Fassadenkunst in Berlin-Tegel : Anwohner entsetzt über "blutiges" Wandgemälde
Ein Mädchen im Nachthemd schaut auf eine öde Landschaft, die Sonne ist ein kleiner roter Fleck über kahlen Bäumen. An einem der Stämme ist ein nackter Körper zu erkennen, gefesselt und von Pfeilen durchbohrt. Blut tropft auch an dem Mädchen herunter. Hat es eine Wunde am Kopf? Ist das eine Blutlache auf den roten Fliesen? Dieses verstörende Bild stammt nicht aus einem Horrorfilm. Seit ein paar Tagen schmückt es als riesiges Wandgemälde ein Hochhaus in der Neheimer Straße in Tegel-Süd.
Die Anwohner sind entsetzt. „Es ist sehr, sehr erschreckend“, sagt eine Mutter, deren fünfjähriger Sohn in die Kita im Nachbarhaus geht. „Am schlimmsten ist der aufgespießte Mensch.“ Sie ist Elternvertreterin der Kita, die zu den Eigenbetrieben Nordwest gehört. „Es gibt so viel Leid auf der Welt, das muss man uns nicht auch noch so groß präsentieren“, ergänzt sie. Den anderen Eltern geht es ähnlich. Am liebsten wäre vielen, ihre Kinder würden das Bild gar nicht sehen.
Auch andere Anwohner sind entsetzt. Viele haben sich an die Kiez-Initiative „I love Tegel“ gewandt. Deren Sprecher Felix Schönebeck sagt: „Als wir es uns angeschaut haben, konnten wir den Ärger der Anwohner sehr gut verstehen. Die Wirkung ist enorm.“ Er weist darauf hin, dass sich im benachbarten Hochhaus in der Vergangenheit mehrere Menschen zu Tode stürzten. Und in der Nähe ist eine Flüchtlingsunterkunft geplant. „Da wohnen dann Menschen, die aus dem Krieg geflohen sind und Schreckliches erlebt haben. Ich finde das Bild auch deshalb unpassend“, sagt der 26-jährige Jura-Student.
Das umstrittene Bild hat der Spanier Borondo gemalt
Das 42 Meter hohe Gemälde ist im Auftrag der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag entstanden. Insgesamt fünf große „Murals“ haben Künstler des Streetart-Netzwerks „Urban Nation“ dort in den vergangenen Wochen und Monaten gemalt, zwei weitere sollen für das Projekt „Art Park Tegel“ folgen.
Das umstrittene Bild hat der Spanier Borondo gemalt, ein international renommierter Künstler, teilt ein Gewobag-Sprecher mit. Es sei offensichtlich, dass sich der Künstler des Flüchtlingsthemas angenommen habe. In dem Bild gebe es auch Hoffnung: „Denn das Kind sieht einen Menschen, der – obwohl von Pfeilen getroffen – aufrecht steht und stark ist.“ Bei der Motivauswahl würden die Künstler nicht eingeschränkt, bestimmte Grundsätze seien aber zu wahren: unter anderem kein Rassismus, kein Sexismus, keine Gewaltverherrlichung.
"Stell dir vor, wir alle können in Würde leben und altern!" Gervinusstraße in Charlottenburg.
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Foto: Karla EglauDas Künstler-Duo Herakut gestaltete diese Wand.
Foto: Karla EglauNeheimer Straße in Tegel
Foto: Karla EglauEbenfalls Neheimer Straße
Foto: Karla EglauNeheimer Straße
Foto: Karla EglauEine ganze Reihe aus Murals sind an der Neheimer Straße entstanden.
Foto: Karla EglauFassadenbilder auf Fassaden. "Ich finde es großartig, wie mit optischen Täuschungen ein langweiliges Haus aufgepeppt wurde", schreibt uns Karla Eglau zu diesem Haus am U-Bahnhof Eberswalder Straße. "Die Konnopke-Kunden wird´s auch freuen!"
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Foto: Karla EglauEine verblichene Ballonfahrt an der Goethe- Ecke Sesenheimer Straße in Charlottenburg.
Foto: Carlos H. SieversDDR-Kunst: Das Relief einer Kaffeetasse am Haus der Statistik in Mitte. Liebe Leserinnen, liebe Leser: Senden Sie Ihre Fotos von Berliner Wandbildern an leserbilder@tagesspiegel.de!
Foto: Carlos H. SieversElefanten an der Wasserstelle. Die Wohnungsbaugesellschaft Howoge hat mit diesem exotischen Motiv eine Brandwand an der Einbecker Straße in Friedrichsfelde verschönert.
Foto: Karla EglauHauseingang an der Massower Straße, Friedrichsfelde.
Foto: Karla EglauFarm der Tiere an der Massower Straße, Friedrichsfelde.
Foto: Karla EglauMosaik "Frieden" von Walter Womacka an der Marzahner Promenade 45, Marzahn. Das Werk des DDR-Staatskünstlers stammt aus dem Jahr 1988. - Foto: Gunnar Klack (CC: BY-SA 2.0)
Gunnar KlackMural des spanischen Künstlers Deih in der Schwedter Straße, Prenzlauer Berg.
Foto: Johan van ElkDas Künstlerduo Various & Gould gestaltete diese Brandwand in einem Hof der Oderberger Straße, Prenzlauer Berg. Liebe Leserinnen, liebe Leser: Senden sie Ihre Fotos von Berliner Wandbildern an leserbilder@tagesspiegel.de!
Foto: Karla Eglau
"My Head is a Jungle". Mural von Millo in der Luckauer Straße 12, Kreuzberg
Foto: Elisabeth BeckelSehen Sie die Frau im Hintergrund?
Foto: Katrin LedererDas Wandbild aus der Nähe betrachtet. Die Frau mit dem Fernsehturm in der Hand befindet sich an der Lewishamstraße Ecke Mommsenstraße in Charlottenburg.
Foto: Katrin LedererEin tierisch-menschlicher Streit am Haus Schwarzenberg an der Rosenthaler Straße, Mitte.
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Foto: Katrin LedererDie Illusion räumlicher Tiefe: Fassade des Künstlers Gert Neuhaus in der Wintersteinstraße 20, Charlottenburg. "Phoenix" taufte Neuhaus sein Werk aus dem Jahr 1989. - Foto: Chris Alban Hansen (CC: BY-SA 2.0)
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Blick von der anderen Spreeseite. Mal eine andere Perspektive auf das Bild in der Charlottenburger Wintersteinstraße.
Foto: Ulrich Scheiwe"Wenn ich du wäre, wäre ich gerne ich!" Weisheiten wie diese sind an der Fassade des Paulsen-Gymnasiums in Steglitz zu lesen.
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Foto: Ulrich ScheiweBäume an der Straße, Urwald auf dem Wandbild. Forststraße 43 in Steglitz.
Foto: Ulli ScheiweSitzt dort ein Bruchpilot im Baum? Forststraße 43, Steglitz.
Foto: Ulli ScheiweEin Bild der US-Künstlerin Elle an der Wiener Straße 42 in Kreuzberg.
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Foto: Fabrizio Bensch/ReutersVater und Tochter bei der Arbeit Ein Werk von Case Maclaim aka Andreas von Chrzanowski an der Schinkestraße 24 in Neukölln. Beim Mural-Art-Fest sind im Mai 2018 etwa 30 neue Wandbilder in Berlin entstanden. In unserer großen Wandbilder-Sammlung zeigen wir auch viele der neuen Motive.
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Foto: Fabrizio Bensch/ReutersDen Hof des Tagesspiegel-Redaktionsgebäudes am Anhalter Bahnhof haben die Künstler um Telmo Miel und James Bullough gestaltet.
Foto: Henning OnkenStromstraße 36 in Moabit. Hier gestalteten Onur, Wes21 und das Berliner Künstlerduo Herakut eine Brandwand.
Foto: Fabrizio Bensch/ReutersEin weiteres Werk von Herakut an der Luckauer Straße 14 in Kreuzberg.
Foto: Fabrizio Bensch/ReutersBunte Pfeile der Klebebande an der Holzmarktstraße 25 in Mitte. Liebe Leserinnen, liebe Leser: Senden Sie Ihre Fotos von Wandbildern in Berlin an leserbilder@tagesspiegel.de!
Foto: Paul Zinken/dpaDürfen Hausbesitzer eigentlich ihre Fassaden gestalten, wie sie wollen? „Bauliche Anlagen müssen (...) so gestaltet sein, dass sie nicht verunstaltet wirken“, steht in der Bauordnung (§9). Zu beachten ist zudem das Recht auf Kunstfreiheit. Allerdings ist diese nicht schrankenlos gewährleistet. Andere Verfassungswerte, etwa die Menschenwürde können sie einschränken. Eine Rolle bei der Abwägung kann auch spielen, wenn Betrachtern als anstößig empfundene Kunstwerke im öffentlichen Raum aufgedrängt werden. Ebenso wäre eine Plakataktion rechtswidrig, wenn sie gegen das Strafgesetz oder den Jugendschutz verstößt.
„Mama, warum blutet das Mädchen?“
Die Anwohner ärgert indes besonders, dass die Gewobag sie bei der Gestaltung in keiner Weise beteiligt habe, sagt Schönebeck. „Jetzt ist die Gewobag am Zug. Sie sollte gemeinsam mit den Mietern, Kindern und Eltern eine Alternative finden.“ Bisher gibt es in dieser Richtung aber noch keine Signale von der Gewobag. Wenn alle Kunstwerke fertiggestellt wären, würden sie in einer öffentlichen Veranstaltung vorgestellt, „zu der natürlich auch die Bewohnerinnen und Bewohner eingeladen sind“, so der Sprecher.
Und so wird es wohl noch öfter zu Szenen wie der folgenden kommen. „Mama, warum blutet das Mädchen?“, habe ein Kind gefragt, erzählt die Elternvertreterin. Und die Mutter habe geantwortet: „Das ist Erdbeermarmelade.“
Mitarbeit: Jost Müller-Neuhof
Wolfgang Nieblich veredelt mit einer Kunstaktion die Berliner Baustellentristesse.
Foto: Philipp SickmannDie Betonklötze der blauen Rohrleitungen in Mitte hat Nieblich mit Aphorismen bekannter Persönlichkeiten versehen.
Foto: Philipp SickmannNeben den Worten Einsteins findet man auch Zitate von Gustave Flaubert oder Gottfried Benn.
Foto: Philipp SickmannJeden der auserwählten Klötze zieren drei bis vier berühmte Sprüche ...
Foto: Philipp Sickmann... sowie ein Verweis auf die Online-Präsenz von Nieblichs Galerie, PalmArtPress.
Foto: Philipp SickmannDie Auswahl mancher Statements lässt sich als Kommentar zum regen Baubetrieb in Mitte verstehen.
Foto: Philipp SickmannDie Aktion entstand aus Nieblichs Ärger über die Klötze, die vor seinem Atelier in der Pfalzburgerstraße aufgestellt wurden.
Foto: Philipp SickmannWolfgang Nieblich versieht Betonsockel mit anregenden Gedanken - auch aus dem Tagesspiegel..
Foto: Philipp SickmannDiese Fotos entstanden Unter den Linden, auf dem Stück zwischen der Baustelle "Staatsoper" und der Spree.
Foto: Philipp SickmannAm Werderschen Markt finden sich ebenfalls Konstruktionen mit Zitaten.
Foto: Philipp SickmannAuch ein gutes Motto für Berliner Neubauten.
Foto: Philipp SickmannVon Hauser finden sich gleich mehrere Zitate auf Beton.
Foto: Philipp SickmannEin Zitat von Walter Benjamin, bedeckt mit einem Zeugnis der ungemütlichen Witterungsverhältnisse in der Hauptstadt.
Foto: Philipp SickmannEin berühmtes Zitat des Malers Max Ernst.
Foto: Philipp Sickmann"Geh leise, denn du gehst auf meinen Träumen." (Yeats) Obacht beim Wandern, liebe Leserinnen und Leser.
Foto: Philipp SickmannEin Berlin-Zitat von Jürgen Habermas.
Foto: Philipp SickmannDie Gedanken berühmter Dichter und Denker finden sich Seite an Seite in Nieblichs Zitatenwänden.
Foto: Philipp SickmannWenn der Platz nicht ausreicht für große Gedanken, fällt die Botschaft schon mal nüchtern aus. Ein Verweis auf moderne Zeiten?
Foto: Philipp Sickmann