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Keineswegs amtsmüde. Bausenatorin Katrin Lompscher beim Tagesspiegel-Interview.

© Mike Wolff

Berlins Bausenatorin Katrin Lompscher: „Man kann nicht von heute auf morgen Neues bauen“

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher muss das Wachstum Berlins managen. Im Interview spricht sie über Wohnungsbau, Bürgerbeteiligung und den Checkpoint Charlie.

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Frau Lompscher, können Sie die Hitze gut ertragen?

Man gewöhnt sich mit der Zeit dran.

Warum haben Sie Mitarbeitern Dienstag bis Donnerstag ab 14 Uhr frei gegeben, ohne dass nachgearbeitet werden muss?

Diese Regelung galt nur einen Tag aus Gründen des Gesundheitsschutzes. Dieses Verwaltungsgebäude ist stark sanierungsbedürftig. Eine Klimaanlage haben wir am Fehrbelliner Platz wie die meisten Verwaltungen nicht.

Die Sommerpause ist fast vorbei. Ist Ihr Konzept zur Beschleunigung des Wohnungsbaus fertig, das der Senat bis Ende August angemahnt hat?

Wir haben uns darauf verständigt, dass ich Ende August dem Senat einen Bericht vorlege. Er ist in Arbeit und wird rechtzeitig fertig sein.

Was steht in dem Bericht?

Wir werden uns damit befassen, wie insbesondere der kommunale Wohnungsbau beschleunigt werden kann. Dabei geht es auch um Dachausbau, Aufstockungen, Ergänzungsbauten auf eigenen Grundstücken. Die entscheidende Frage wird sein, wie man bei größeren Bauprojekten für alle Wohnungsbauträger unterstützend tätig sein kann.

Warum wird das Ziel von 30.000 Wohnungen nicht erreicht? Was läuft schief?

Koalition und Senat halten an dieser ehrgeizigen Zielzahl fest, wir mussten aber feststellen, dass es eine zu optimistische Einschätzung gab, wie schnell man größere Bauvorhaben auf den Weg bringen kann. Während der Koalitionsverhandlungen 2016 hatten wir alle den Eindruck, dass einige große Projekte schon sehr viel weiter vorbereitet waren als es tatsächlich der Fall war.

Außerdem haben die langen Planungszeiten etwas mit der Komplexität von Planungsverfahren zu tun, mit der langen Übertragungszeit von Grundstücken an die Wohnungsbaugesellschaften und mit Baukostensteigerungen, die die Unternehmen belasten. Hinzu kommt, dass die Baukapazitäten in Berlin an ihre Grenze geraten.

14 Großsiedlungen mit rund 42.000 Wohnungen sollen langfristig gebaut werden. Grüne und SPD fordern Priorisierungen. Womit wird begonnen?

Priorisierungen sind planerisch nicht sinnvoll. Alle elf im Koalitionsvertrag festgelegten und drei neu vorgeschlagenen Quartiere müssen sich gut in die städtische Struktur einfügen. Wir müssen überlegen, wo man mit dem vergleichsweise geringsten Erschließungsaufwand am zügigsten bauen kann. Der Blankenburger Süden gehört zum Beispiel nicht dazu. Dort gibt es Verkehrsprobleme, die gelöst werden müssen, bevor mit dem Wohnungsbau begonnen werden kann.

Sie planen dort 10.000 Wohnungen, ihr Parteifreund, Pankows Bezirksbürgermeister Benn, will 5800. Wie einigen Sie sich?
Die Zahl 5800 bezieht sich auf die Kernfläche des landeseigenen Besitzes. Eine höhere Zahl von Wohnungen gilt für das weitere Umfeld dieser Fläche und ausdrücklich nicht für die Flächen für Erholungsanlagen, die voraussichtlich zu einem geringen Anteil für Verkehrstrassen benötigt werden. Wie weitere geeignete Flächen für Wohnungsbau genutzt werden können, muss diskutiert und planerisch vorbereitet werden.

Mit dem Bau der meisten Wohnungen soll erst ab 2021 begonnen werden. Wie erklären Sie das den Bürgern?

Ich betone ja häufig: Stadtentwicklung ist ein Marathon und eine Gemeinschaftsaufgabe. Wenn wir Planverfahren beschleunigen und ausreichend Baukapazitäten vorhanden ist, dann sind wir schneller. Aber wir können nicht zaubern. Man kann nicht von heute auf morgen neue Häuser bauen oder ganze Stadtquartiere aus dem Boden stampfen.

70 Prozent des Berliner Wohnungsmarktes sind in privater Hand. Ihnen wird vorgeworfen, die privaten Investoren aus ideologischen Gründen schlecht zu behandeln. Sind das Unterstellungen?

Ja, das ist Legendenbildung. Die Stadt ist kein Tablett zur Selbstbedienung, sondern ein sozialer Ort mit einer Vielzahl von Akteuren. Die Stadt hat das Recht Regeln aufzustellen für die bauliche Gestaltung und sozialräumliche Entwicklung. Wer sich an die Spielregeln hält, ist herzlich willkommen.

Sind die Spielregeln zu kompliziert? Unternehmen beklagen schleppende Abläufe in der Verwaltung. Fehlt Ihnen Personal?

Die Personalnot in den Fachämtern ist weiterhin groß. Über 130 Stellen haben die Bezirke zusätzlich erhalten. Wir werden weitere 100 neue Stellen in unserem Maßnahmenprogramm vorschlagen. Die Kooperationskultur in der Berliner Verwaltung ist verbesserungsbedürftig, manche Fachbehörde gewichtet ihre Belange zu stark. Das kann zu langwierigen Abstimmungen führen. Genau deshalb haben wir die Clearingstelle und den Steuerungsausschuss Wohnungsbau eingerichtet, um solche Probleme zu lösen.

Frau Lompscher, ständig wird an Ihnen herumgemäkelt. Macht Sie das nicht mürbe?

So etwas geht nicht spurlos an einem vorbei. Aber es ist auch ein Zeichen dafür, dass die Brisanz der Aufgabe, mit der ich betraut bin und die für die Stadt, die Koalition und den Senat eine zentrale Rolle spielt, sich in der öffentlichen Diskussion widerspiegelt. Bestimmte Angriffe gegen mich sind aber interessengeleitet und von wenig Fachkenntnis geprägt.

Und Sie halten die Kritik noch bis zum Ende der Wahlperiode aus?

So lange die Wahlperiode geht, bin ich Senatorin.

Die Baugenossenschaften klagen, sie bekämen vom Land keine preiswerten Grundstücke. Warum funktioniert das nicht?

Aktuell laufen nur drei Konzeptverfahren für kleine Grundstücke, vier weitere sind dieses Jahr geplant, 2019 sollen es fünf werden. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Deshalb werde ich im Konzept zur Beschleunigung des Wohnungsbaus dazu Vorschläge machen. Denkbar wäre eine Quote für die Nutzung landeseigener Bauflächen zugunsten der Genossenschaften und ähnlicher gemeinwohlorientierter Bauträger, damit sie Planungssicherheit bekommen. Und bei den neuen großen Stadtquartieren werden wir in jedem Fall Baufelder an Genossenschaften vergeben. Bei den Buckower Feldern sind bereits 20 Prozent dafür eingeplant.

Wie gehen Sie mit der Flächenkonkurrenz zwischen Wohnen und Gewerbe um?

Es ist eine unserer wesentlichen Aufgaben, integrierte Planungen zu machen. Deshalb entwickeln wir die Stadtentwicklungspläne für Wohnen, Wirtschaft, Zentren und Verkehr gleichzeitig weiter, um Nutzungskonkurrenzen frühzeitig zu vermeiden. Kommt es zu Konflikten, brauchen wir klare Strukturen, um diese zu lösen. Wie bei dem Knorr-Bremse-Areal in Marzahn: Dort haben wir uns im Steuerungskreis geeinigt auf einen Mix aus Gewerbe und Wohnungsbau, darunter auch für Studierende und Werksangehörige. Letzteres kann ein interessantes Signal für einen neuen Werkswohnungsbau sein.

Eine Nachricht passt nicht so richtig in Ihr linkes Profil: In neun von 34 Berliner Kiezen soll das Quartiersmanagement gestrichen werden. Warum tun Sie das?

Das hat nichts mit linkem Profil zu tun, sondern liegt in der Philosophie der Städtebauförderung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Es geht um zeitlich befristete Projekte, die regelmäßig evaluiert werden müssen. Dazu gehört auch das Instrument Quartiersmanagement, das 2019 seit 20 Jahren besteht.

Zu den geltenden Regeln gehört auch, dass Gebiete nur über einen gewissen Zeitraum gefördert werden und andere Stadtteile dafür hinzukommen. In das Entscheidungsverfahren sind die Bezirke und Quartiersmanagement-Teams einbezogen worden. Eine frühzeitige Entscheidung vor dem Förder-Ende 2020 war ausdrücklich erbeten. Damit ist genügend Zeit Lösungen zu finden, wie die geschaffenen Strukturen in Zukunft dauerhaft über den regulären Haushalt oder andere Programme weitergeführt werden können. Dafür sichere ich meine Unterstützung zu.

Gefährdet der Dauerstreit um die Bau- und Wohnungspolitik die Koalition?

In den koalitionsinternen Debatten kommt die große Sorge zum Ausdruck, dass wir in dieser zentralen politischen Frage nicht so weit kommen, wie wir gemeinsam wollen. Deshalb habe ich ein großes Interesse daran, diese Auseinandersetzungen konstruktiv aufzulösen. Ich bin politisch verantwortlich für dieses Ressort, aber es ist eine gemeinsame Aufgabe. Ich brauche die Unterstützung der anderen Fachressorts und der Bezirke genauso wie die der Koalition.

Der Regierende Bürgermeister ist bemüht, stadtentwicklungspolitische Kompetenzen in die Senatskanzlei zu ziehen. Werden Sie schleichend entmachtet?

Es gibt Themen, von denen ich schon immer der Meinung war, dass sie beim Regierenden Bürgermeister angesiedelt sein sollten. Das gilt explizit für die „Berlin-Strategie 2030“. Während der Koalitionsverhandlungen war es mein Vorschlag, dass Michael Müller die Federführung für diese Stadtstrategie übernimmt. Ich finde es außerdem gut und richtig, wenn der Regierende Bürgermeister mit seiner Richtlinienkompetenz große Planungs- und Bauprojekte für die Stadt unterstützt. Das kann extrem hilfreich sein.

Ihnen wird koalitionsintern vorgeworfen, die Bürgerbeteiligung zum Dogma zu erheben, weshalb sich wichtige Bauvorhaben verzögern.

Ich bin eine große Feindin von Dogmen. Bürgerbeteiligung gehört doch zur DNA dieser Koalition und es gibt dazu keine Alternative. Der Vorbehalt der Bürgerinnen und Bürger, ob das alles so richtig und gut ist, wächst mit zunehmender Bautätigkeit. Dem müssen wir uns stellen.

Der Senat hat weitere Zuständigkeiten für die Entwicklung der Historischen Mitte an sich gezogen. Freut Sie das oder sagen Sie: Jetzt hängt mir noch etwas am Bein?

Das freut mich natürlich. Seit dem Abschluss der vorbildlichen Stadtdebatte zur Berliner Mitte am Ende der letzten Wahlperiode ist einige Zeit ins Land gegangen. Solange nicht klar war, wohin die neue Landes- und Zentralbibliothek kommt, war eine Fortsetzung der Debatte nicht sinnvoll. Jetzt können wir konkrete Projekte vorbereiten. Dazu gehören der Park an der Spree gegenüber vom Humboldt-Forum, die Spandauer Straße, der Molkenmarkt, das Nikolaiviertel, die Alte Münze. Wir kommen in Berlins Stadtmitte bald vom Reden zum Tun.

Die Gestaltung des Checkpoint Charlie ist ein anderes großes Thema. Warum soll an diesem Gedenkort eigentlich ein Hardrock-Hotel entstehen?

Es gibt die Vorstellung des privaten Investors Trockland, dass das Thema Musik mit dem Thema Grenzen überwinden sehr viel zu tun hat. Das kann ich nachvollziehen. Schon zu Mauerzeiten hat die Jugend der Welt überall die gleiche Musik gehört. Für den Senat ist der Checkpoint Charlie ein welthistorisch bedeutender Ort, der vor allem deshalb zu einem touristischen Hotspot geworden ist. Der Rummelplatz dort wird dem nicht gerecht und muss aufgeräumt werden. Wir wollen die Originalschauplätze der Trennung und des Kalten Krieges würdig in Erinnerung bringen. Und es sollen dort auch Wohnungen gebaut werden.

Warum verhält sich der Senat so zuvorkommend gegenüber diesem Investor?

Wir haben es am Checkpoint Charlie mit einer Situation zu tun, die dieser Senat nicht verursacht hat. Schon 1993 sind die Grundstücke dort privatisiert worden. Der Investor, mit dem wir jetzt verhandeln, hat sich ein Recht auf den Kauf dieser Flächen erworben. Das Land hat zwar ein Vorkaufsrecht und könnte es wahrnehmen, aber dann müssten wir sehr gut erklären, warum der Senat aus Steuermitteln einen hohen Millionenbetrag aufwendet, um diesen Stadtraum in Eigenregie und auf eigene Kosten zu gestalten, wenn dies unter Berücksichtigung der Berliner Interessen auch mit Hilfe eines privaten Bauherren möglich wäre. Diese Interessen müssen wir sichern.

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