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Wilde Jahre. In den 90ern waren viele Häuser besetzt, hier in Mitte.

©  Doris S.-Klaas

Berliner Wohnpolitik: Hausbesetzer brauchen politische Unterstützung

Leerstand zu besetzen darf keine Straftat sein, sagt die Linken-Politikerin Katina Schubert. Wer sich gegen Wohnungsnot wehre, dürfe nicht kriminalisiert werden. Ein Gastbeitrag.

Was ist los in einer Stadt, in der laut einer Forsa-Umfrage mehr als die Hälfte der Befragten Hausbesetzungen befürwortet und eine Abkehr von der sogenannten „Berliner Linie“ gutheißt?

Die Berlinerinnen und Berliner wollen ihre Stadt zurück, sie wollen hier leben und wohnen, ohne Angst vor dem Verlust der Wohnung, vor Vertreibung und Gentrifizierung. Sie wollen, dass die Spekulation mit Wohnungen und vor allem mit Grund und Boden aufhört, sie wollen die „Berliner Mischung“ in den Kiezen erhalten, in der jung und alt, arm und reich, Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte zusammenleben.

Die große Mietendemo im April hat es schon angekündigt: Die Mietpreisexplosion in Berlin wird nicht mehr hingenommen. Die Menschen wehren sich. Es geht nicht darum, dass irgendwie gebaut wird. Es geht darum, mehr bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum zu schaffen.

Politische Aktion #besetzen

Einige Hausbesetzungen sorgten am Pfingstsonntag für Aufregung. Aktivistinnen und Aktivisten von „#besetzen“ hatten mehrere Häuser besetzt. Sie wollten damit auf den Leerstand bei gleichzeitig großer Wohnungsnot aufmerksam machen. Es war eine politische Aktion.

Ein Haus in der Bornsdorfer Straße gehört der städtischen Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“. Der Geschäftsführer hat Strafanzeige gegen die Besetzer*innen gestellt und dennoch mit ihnen verhandelt. Noch bevor diese Verhandlungen zu Ende waren, hat die Polizei das Gebäude geräumt. Innensenator Geisel begründete dies mit der „Berliner Linie“.

Doch was ist diese „Berliner Linie“? Dafür lohnt ein Rückblick auf die 80er Jahre in West-Berlin. Seinerzeit herrschte auch massive Wohnungsnot, während ganze Straßenzüge leerstanden. Damals haben Berlinerinnen und Berliner rund 200 Häuser besetzt und bewohnbar gemacht. Der damalige Regierende Bürgermeister Hans-Jochen Vogel (SPD) gab die „Berliner Linie der Vernunft“ aus: Verhandlungen mit den Besetzenden, um Lösungen zu finden. Tatsächlich bekam ein großer Teil der damaligen Besetzerinnen und Besetzer Mietverträge, der Senat stellte Geld für die Sanierung zur Verfügung.

Der SPD war damals klar, dass in der Stadt spekuliert wurde, dass das Recht auf Wohnen dem Marktgeschehen unterworfen ist und setzte auf Verhandlungen. Der spätere CDU-Senat unter Richard von Weizsäcker hat die Berliner Linie zu einer Räumungslinie binnen 24 Stunden umdefiniert. Sie hat übrigens keine spezielle gesetzliche Grundlage, schon deshalb sollte sie verändert werden.

Neue Prüfrichtlinien

Künftig sollte bei einzelnen Besetzungen genau geprüft werden:

a) Was ist das für ein Objekt, das besetzt wurde?

b) Wie lange steht es schon leer?

c) Warum steht es leer? Wem gehört es?

Das Grundgesetz schützt das Privateigentum, betont aber auch, dass Eigentum verpflichtet. Wenn ein so knappes Gut wie Wohnraum länger als ein Jahr leer steht, muss ausgeschlossen werden können, dass es sich um Spekulation handelt. Das Recht auf Wohnen, ein in der Berliner Verfassung verankertes Grundrecht, wird torpediert, wenn Spekulation mit Wohnraum unter Verweis auf den Schutz des Eigentums unbestraft bleibt. Wir schützen das Recht auf Wohnen! Das hat zur Folge, dass der Eigentümer nachweisen muss, dass er eine Wohnnutzung definitiv plant, und er muss namentlich bekannt, also keine Briefkastenfirma sein.

Es muss gehandelt werden

Es darf auch keine Straftat mehr sein, spekulativen Leerstand zu besetzen. Stattdessen muss verhandelt werden, um das Gebäude wieder fürs Wohnen nutzen zu können. Hier kann sofort das neue Zweckentfremdungsverbotsgesetz Berlins greifen und die Besetzung im Wege der Treuhänderregelung legalisiert werden.

Katina Schubert
Katina Schubert

© privat

Ähnliches gilt bei Grundstücken. Wir haben in Berlin etliche Brachen, für die es Baugenehmigungen gibt. Es wird aber nicht gebaut. Die Eigentümer spekulieren auf hohe Gewinne, wenn sie das Bauland später verkaufen. Im Zweifel müssen diese Grundstücke enteignet werden. Land und Bezirke sind gefordert, jedem Hinweis auf Spekulation nachzugehen, dafür brauchen die Bezirke mehr Personal. Auf Landesebene brauchen wir eine Sonderermittlungsgruppe gegen Leerstand und ein Leerstands-Monitoring.

Keine Kriminalisierung von Besetzern

Landeseigene Unternehmen sollen in jedem Fall davon absehen, das Strafrecht zu nutzen. Räumungen lassen sich im unlösbaren Konfliktfall auch zivilrechtlich erreichen. Deshalb fordern wir, dass die Strafanzeigen gegen die Besetzer*innen aus der Bornsdorfer Straße zurückgenommen werden. Diejenigen, die sich gegen Spekulation und Wohnungsnot wehren, dürfen nicht kriminalisiert werden. Sie brauchen politische Unterstützung.

Die Wohnungspolitik von Rot-Rot- Grün in Berlin zielt darauf, mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, von der Bundesregierung gibt es dafür keine Unterstützung. Initiativen zur Fesselung der Marktkräfte sind bislang ins Leere gelaufen. Deshalb ist es richtig, neben den landeseigenen Wohnungsunternehmen vor allem Genossenschaften mit Zugang zur Grundstücken und Landesförderung zu unterstützen, die in der Lage und bereit sind, Wohnraum bis maximal 6,50 Euro bereit zu stellen.

Katina Schubert

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