zum Hauptinhalt
Los geht's. André Wolff und seine sechs Hounds vorm Schlitten.

© Veronika Frenzel

Schlittenhunde in Brandenburg: Lospreschen mit 6 Hounds und 25 km/h

André Wolff wollte immer schon Hundeschlitten fahren. Huskys hat er dafür nicht gebraucht. Nur paarweise lauffreudige, nicht zu dicke Tiere, die sich merken können, was „rechts“ und was „links“ bedeutet.

Sechs schmale Hunde warten, eingespannt in Zweiergruppen vor einem schwarzen Carbonschlitten, ruhig, aber zum Lospreschen bereit, die Muskeln angespannt. Hinten auf dem Schlitten steht André Wolff, der Musher, der Hundeführer. Und als er „o. k.“ ruft in die Stille des Waldes, rennen die Tiere los, alle im selben Moment, im nächsten wird der Schlitten erfasst, es gibt einen kleinen Ruck, dann hat sie angefangen, die Hundeschlittenfahrt.

Wolff und die Tiere preschen durch das waldige Land von Beetzsee bei Brandenburg (Havel) , „rechts“ ruft Wolff, wenn es nach rechts gehen soll, vorbei an Äckern, noch mal „rechts“, und die Hunde biegen wieder ab, es geht auf eine Rundstrecke. Die Kufen gleiten fast lautlos, nur das Schnaufen der Hunde ist zu hören, und der Fahrtwind von durchschnittlich 25 Stundenkilometern. Die Hunde bestimmen die Geschwindigkeit, der Mensch vertraut sich ihnen an. Es gibt kein Lenkrad, es gibt Kommandos, die Tiere lernen als Welpen schon, auf „rechts“ und „links“ zu hören. Nur eins kann der Mensch machen: den Schlitten abrupt anhalten, indem er eine Eisenkralle in den Schnee drückt.

Als der Schlitten nach einer Viertelstunde wieder am Ausgangspunkt ankommt, lächelt Musher Wolff glücklich. Er steigt ab und die Hunde springen ihm aufgeregt entgegen. Jeden nimmt er einzeln in den Arm. Wolff, 33, sagt, er müsse sich oft daran erinnern, dass die Schlittenhunde nur sein Hobby seien. „Ich bin mit dem Hundesport-Virus infiziert“, sagt er.

Und das seit seinen Kindertagen im Thüringer Wald. Wolffs Großvater bildete Schutz- und Begleithunde aus, da konnte er schon viel lernen, seinen ersten eigenen Hund bekam er, als er 17 wurde. Den spannte er sich sogleich zum Skilanglauf vor den Bauch und gemeinsam rasten sie über den Rennsteig. Wenig später lieh sich Wolff die Huskys seiner Nachbarn aus, baute Schlitten und Wagen und brauste mit zwei, manchmal sogar vier Tieren durch die Berge.

Stürmisch begrüßt. Musher Wolff mit einem seiner Hounds.

© Veronika Frenzel

Der Arbeit wegen zog er später nach Beetzsee, wo er die Voraussetzungen für mehr eigene Hunde schuf. 2010 kaufte er zwei jagdhundtypische Schlittenhunde, beides Mischungen aus Greyhound, Pointer und deutschem Kurzhaar, nicht schön, aber schnell und geeignet fürs Zweiergespann und Sprintdistanzen bis zu zehn Kilometer.

Im Schlittenhundesport unterteilt man die Musher in zwei Typen. „Jack London“ lässt sich nur von reinrassigen Huskys ziehen, am besten nur von schönen Tieren mit blauen Augen und weißem Fell. Die „Schlappohren“ dagegen arbeiten mit jedem Hund. Grundsätzlich eignet sich jeder große und ausgewachsene Hund als Zugtier, ob Rasse oder Mischling. Die Tiere sollen lauffreudig sein, gesund und nicht zu dick. Immer schon wurden Leonberger, Neufundländer, Landseer, Doggen, Bernhardiner, Rottweiler, Boxer vor Schlitten oder Wagen gespannt. Die sechs Tiere vor Wolffs Wagen nennt man Hounds, eine von der Welthundeorganisation FCI anerkannte Rasse ist das nicht.

Nach zwei Jahren Training können Hunde bei einem Rennen starten. Idealerweise haben sie bereits im Welpenalter gelernt, auf Kommando loszulaufen, zu halten und „rechts“ und „links“ zu unterscheiden. In schneearmen Gegenden wie Brandenburg spannt man die Hunde beim Training auch vor ein Quad oder vor einen Roller. Nur wer im Verein ist, kann beim Verband der Zughundesportvereine die Musher-ID beantragen, den Ausweis, der berechtigt, an Rennen teilzunehmen. Wolff ist Mitglied im Schlittenhundesportverein Ost (SSVO). Der deutsche Verband zählt etwa 1000 aktive Mitglieder, jeder von ihnen hat mindestens zwei Hunde, die meisten besitzen mehr als zehn Tiere.

Raus aus dem Transporter. Mit diesem Wagen transportiert André Wolff seine Zughunde.

© Veronika Frenzel

Wolff gehören mittlerweile vier eigene Hunde, dazu beherbergt er derzeit die sechs Hounds, die ihm vor ein paar Monaten ein Freund geliehen hat. Mit denen ist er Mitte Januar beim Alpentrail in Südtirol gestartet, einem Sechser-Hunde-Rennen. Sieben Tage lang liefen er und die Hunde durch die Alpen, insgesamt legten sie 300 Kilometer zurück und das über mehrere tausend Höhenmeter. Sie belegten den vierten Platz. Auf den vorderen drei Plätzen landeten amtierende Europa- und Deutschlandmeister.

Um genug Platz für alle Tiere zu schaffen, hat Wolff auf dem Gelände seiner Firma eine Zwingeranlage errichtet. Für den Transport kaufte er einen Pick-up und baute acht Boxen mit Platz für mehr als zehn Hunde auf die Ladefläche. Fast ein halbes Jahr lang hämmerte und schraubte er jeden Tag nach Feierabend. Und noch immer steht er jeden Morgen eine halbe Stunde früher auf, um die Hunde um sechs Uhr aus dem Zwinger zu lassen. Und fast jeden Abend, wenn seine Kinder im Bett sind, fährt er mit den Hunden in den Wald und trainiert stundenlang.

Im Frühjahr muss er seinem Freund die sechs Hounds zurückgeben. Für die Zeit danach hat er schon einen anderen Bekannten im Blick, der ihm ein paar Hunde anvertrauen könnte. Und wenn das nicht klappt, will er überlegen, ob er sich selbst sechs weitere Zughunde kauft. „Der Virus“, sagt er und lacht.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false