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Ort der Begegnung: Im Nachbarschaftshaus am Helmholtzplatz finden viele Aktionen statt.

© Sven Darmer

Aktionstage "Gemeinsame Sache": Ein Helmholtzplatz für alle

Der Helmholtzplatz gilt als Symbol für den Kampf um Gentrifizierung. Ein Verein kümmert sich um die Pflege des Platzes - und die der Nachbarschaft.

Eigentlich sieht es ganz idyllisch aus am Helmholtzplatz. Ein warmer Augustabend, in den Bars und Restaurants um den Platz trinken viele Menschen kühle Getränke, essen vietnamesisch oder italienisch. Auf dem Spielplatz tollen Kinder herum, nur einige Meter weiter sitzen die Trinker und halten sich friedlich an ihrem Sterni fest.

Dabei ist der Platz zu einem Symbol für den Kampf um Gentrifizierung und Verdrängung geworden. Denn nicht nur die Alkis und Junkies, die früher für Probleme sorgten, sind fast verschwunden. Mit dem Verkauf der umliegenden Häuser an private Investoren und dem Zuzug wohlhabender Menschen – dem Prenzlauer-Berg-Klischee nach vor allem aus Schwaben – können sich viele von denen, deren Heimat der Kiez seit den 90ern war, die Miete für ihre Wohnung nicht mehr oder kaum noch leisten.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Lärm. Die neuen Nachbarn riefen zum Teil bei der Polizei an, weil ihnen das Pingpong-Spiel der Jugendlichen zu laut sei, erzählt Andrea Kannapee, die aktives Mitglied im Förderverein Helmholtzplatz ist. Gemeinsam mit Dorothea Carl, ebenfalls Vereinsmitglied, sitzt sie an einem kleinen Tisch vor dem Haus und bietet Wasser mit Minze an, die die Mitglieder in Beeten rund um das Platzhaus angepflanzt haben. Der Verein kümmert sich um die Pflege des Platzes, vor allem aber um den Betrieb des Platzhauses, ein kleines einstöckiges Gebäude, das am Rande des Helmholtzplatzes steht, bunt bemalt mit Graffiti – einige von beauftragten Künstlern, andere einfach darübergesprühte Tags.

"Fast die komplette Nachbarschaft ausgetauscht"

Das größte Problem für den Platz sei die Gentrifizierung, sagt Carl, „in den letzten 20 Jahren wurde fast die komplette Nachbarschaft ausgetauscht“. Und einige der neuen Nachbarn störe eben fast alles: die Tischtennisplatte, die Hunde, die Trinker. Außerdem sorgten sie nicht nur für höhere Mieten in den Wohnungen, sondern auch für die Verdrängung von Gewerbetreibenden und für höhere Preise.

Deshalb soll das Platzhaus ein Ort sein, an dem man auch mit wenig Geld am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Aber auch ein Ort, an dem neue und alte Nachbarn zusammenkommen, sich kennenlernen und vielleicht Gemeinsamkeiten entdecken können. Denn, das ist Kannapee und Carl wichtig, man habe gegen niemanden was, wolle keinen ausschließen. Im Gegenteil: Die Frauen wünschen sich ein gutes Verhältnis, Austausch und Kommunikation zwischen allen Anwohnern.

Der Verein organisiert im Platzhaus Veranstaltungen verschiedenster Art, von Töpferkursen bis Shanti-Chor, mitmachen darf jeder. Es gibt Abende mit Musik und Getränken auf Spendenbasis und man kann das Haus für private Veranstaltungen mieten. „Das nehmen auch die neuen Nachbar_innen gern in Anspruch“, sagt Kannapee, die den Gendergap als kaum hörbare Lücke mitspricht. „Das ist gut, diese Anlässe bringen verschiedene Anwohner_innen und Gruppen zusammen.“

Den "sozialen Muskel" trainieren

Einmal im Monat findet die Vereinssitzung im Format des „Social Muscle Club“ statt. Eine solche Veranstaltung bietet der Verein auch am „Gemeinsame Sache“-Aktionstag am 7. September an. Beim Social Muscle Club solle der „soziale Muskel“ trainiert werden, sagt Kannapee, die auch die Spielleitung übernimmt. Dazu bekämen alle Teilnehmer zwei Zettel. Auf den einen solle man schreiben, was man zu geben habe, auf den anderen, was man nehmen möchte. Dabei solle aber keine Handelsökonomie entstehen im Sinne von Tauschgeschäften.

„Es ist ganz unterschiedlich, was die Leute gerade brauchen oder anzubieten haben. Das kann Aufmerksamkeit sein oder etwas, das man den anderen beibringen kann“, sagt sie. So sei zum Beispiel schon mal eine gemeinsame Kräuterwanderung zustande gekommen oder gemeinsames Pelmeni-Machen im Platzhaus. Es gehe auch darum, einfach Zeit zusammen zu verbringen.

Einblick in das Café des Nachbarschaftshauses.

© Sven Darmer

Zeit zusammen verbringen kann man auch bei der Gartenpflege. Die Mitglieder kümmern sich gemeinsam um die Beete, die rund um das Platzhaus angelegt sind. Darin wachsen neben der Minze auch Tomaten, Mangold, Kürbisse und Schmetterlingsbäume. Der Garten ist aber nicht dazu da, die Vereinsmitglieder oder sonstige Platzbesucher zu ernähren. Vielmehr soll er Insekten einen Lebensraum und Nahrung bieten. Viel Arbeit mache das Gießen in diesem Jahr schon, erzählt Kannapee. Bei der großen Hitze kämen oft Kinder vorbei, um zu helfen und sich selbst auch ein bisschen Erfrischung abzuholen.

Ärger um die Öffnungszeiten

Seit Kurzem bekommt der Verein auch Hilfe von der Berliner Stadtreinigung: Seit dem 1. Juni kümmert sich die BSR um viele Grünflächen in Berlin, darunter auch um den Helmholtzplatz. Zwar gießen die Mitarbeiter nicht die Pflanzen, aber sie räumen täglich den Müll weg, der sich ansammelt.

Etwas mehr Hilfe wünschen sich Kannapee und Carl allerdings vom Bezirk. Der Verein erhält keinerlei Förderung und finanziert sich komplett durch Spenden und die privaten Feiern im Platzhaus. Alle, die an den Aktionen oder der Bepflanzung des urbanen Gartens beteiligt sind, tun das ehrenamtlich.

Bereits 2015 wollte der Bezirk den Mietvertrag für das Platzhaus kündigen, nach einigem Protest kam es zu einer stillschweigenden Verlängerung. Gerade wird über einen neuen Mietvertrag verhandelt, es gibt aber noch Uneinigkeit über die Öffnungszeiten. Der Bezirk will, dass um 22 Uhr Schicht im Schacht ist – das halten die Mitglieder für schwer umsetzbar. Immerhin seien sie kein Kinderverein, viele Veranstaltungen fänden erst am Abend statt. Und an die Nachtruhe ab 22 Uhr halte man sich ohnehin schon.

Dass der Bezirk den Förderverein loswerden will, glauben Kannapee und Carl nicht. Ein solcher nichtkommerzieller Ort sei ja ein schönes Aushängeschild, gerade für einen grünen Bezirksstadtrat. „Leider will der Bezirk im neuen Nutzungsvertrag die Öffnungszeiten so stark einschränken, dass wir unsere Arbeit in der bisherigen Form nicht fortsetzen können“, sagt Carl. Für die Zukunft wünscht sich der Verein gute Zusammenarbeit und Kommunikation – mit dem Bezirk und den „neuen“ Nachbarn.

Am 7. September findet am Aktionstag „Gemeinsame Sache“ der Social Muscle Club im Platzhaus am Helmholtzplatz statt. Interessent_innen sind herzlich willkommen. Die Veranstaltung beginnt um 19 Uhr und dauert maximal drei Stunden. Um pünktliches Erscheinen wird gebeten.

Machen Sie mit: Wollen Sie – allein, mit Nachbarn, Freunden oder Ihrer Initiative – mitmachen beim Aktionstag von Tagesspiegel und Paritätischem Wohlfahrtsverband? Alle Aktionen finden Sie hier: www.gemeinsamesache.berlin. Dort können Sie auch Ihre eigene Aktion anmelden. Bei Fragen: gemeinsamesache@tagesspiegel.de

Sie alle machen mit:

Jeden Tag stellen wir Ihnen hier Projekte vor, die sich noch Helfer wünschen.

Marheinekeplatz wird wieder schön

Wir Anwohner wollen am Freitag, dem 7. 9., von 16.30 bis 20 Uhr erneut ein Zeichen gegen die Verwahrlosung unseres Platzes setzen; mit Kindern, Eltern am Spielplatz, mit Biertrinkern, mit Besuchern ins Gespräch kommen und Interessenten spontan einladen, mitzumachen. Danach machen wir ein gemeinsames Picknick auf der gesäuberten Wiese. Wir freuen uns auf alle, die anpacken!

Ort: Marheinekeplatz, 10961 Kreuzberg. Kontakt: 69041879. E-Mail: yvetteegies@gmail.com.

Seerosen der Erinnerung basteln

Am Weltgedenktag für verstorbene Kinder findet auf dem Gelände der Björn-Schulz-Stiftung in Pankow eine Gedenkveranstaltung statt. Zur Zeremonie gehören Kerzen, die auf Seerosen im Erinnerungsteich zu Wasser gelassen werden. Die Björn-Schulz-Stiftung sucht Unterstützer_innen, die am Freitag, dem 7. 9., von 16 bis 20 Uhr bei der Herstellung der Seerosen aus wasserfestem Papier helfen. Das Material wird gestellt, fachkundige Anleitung erfolgt. Für Verpflegung wird gesorgt. Zusätzlich bieten wir eine Hausführung durch das Kinderhospiz Sonnenhof an.

Ort: Wilhelm-Wolff-Straße 38, 13156 Pankow. Kontakt: 39899835. E-Mail: f.ewers@bjoern-schulz-stiftung.de. www.bjoern-schulz-stiftung.de

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