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Eigentlich sollte die Jugendarbeit ausgebaut werden. Stattdessen werde nun über Umwege die Finanzierung gekürzt, werfen Träger und der Bezirksjugendring dem Bezirksamt vor.

© Getty Images/iStockphoto

„Kürzungen durch die Hintertür“: Bezirksamt Neukölln spart an der Jugend- und Familienarbeit

An der Jugendarbeit solle nicht gespart werden, hieß es – trotz aller angekündigten Kürzungen – zum Jahresende. Nun sollen die Träger mit ihrem Budget aber weitere Kosten stemmen.

Eines schien zum Jahresende sicher: Bei allen Einsparungen, die im laufenden Jahr im Bezirk Neukölln nötig sind, wird zumindest nicht an der ohnehin schon gebeutelten Jugendarbeit gespart. Das hatte das Berliner Abgeordnetenhaus im Dezember beschlossen. Nun beschneidet das Bezirksamt aber massiv die Mittel von Jugendhilfe und Familienförderung, ohne direkt die Gelder zu kürzen.

Kurz vor Silvester erhielten freie Träger, die kommunale Gebäude und Räumlichkeiten nutzen – was die große Mehrheit der Einrichtungen betrifft – einen Brief des Amtes: Darin wurde ihnen angekündigt, dass sie ihre Betriebskosten künftig selbst zahlen müssen. Bislang hatte diese das Bezirksamt getragen. Das Schreiben liegt dem Tagesspiegel vor.

Das Problem: Die Gelder, die die Einrichtungen erhalten, bleiben bei nun (noch) höheren Ausgaben gleich. Auch zuvor war bereits klar: Gleichbleibende Mittel bedeuten real eine Kürzung, weil auch im Jugendbereich viele Kosten im vergangenen Jahr gestiegen sind.

Konkret heißt das, dass Öffnungszeiten gekürzt werden müssen, es weniger Zeit und Angebote von pädagogischen Fachkräften und auch deutlich weniger Honorarkräfte gibt, die differenzierte Angebote machen können für die Kinder und Jugendlichen.

Simone Hermes vom Bezirksjugendring Neukölln

„Sagen wir, ein Jugendclub hat bislang 130.000 Euro pro Jahr erhalten und von dieser Summe ausgehend Leistungsverträge abgeschlossen. Da waren keine Betriebskosten enthalten. Nun erhält derselbe Jugendclub zwar weiter 130.000 Euro – muss davon aber 30.000 Euro Betriebskosten zahlen“, erklärt Simone Hermes vom Bezirksjugendring und spricht von „Kürzungen durch die Hintertür“.

Für die Einrichtungen bedeute das, dass sie weniger Gelder für Honorare, Personal und auch Sachmittel – also etwa Anschaffungen und Ausflüge – zur Verfügung haben. „Diese Summen können wir nicht mehr auffangen“, sagt Hermes. „Konkret heißt das, dass Öffnungszeiten gekürzt werden müssen, es weniger Zeit und Angebote von pädagogischen Fachkräften und auch deutlich weniger Honorarkräfte gibt, die differenzierte Angebote machen können für die Kinder und Jugendlichen.“

Bislang ist unklar, wie hoch die Kosten überhaupt sind

Ein weiteres Problem ist laut Hermes, dass bislang nicht klar ist, wie hoch diese Betriebskosten überhaupt sind. Die im Beispiel genannten 30.000 Euro sind laut Hermes eine realistische Schätzung. Das Bezirksamt habe den Trägern die Summen aber bislang nicht genannt und kenne die offenbar selbst nicht genau. „Niemand rechnet damit, dass wir diese Zahlen bald haben. Das bedeutet, wir können erstmal keine Verträge machen, weil wir gar nicht wissen, wie viel Geld übrig bleibt“, sagt Hermes.

„Die Träger müssen jetzt in Vorleistung gehen oder Leistungsverträge abschließen, in denen dieser Posten offen bleibt.“ Es sei auch völlig unklar, was passiere, wenn im kommenden Jahr Betriebskosten nachgezahlt werden müssen – denn diese werden üblicherweise ja erst im Nachhinein exakt berechnet. Hermes spricht von einem „riesigen Chaos“: „Niemand weiß, wie wir da jetzt am besten vorgehen.“

Die Familienförderung geht total vor die Hunde, da haben wir in der Jugendhilfe es ja fast noch gut.

Simone Hermes vom Bezirksjugendring

Die neue Regelung betrifft demnach neben der Jugendhilfe auch die Familienförderung, an der – wie berichtet – bereits gekürzt wurde. „Die Familienförderung geht total vor die Hunde, da haben wir in der Jugendhilfe es ja fast noch gut“, sagt Hermes. Sie betont: Die Kürzungen „hemmen Entwicklung in der Jugendhilfe, dabei sollte ja eigentlich erreicht werden, dass sich eine bedarfsgerechte Jugendarbeit aufbauen kann. Und jetzt geht es auf einmal wieder um die Basis, um die Häuser und die Stellen. Das macht die Jugendarbeit kaputt.“

Das Bezirksamt äußert sich auf Tagesspiegel-Anfrage bislang nicht konkret zu den Sparmaßnahmen. Sprecher Christian Berg verweist auf die rund 10 Millionen Euro, die der Bezirk in diesem Jahr einsparen muss. „Wie diese hohe Summe aufgebracht werden kann, wird derzeit im Bezirksamt vorbereitet“, sagt Berg. Er kündigt an, dass es vor dem Frühjahr „hierzu keine belastbaren Aussagen geben“ werde, da zunächst der Jahresabschluss aus 2023 feststehen müsse.

Die eingestrichenen Betriebskosten sind demnach Teil der aktuell im Bezirk geltenden Haushaltssperre. „Ausnahmen von der Haushaltssperre – in diesem Fall also die Betriebskostenfreiheit – müssen durch das Bezirksamt im Einzelfall abgestimmt werden. Das Bezirksamt berät auch dazu und hat noch keinen Beschluss gefasst“, so Berg weiter. Welche finanziellen Auswirkungen der Wegfall der Betriebskostenübernahme für die Träger habe, sei bislang nicht klar, so Berg weiter.

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