welche auch schon das Onlinezugangsgesetz (OZG) – 575 Verwaltungsleistungsbündel sollten bis Ende 2022 nutzerorientiert digitalisiert sein – zielsicher vor die Wand lenkte.

Nutzerorientierung bedeutet, wie bereits diskutiert, dass für Bürger*innen ein tatsächlicher Mehrwert entsteht. Es ist davon auszugehen, dass Nutzende daran interessiert sind, einen Service oder dessen Ergebnis schnell, also effektiv und effizient, nutzen zu können, sei es ein Termin beim Bürgeramt oder die Auszahlung des Wohngelds. Darin besteht ohne Frage ein „Umsetzungsdefizit“ in der Verwaltung.

Der Einstieg ins Thema „Digitale Verwaltung“ des Koalitionsvertrags richtet sein erstes Augenmerk jedoch auf die Erweiterung von Zugangsmöglichkeiten zu Anträgen wie den Portal-basierten Abruf à la OZG oder per App. Sicherlich ist es komfortabel, wenn ich jederzeit Anträge herunterladen kann und zu Hause ausdrucke. So elektrifiziert man den dahinter liegenden Prozess kritiklos. Immerhin schont dies das Druckkostenbudget der zuständigen Behörde.

In der nächsten Evolutionsstufe der Digitalisierung muss ich nichts mehr drucken, sondern arbeite rein digital. Auch das ist schon in Teilbereichen möglich.

Inwiefern jetzt eine Zugangs-App einen wesentlichen Mehrwert, außer für den Entwickler, schafft, bleibt offen. Die Möglichkeit, Webportale heutzutage „mobile first“, also mit dem Fokus auf mobile Nutzung hin zu entwerfen, lässt das Nutzungsszenario „mobile Applikation“ zumindest als kritisch zu hinterfragen erscheinen – es ist ja nicht mehr 2007.

Nötige Ressourcen ließen sich sinnvoller einsetzen, um Verwaltungsprozesse ganzheitlich und nutzerfreundlich zu digitalisieren, damit Bürger*innen schnell zum Ziel kommen. Zum Glück scheint im Vertrag durch, dass sichergestellt werden soll, dass Online-Anträge verwaltungsintern medienbruchfrei verarbeitet werden können und nicht zur Prüfung ausgedruckt werden, wie Wohngeldanträge in Lichtenberg.

Das ist weniger „sexy“ als eine App, aber dafür viel gewinnbringender für alle Beteiligten – Bürger*innen und die Verwaltung – so würde Berlin besser funktionieren.

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