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Weniger als eine Sekunde. So lange dauert der Scan im CT-Gerät.

©  Kai-Uwe Heinrich

Computertomographie bei Herzerkrankungen: Eine schonende Alternative

Herzuntersuchungen mit Katheter sind belastend für den Patienten, knapp 60 Prozent erweisen sich außerdem als überflüssig. Mediziner setzen deshalb zunehmend auf Computertomographie.

Mittwochmorgen, 8 Uhr. Charitéplatz 1. Ein Team von Radiologen blickt über die Bildschirme. Zwei Radiologinnen sowie zwei Röntgenassistentinnen scannen das Herz von Horst Müller (Name geändert). Der Patient liegt entspannt auf der Untersuchungsliege mit einer Kanüle in der Armvene. Auf seiner Brust kleben drei Elektroden, die mit einem EKG verbunden sind und seine Herzfrequenz messen. Die Sensoren befinden sich unter einem weißen Laken, das ihn vom Hals bis zu den Füßen bedeckt. Am Fußende ragt der Computertomograf (CT) hervor. Er ähnelt einem sehr großen weißen Donut. Auf der Oberfläche blinken verschiedene Knöpfe und Lichter. Im Innern wartet eine Menge hochwertige Technik auf das Startsignal. In wenigen Augenblicken wird der Scan starten.

Alles medizinische Routine in Deutschlands Kliniken. Trotzdem wird hier Neuland beschritten. Denn die Untersuchung ist Teil einer von der EU geförderten Studie „Discharge“, die klären soll, ob das CT eines Tages die Untersuchungen mit einem Herzkatheter, also einem knapp anderthalb Meter langen Schlauch, der durch die Gefäße bis zum Herzen geschoben wird, gleichwertig ersetzen kann.

Bisher ist die Herzkatheter-Untersuchung für die Diagnose einer koronaren Herzerkrankung (KHK) immer noch der Königsweg, auch wenn sie eher unangenehm ist. Diese Prozedur möchte man nur dann über sich ergehen lassen, wenn es notwendig ist. Dies aber ist öfter nicht der Fall, weil die Untersuchung das Ergebnis bringt, dass alles in Ordnung ist – die Untersuchung also überflüssig war. Von knapp 900 000 Herzkatheter-Untersuchungen jährlich in Deutschland ist bei mehr als 60 Prozent keine weitere Behandlung nötig.

Das CT scannt den Körper wie ein Satellit

Und für die bloße Diagnostik – so die Annahme – müsste es doch schonendere Untersuchungsmethoden geben. Seit Jahren suchen Experten deshalb nach einer nicht-invasiven Alternative. Besonders große Erwartungen knüpfen sich an die Computertomografie. Die Abteilung für Radiologie an der Charité verfügt über ein hochauflösendes 320-Zeilen-CT, das in sehr kurzer Zeit über 300 Abschnitte des Brustkorbs scannen kann. In dem runden Gehäuse befinden sich der Röntgenstrahler und ihm gegenüber der Röntgenempfänger. Sie drehen sich mit hoher Geschwindigkeit 360 Grad um den Patienten und decken pro Rotation einen Scan- Bereich von 16 Zentimetern ab. Wie ein Satellit die Erdoberfläche kartiert, so scannt das CT den Körper Streifen für Streifen. Das gesunde Herz eines Erwachsenen nimmt nicht viel Fläche ein. Es ist etwa zwölf Zentimeter lang und acht bis neun Zentimeter breit. Um Müllers Herz zu scannen, braucht das CT-Gerät also nur eine einzige Umdrehung, die 0,35 Sekunden dauert. Damit ist nicht nur die Untersuchung schnell vollbracht, sondern auch die Strahlungsbelastung sehr gering.

„Bleiben Sie bitte ganz ruhig liegen“, klingt es durch das Mikrofon im Untersuchungsraum. Da das Herz ständig in Bewegung ist, bleibt es eine Herausforderung, ein brauchbares Bild aufzunehmen. „Wichtig ist, dass das Herz möglichst langsam und regelmäßig schlägt“, sagt Marc Dewey. Er ist stellvertretender Direktor des Instituts für Radiologie an der Charité und Studienkoordinator der „Discharge Studie“. Um das Herz zu beruhigen, hat Müller vorab Betablocker, ein Medikament zur Blutdrucksenkung und Verlangsamung der Herzfrequenz, bekommen.

Zum Schluss erhält Müller noch zwei Spritzer Nitrospray unter die Zunge, das die Herzkranzgefäße weitet. Dann geht’s los. Mit einem Druck auf dem Knopf wird Horst Müller in die Untersuchungsröhre geschoben. Er hat die Arme über seinen Kopf gelegt, damit das Team den Untersuchungsbereich am Brustkorb genau eingrenzen kann. Danach wird das Kontrastmittel über die Armvene gespritzt. Das ist nötig, damit die Röntgenstrahlen die Gefäße überhaupt sichtbar machen können. Wie erfahrene Scharfschützen warten die Radiologinnen nun auf den perfekten Moment. Patient Müller folgt den automatisierten Atemkommandos und hält dann den Atem kurz an. In diesem Moment scannt das Team sein Herz. Nach insgesamt 20 Minuten darf Müller aufstehen und gehen.

Das minimalinvasive Verfahren ist nicht ohne Risiko

„In der Regel untersuchen wir mit dem CT jüngere Patienten mit untypischen Brustschmerzen, um eine koronare Herzkrankheit auszuschließen“, sagt Dewey. Bei älteren Patienten mit Brustschmerzen ist die Chance eher groß, dass eine koronare Herzkrankheit vorliegt, und dann müsste man ohnehin mit dem Katheter behandeln. Der 75-jährige Horst Müller wurde aber im Rahmen der Studienteilnahme zur Herz-CT randomisiert. Sollte die Untersuchung bei ihm einen Verdacht auf eine Verengung der Gefäße ergeben, würde er doch mithilfe des Herzkatheters untersucht. Denn nur damit ist eine Behebung einer Engstelle (Stenose) möglich.

Viele Patienten haben Angst vor dem minimal-invasiven Verfahren, denn der Eingriff, der oft über einen Einstich in der Leiste erfolgt, ist nicht ohne Risiken und Nebenwirkungen. Auch wenn diese selten sind. Neben den Nervenirritationen oder Herzrhythmusstörungen kann es zu lebensbedrohlichen Blutungen oder sogar einen Herzinfarkt kommen. Deshalb spricht vieles für das Herz-CT: Verletzungen sind nahezu ausgeschlossen, nur manchmal treten unerwünschte Nebenwirkungen wie Schwindel oder Übelkeit auf, wenn der Patient empfindlich auf die Gabe der Betablocker oder des Kontrastmittels reagiert. Und ein CT ist auch günstiger: Rund 400 Euro kostet die Untersuchung, während die Herzkatheter-Untersuchung in der Regel rund 600 Euro beträgt. Allerdings gilt bisher, dass die Krankenkassen die Kosten für den Katheter übernehmen, für das Herz-CT jedoch nicht. Wenn die Ergebnisse der Studie vorliegen – voraussichtlich 2019 – könnte sich das ändern.

Für die Studie werden noch Teilnehmer gesucht. Informationen dazu finden Sie auf www.dischargetrial.eu/de/, unter Tel. 450 62 72 64 (Mo-Fr 8-16 Uhr) oder per Mail an discharge.eu@charite.de. Diesen und weitere interessante Artikel rund ums Herz finden Sie im aktuellen Gesundheitsratgeber „Tagesspiegel Herz & Kreislauf 2018/ 2019“. Das Heft enthält auch Vergleichstabellen aller Berliner Kliniken mit kardiologischer Abteilung, sortiert nach Erkrankungen, Ärzteempfehlungen und Patientenbefragungen. Es kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel-Shop, www.tagesspiegel.de/Shop, Tel. 29021-520 und im Zeitschriftenhandel.

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