zum Hauptinhalt
Pfützen sind ein gutes Zeichen - sofern sie versickern können.

© dpa/Daniel Naupold

Berliner Regenwasseragentur : Leiterin zieht nach fünf Jahren durchwachsene Bilanz

Dürre, Hitze und Unwetter erfordern eine neue Stadtplanung: Berlin soll zur Schwammstadt werden. Das verlangt schwierige Kompromisse – und kostet Milliarden.

Christoph Donner würde auch die kompletten fünf Milliarden Euro nehmen, die der schwarz-rote Senat als Sondervermögen für den Klimaschutz versprochen hat. Der Chef der Berliner Wasserbetriebe sagt das am Mittwoch nicht direkt, als bei einer Pressekonferenz Bilanz zum fünfjährigen Bestehen der Regenwasseragentur gezogen wird.

Stattdessen sagt Donner: „Sie können davon ausgehen, dass wir mindestens fünf bis zehn Milliarden Euro in diese Infrastruktur investieren müssen.“ Mit der Infrastruktur ist der Umbau gemeint, der Berlin fit machen soll für die Klimakrise, in der der Regen nicht mehr lang und sachte fällt wie früher meist, sondern wochenlange Hitze- und Trockenperioden sich mit sporadischen Unwettern abwechseln, die die Kanalisation überfordern.

Ein Resultat in Gestalt massenhaft erstickter Fische war just in diesen Tagen wieder zu besichtigen: Der Dreck der Stadt aus der plötzlich übergelaufenen Kanalisation hat ihnen den Sauerstoff geraubt, der in warmem Wasser ohnehin knapper ist als in kälterem. Zugleich bedeutet die Dreckflut, dass der dringend benötigte Regen für den Wasserhaushalt der Stadt verloren ist, weil er via Landwehrkanal, Spree und Havel in die Nordsee fließt, statt die für Trinkwasserversorgung und Stadtgrün existentiellen Grundwasservorräte aufzufüllen.

Regenwasseragentur hat keinen Überblick

Um Berlin zur versickerungsfähigen „Schwammstadt“ umzubauen, wurde vor fünf Jahren nach Amsterdamer Vorbild die Regenwasseragentur gegründet – vom Land finanziert und an die Wasserbetriebe angedockt. Das anfangs aus vier Leuten bestehende Team ist auf acht gewachsen; die Bilanz ist den Schilderungen von Agenturchefin Darla Nickel zufolge durchwachsen.

Auf der Habenseite stünden mehr als 1000 Beratungsgespräche und über 150 Fachvorträge sowie Dutzende Führungen mit Fachleuten, sodass das Thema in der Baubranche omnipräsent ist. Neubauquartiere würden standardmäßig so geplant, dass der Regen von Dächern und Wegen lokal versickert, und bei Umbauten von Gebäuden, Straßen und Plätzen im Bestand würden systematisch „Abkopplungspotentiale“ geprüft und genutzt, berichtete Nickel.

Wir kämpfen bei jedem Vorhaben, aber wir können nicht davon ausgehen, dass wir gewinnen.

Darla Nickel, Chefin der Berliner Regenwasseragentur

Die Beispiele reichen von der laufenden Umgestaltung des Gendarmenmarktes mit sogenannten Rigolen zur Versickerung über Marx-Engels- und Rathausforum bis zum Marktplatz Adlershof. Die von der rot-grün-roten Koalition erlassenen Beschränkungen zur Einleitung von Regenwasser in die Kanäle der Wasserbetriebe forcieren diese Entwicklung.

Im Kontrast dazu steht das Gros des Bestandes, das nicht ohnehin erneuert wird. Nach fünf Jahren hat die Agentur noch nicht einmal einen Überblick, wie viele Flächen bisher von der Kanalisation abgekoppelt worden sind. Die Daten sollen anhand neuer Luftbilder – die aktuellsten seien 23 Jahre alt – ermittelt werden. Bekannt ist aber, dass die Fortschritte im Bestand minimal sind. Nach Darstellung von Nickel „sind die Flächenkonkurrenzen enorm“, weil der öffentliche Raum so viele Ansprüche erfüllen müsse. „Wir kämpfen bei jedem Vorhaben, aber wir können nicht davon ausgehen, dass wir gewinnen.“

Nur an wenigen Stellen kann Regenwasser in Berlin ungehindert versickern.

© dpa/Paul Zinken

Wasserbetriebe-Chef Donner beschrieb die Aufgabe so: „Wir müssen gucken, wie wir mehr Pfützen in den Untergrund bekommen.“ Fürs Berlin der Zukunft prophezeit er gelegentlich „staubige oder schlammige Schuhe“ wegen zurückhaltend versiegelter Gehwege. Aber auch deren Schaffung sei eine Abwägung zwischen den Interessen. Fürs Primat der Versickerung spricht aus Donners Sicht, „dass wir das Wasser brauchen, um die grüne Lunge Berlins zu erhalten“. Das Stadtgrün müsse sogar erweitert werden, um künftige Hitze besser erträglich zu machen.

Die Versickerung durch Entsiegelung gerät auch deshalb zunehmend in den Fokus, weil die Schaffung weiterer unterirdischer Speicher für das innerstädtische Gemisch aus Regen- und Abwasser schwierig wird. Deren Baukosten bezifferte Donner auf bis zu 13.000 Euro pro Kubikmeter. Entsiegelung sei dagegen für neun bis 210 Euro pro Quadratmeter Fläche machbar. Die Finanzierung – ob durch Immobilieneigentümer, den Staat oder über Gebühren – müsse rasch geklärt werden. Zur möglichen Herkunft der Mittel merkte Donner an: „Wir wissen von der Bundesebene: Wenn Ziele dringend sind, dann ist plötzlich Geld da.“

Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) versicherte, bei der laufenden Aufstellung des Klima-Sondervermögens „werden wir einen großen Schwerpunkt bei Klimaanpassung und -resilienz setzen“, aber machte keine konkreten Zusagen und blieb auch sonst vage: Im Bestand „muss sich das Tempo erhöhen“, erklärte sie, ohne Maßnahmen dafür zu benennen. Bei der Umsetzung gehe es ums „Austarieren von Interessen“; man werde das Werk der Regenwasseragentur „zielstrebig und konsequent“ fortführen, „breite Sensibilisierung und Information“ seien wichtig. Für die immerhin sagte die Senatorin, wer hauptsächlich zuständig sei: die öffentliche Verwaltung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false