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In der Lausitz leben viele Menschen vom Braunkohleabbau.

© Patrick Pleul/ZB/dpa

Berlins Wirtschafssenatorin Ramona Pop: Woidkes Aussage zum Kohleausstieg ist gefährlich

"Ein schneller Kohleausstieg stärkt die AfD", hatte Brandenburgs Regierungschef Woidke gesagt. Berlins Wirtschafssenatorin widerspricht. Ein Gastkommentar.

Berlin und Brandenburg sind Nachbarn und Partner. Aber gerade unter Partnern muss man einen offenen Umgang miteinander pflegen. Die jüngsten Äußerungen des brandenburgischen Ministerpräsidenten Woidke zum Kohleausstieg können aus meiner Sicht nicht unwidersprochen bleiben. Dietmar Woidke hatte vor Kurzem im Tagesspiegel geäußert, ein hohes Tempo beim Kohleausstieg würde die Rechtspopulisten weiter stärken.
Das ist in der Sache falsch und in der Argumentation unredlich. Und in Zeiten von erstarkendem Rechtspopulismus einfach nur gefährlich.

Es ist falsch, weil die strukturellen Herausforderungen in Regionen wie der Lausitz seit Langem bekannt sind und durch Abwarten schlimmer werden – nicht besser. Seit Jahren ist absehbar, dass der Ausstieg aus der Kohle kommen muss und kommen wird. Kohlenutzung und konsequenter Klimaschutz sind nicht vereinbar. Zudem wird Kohlenutzung ohnehin zunehmend unwirtschaftlich. Dennoch ist die Lausitz auch heute noch fast vollständig wirtschaftlich abhängig vom Braunkohleabbau.

Die Entwicklung der Region in Richtung zukunftsfähiger Wirtschaftszweige ist nicht konsequent verfolgt worden. Die Zukunft wurde auf die lange Bank geschoben. Die Arbeitsplätze in der Lausitz sind nicht durch den bevorstehenden Braunkohleausstieg gefährdet, sondern durch eine zaghafte Politik, die sich nicht traut, die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen.

Notwendige Modernisierungspolitik wird diskreditiert

Es ist unredlich, weil mit dem Verweis auf den erstarkenden Rechtspopulismus der Versuch unternommen wird, die notwendige Modernisierungspolitik zu diskreditieren. Zudem soll davon abgelenkt werden, dass man keine Perspektiven für die Region nach dem Ausstieg aus der Kohlenutzung erarbeitet hat. In der Politik nennt man so etwas eine Nebelkerze. In diesem Kontext muss man wohl von einer Kohlekerze sprechen.

Fatal daran ist, dass diese Art von Argumentation die Erklärungsmuster der rechten Brandstifter bedient. Das vermeintliche Erfolgsrezept der Rechtspopulisten liegt darin, sich erst gar nicht um Antworten auf schwierige Fragen zu bemühen. Stattdessen überdecken sie jeden sachlichen Diskurs mit Emotionalisierung, dem Leugnen von Fakten wie dem Klimawandel und dem falschen Versprechen, man könnte die Zeit zurückdrehen. Dieser Taktik darf ein Ministerpräsident nicht auf den Leim gehen.

Andere Politik möglich

Dabei wäre eine andere Politik möglich. Schon heute arbeiten im Land Brandenburg mehr als doppelt so viele Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien als in der Braunkohlebranche. Orte wie die Brandenburgische Technische Universität in Cottbus zeigen ferner das enorme Potenzial für innovative und nachhaltige Entwicklungen in diesem Sektor.

Leider setzt aber die brandenburgische Landesregierung mit dem Beharren auf die Kohlenutzung weiter auf Althergebrachtes und hemmt Innovationen, die Entwicklungsperspektiven bieten würden. Nichts anderes ist die Ankündigung einer Bundesratsinitiative, um den Ausbau von Windkraftanlagen zu erschweren. „Vorwärts, Genossen, es geht zurück!“, kann man dazu nur konstatieren.

Schluss mit dem "Gedöhns"

Ins gleiche Horn bläst die SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Andrea Nahles mit ihrer Aussage, für eine Blutgrätsche gegen die Braunkohle stehe die SPD nicht zur Verfügung. Das klingt sehr nach Gerhard Schröder, Schluss mit dem „Gedöns“ wie Klimawandel, lasst uns endlich wieder über Braunkohle reden. Offensichtlich fehlen in der Führung der SPD schlichtweg Antworten auf drängende strukturelle Fragen. Die Angst, als Nachahmer grüner Ideen dazustehen, ist inzwischen wohl größer als der dringend notwendige Handlungs- und Gestaltungswille.

Dass gehandelt werden muss, konnte jeder von uns die letzten Monate deutlich erfahren. Staubige Stoppelfelder schon im Juli, Not-Ernten und Not-Schlachtungen, Dürre und Rekordtemperaturen: Dieser Hitzesommer war Klimawandel quasi zum Anfassen. Wie viele Bauern in ganz Deutschland mussten auch Brandenburger Landwirte verheerende Ernteausfälle hinnehmen. Dass der Klimawandel eine Bedrohung für ihre und unser aller Lebensgrundlage ist – das scheint die Brandenburger Landesregierung noch nicht verstanden zu haben.

Am Kohleausstieg führt kein Weg vorbei

Die ökologische und wirtschaftliche Zukunft liegt im Ausbau der Erneuerbaren Energien. Am Kohleausstieg führt kein Weg vorbei. Unser Ziel bleibt der Ausstieg bis 2030, den wir als Land Berlin gemeinsam mit Brandenburg ansteuern wollen. Berlin wird sein Nachbarland Brandenburg mit dieser Herausforderung nicht alleinlassen.

Heute, nicht morgen, müssen wir die Weichen für den endgültigen Ausstieg aus dem klimaschädigenden Braunkohlestrom stellen. Heute, nicht morgen, gilt es, zukunftsfähige Arbeitsplätze und eine wirtschaftliche Renaissance der alten Reviere auf neuer Grundlage zu ermöglichen.

Ramona Pop

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