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Bei der FuckUp-Night beim Creative Bureaucracy Festival versucht Engelbert Lütke Daldrup zu erklären, warum es beim BER so lange dauert.

© Thilo Rückeis

Erfahrung aus BER und Lageso: Scheitern als Chance für Behörden

Bei der FuckUp-Night beschäftigen sich Ex-Lageso-Leiter Muschter und BER-Chef Lütke Daldrup mit ihren Fehlern - und was man daraus lernen kann.

FuckUp-Night bei einem internationalen Expertenaustausch, einem Treffen, bei dem sich alles um die Zukunft der Verwaltung dreht, um die Herausforderungen der Zukunft? Ja durchaus. Am Ende des ersten Tages beim „Creative Bureaucracy Festival“ des Tagesspiegel in der Humboldt Universität Berlin soll es ums Scheitern gehen. Denn keine Verwaltung, keine Behörde ohne Scheitern. Die Frage ist nur, was ist daraus zu lernen, aus dem Scheitern. 

Geburtsfehler vermeiden und sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen, sagt Ulrich Tilly. Er war einst im Bundesgesundheitsministerium unter Rot-Grün zuständig für die elektronische Gesundheitskarte. Die sollte eingeführt werden nach dem 2001er-Skandal um das Cholesterin senkende Medikament Lipobay, es gab mehrere Todesfälle wegen Wechselwirkungen mit anderen Arzneien. Die neue Karte sollte helfen, sollte alle Daten für jeden Patienten bündeln, auch für den Notfall, absolute Sicherheit, vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) zum Leuchtturmprojekt ausgerufen. Das größte IT-Projekt weltweit, „ein niedliches Monster“, wie Tilly sagt. Und ausgerechnet das wurde der Selbstverwaltung um Gesundheitswesen übertragen. Ein Grundfehler, findet Tilly. Sein passender Vergleich: Hätte der Bund den Aus- und Aufbau von Straße und Schiene nach der Wiedervereinigung den Verbänden - Bau, Bahn, Auto, Umwelt - überlassen, wir führen immer noch auf Bummelautobahnen. 

Oder Sebastian Muschter. Er leitete 2016 das Berliner Büro der Beratungsgesellschaft McKinsey - dann ereilte ihn der Ruf des Senats. Immer mehr Flüchtlinge kamen nach Berlin, die Behörden waren, und das ist untertrieben, überfordert. Muschter sollte übernehmen, als Leiter des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso).  Über die Mitarbeiter dort, der Krankenstand lag zeitweise bei 60 Prozent, sagt Muschter: „Die hatten keine Chance.“ Es habe völliges Chaos geherrscht - und das in Deutschland mit seiner Verwaltung mit weltweitem Ruf. 

Berlins berühmtestes Symbol des Scheiterns ist der BER

Und dann sah alle Welt beim Scheitern zu. Muschters persönliches Scheitern war fehlender Mut, eine Idee umzusetzen, sich stattdessen von Mahnern falsch beraten lassen zu haben. Und Berlins Scheitern? Dass nach der Wiedervereinigung gespart werden musste, lässt sich wohl nicht bestreiten. Muschter findet: Es wurde falsch gespart und ohne Plan. In den Behörden gab es veraltete Regeln, abstruse Aktensysteme, stundenlanges Suchen nach Unterlagen - und Mitarbeiter, die morgens in einer Schlange mit den Flüchtlingen stehen, weil es für sie keinen Nebeneingang gibt. Muschters Wunsch: Erlaubt der Verwaltung, dieselben Instrumente wie die Wirtschaft zu nutzen. Das gilt auch für die Beschäftigen: Warum mit anderen zusammenarbeiten, die man gar nicht mag und immer noch siezt. 

Berlins berühmtestes Symbol für einen scheiternden Staat bleibt aber der Hauptstadtflughafen BER in Schönefeld.  Gerade erst jährte sich der Spatenstich zum zwölften Mal. BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup findet: Für das Scheitern gibt es vielerlei Gründe, die Technik, die Vorschriften, eine Bürokratie, die gutes Arbeiten verhindert. Und Bauherren - also die öffentliche Hand - die glauben, es besser zu können, die nachträglich alles ändern und Extra-Wünsche haben. Und dann das sektorale Optionen, wie es Lütke Daldrup nennt: Jeder für sich selbst und ohne Blick fürs große Ganze.

Manfred Rettig, vormals Chef der Stiftung Berliner Schloss, davor lange Jahre bei der Bundesbaugesellschaft, sieht das Grundproblem für das Scheitern am BER woanders: beim Einfluss der Politik, bei Aufsichtsräten ohne Sachverstand.

Ach ja, wo anders wird Berlins Scheitern mit mehr Humor aufgespießt, als im morgendlichen Tagesspiegel-Newsletter „Checkpoint“. Das musste am Abend gefeiert werden. RBB-Urgestein Ulli Zelle sang, Harald Martenstein erklärte seine Kreuzberg-Liebe und Kreuzberg-Bürgermeisterin  Monika Herrmann (Grüne) wies das aktuelle Berlin-Bashing (Venezuela Deutschlands) über die angeblich miese Verwaltung zurück: „Das sind Weicheier. In Berlin muss man schon ein bisschen härter drauf sein.“ 

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