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Matthias Platzeck (SPD) und Wladimir Jakunin, Chef der russischen Staatsbahn sind bei der Europa-Konferenz des Deutsch-Russischen Forums "lost in translation".

© dpa

Putin-Vertrauter provoziert in Berlin: "Männer, rasiert euch!"

Sieht so eine ausgestreckte Hand aus? Der russische Eisenbahn-Chef Wladimir Jakunin, ein enger Freund von Kremlchef Putin, attackiert in Berlin den Westen und Homosexuelle.

Fünf Punkte bekam Conchita Wurst beim ESC aus Russland. Als Wladimir Jakunin darauf angesprochen wird, zeigt er nur einen Vogel. Seine Landsleute, die diese Halbfrau mit Bart beim Eurovision Song Contest gewählt hätten, seien doch psychisch gestört. In Russland habe eine Initiative ja postwendend die richtige Antwort gegeben: „Männer, rasiert euch! Seid keine Weiber!“, sagt der russische Eisenbahnchef, der am Donnerstag nach Berlin gekommen ist.

In den USA hat Jakunin Einreiseverbot

Allein der Besuch Jakunins ist schon eine Nachricht. Die Amerikaner hätten ihn gar nicht erst ins Land gelassen. Dort hat der Hardliner, der im Kreml zum engsten Freundeskreis von Präsident Wladimir Putin zählt, Einreiseverbot. So nutzt Jakunin die deutsche Bühne, um die westliche Sicht auf die Ukraine-Krise anzugreifen. Dazu gehört auch Conchita Wurst. Die Dragqueen aus Wien ist für Jakunin Ausdruck westlicher Arroganz im Umgang mit Russland. Wer der bärtigen Frau nicht applaudiere, werde als Nicht-Demokrat in die Ecke gestellt.

Tatsächlich lässt sich streiten, ob Conchitas ESC-Erfolg als politisches Statement taugt, wie viele in Europa vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts glauben. Jakunin aber belässt es nicht dabei, sondern leitet in seinem Vortrag gleich zum umstrittenen russischen Homosexuellen-Gesetz über. Dass eine russische Abgeordnete, die das Gesetz vorangetrieben habe, jetzt auch auf der US-Sanktionsliste stehe, zeige, dass letztlich der „vulgäre Ethno-Faschismus wieder Bestandteil unseres Lebens geworden ist“, schimpft Jakunin.

"Das glaube ich erst, wenn ich einen schwangeren Mann sehe"

Mit-Gastgeber Matthias Platzeck, der neben dem Russen sitzt, werden die Tiraden gegen Homosexuelle zu bunt. „Mich macht das richtig wuschig“, sagt der Ex-SPD-Chef und erklärt, dass er als Pfarrerssohn zwar eine Frau liebe, aber jeder Mensch darüber selbst entscheiden könne.

Jakunin belehrt den früheren brandenburgischen Ministerpräsidenten nur knapp: „Sie wissen zu wenig über das Gesetz.“ Dann behauptet er allen Ernstes, dass vier Prozent der russischen Kinder mit einem Gen-Defekt homosexuell zur Welt kommen. Diese Abweichung von der sexuellen Norm sei medizinisch erwiesen.

Über Platzecks Einwand, auch schwule und lesbische Paare hätten die gleiche Rechte wie Menschen in einer heterosexuellen Ehe, spottet Jakunin: „Das glaube ich erst, wenn ich einen schwangeren Mann sehe.“ Spätestens als solche Aussagen auf die Kopfhörer der Gäste - darunter Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn - übersetzt werden, dürften sich viele im Saal so fühlen, wie das Motto der Tagung des Deutsch-Russischen Forums es vorgibt: „Europe - Lost in Translation“.

Russland fühlt sich unfair behandelt

Der erzkonservative Jakunin kann wohl kaum für alle Russen sprechen, doch er gilt als einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Landes. So zeigt sein Auftritt, wie tief gedemütigt sich Putin & Co. vom Westen und von den USA fühlen. Washington beuge seit langem selbst Völkerrecht, um eigene Interesse durchzusetzen.

Und Europa tanze nach der US-Pfeife und habe nach dem Kalten Krieg die historische Chance verpasst, Russland fair zu behandeln. „Das Gefühl, gehasst zu werden“, es eine das russische Volk, das zu 80 Prozent hinter Putin stehe, meint Jakunin.

Er führt bei der Staatsbahn RZD mehr als eine Million Mitarbeiter. Sein Unternehmen ist also größer als der vom Kreml gesteuerte Energieriese Gazprom. RZD arbeitet schon lange mit der Deutschen Bahn und Siemens zusammen. Kremlgegner und Korruptionsjäger Alexej Nawalny unterstellt Jakunin, dank der Nähe zu Putin hervorragende Geschäfte zu machen. In einem heiß diskutierten Blog-Eintrag führte der Oppositionsführer einst aus, wie sich der „Dollar-Milliardär“ ein herrschaftliches Anwesen habe anlegen lassen.

Mit diesen Vorwürfen konfrontiert, spricht Jakunin auf der Pressekonferenz von einer Schmutzkampagne. Er sei kein Oligarch: „Ich bin nicht Eigentümer der russischen Eisenbahn, und ich habe keine Milliarden auf dem Konto.“ Übrigens habe er von den Engländern gelernt, beim ersten Treffen niemals nach dem Gehalt zu fragen, belehrt er die Journalisten: „Ich finde das beschämend.“ (dpa)

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