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So stellt sich das Architekturbüro von J. Mayer H. die architektonische Zukunft des Checkpoint Charlie vor.

© Entwurf: J. Mayer H.

Update

Ehemaliger Berliner Grenzübergang: Koalition streitet über Hochhauspläne am Checkpoint Charlie

Nach Vorstellung von Plänen von sieben Architekten und heftiger Kritik der Grünen am Vorgehen rechtfertigt Linken-Senatorin Lompscher sich nun selbst.

Der Druck war wohl zu groß. Nach langem Schweigen trotz anhaltender Kritik an der starken Einflussnahme der privaten Firma Trockland im Verfahren der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zur Bebauung des weltberühmten Checkpoint Charlie hat Senatorin Katrin Lompscher (Linke) nun doch persönlich ihr Vorgehen am Freitag in einer Erklärung gerechtfertigt: „Für diesen besonderen Ort haben wir nicht die klassische Form des Wettbewerbes gewählt, sondern wir verzahnen städtebauliche Verfahren und Partizipationsverfahren miteinander. " Es gehe auch darum einen "direkten Dialog" zwischen Experten, Bürgern, Verwaltung und Investor zu führen. Es habe drei öffentliche Veranstaltungen und vier Fachgespräche gegeben.

Ungeachtet aller Kritik will Lompscher noch mitten in der Sommerpause Fakten schaffen: "Am 6. August entscheidet ein Gutachtergremium über die Entwürfe; das Ergebnis wird Grundlage für den anschließenden Realisierungswettbewerb". Kritiker aus dem Gutachterkreis vermuten, dass Lompscher mit ihrem auserwählten Entwickler Trockland, der dabei noch gar nicht Eigentümer der Grundstücke ist, Fakten schaffen will, so lange Abgeordnetenhaus und Senat noch in der Sommerpause sind. So verhindere die Beantwortung der vielen Fragen um die Allianz der Senatsverwaltung mit einem einzelnen Immobilien-Entwickler.

Allerdings führten die Fachgespräche auch zu massiver Kritik von Beteiligten an Festlegungen in dem Verfahren zugunsten der Firma Trockland, obwohl diese gar nicht Eigentümerin der Grundstücke ist. Und auch die nun ausgestellten Entwürfe, darunter ein Wolkenkratzer mitten auf der Kreuzung am Checkpoint Charlie beruhigen die Debatte nicht.

Mit der Vorstellung von sieben Entwürfen für Neubauten auf den großen Freiflächen rund um den weltbekannten früheren Grenzkontrollpunkt „Checkpoint Charlie“ wird die Debatte um heimliche Absprachen zwischen dem Senat und einem Entwickler der Flächen sowie dem in enger Kooperation mit handverlesenen Architekten laufenden Ideenwettbewerb an Schärfe gewinnen.

Das Verfahren und die Ausstellung der Entwürfe in den Räumen des Entwicklers hatten Kritik begleitender Experten ausgelöst. Zu viele Zugeständnisse und Vorabsprachen zugunsten der privaten Firma habe es gegeben, es drohe Disney statt Gedenken – das alarmiert nun auch die Grünen.

„Ein Hard-Rock-Hotel an der Stelle, wo am Checkpoint Charlie ein Wachturm stand, sowie ein Museum im Keller eines Renditeobjektes, das wäre ein fauler Kompromiss“, sagt Daniel Wesener, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen. Verärgert sind er und seine Fraktion, für die er spricht, dass sie das alles aus der Zeitung erfahren mussten. Zumal im Koalitionsvertrag eindeutig vereinbart sei, den früheren Grenzkontrollpunkt und heutiges Mahnmal des Kalten Krieges am „Checkpoint Charlie zu einem Gedenk- und Erinnerungsort zu machen“.

Wesener wies die Darstellung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unter Katrin Lompscher (Linke) im Tagesspiegel scharf zurück, wonach das Verfahren „durch die Position des Senats und der Koalitionsfraktionen vorgegeben“ sei. Ganz im Gegenteil, das Verfahren laufe unter Federführung von Lompscher an Parlament und der Koalition vorbei.

Und die bisher geheim gehaltenen Absprachen in einer Absichtserklärung („letter of intent“) zwischen dem Entwickler und den Senatsverwaltungen für Kultur, Finanzen und Stadtentwicklung führten zu „inakzeptablen Weichenstellungen zugunsten eines privaten Investors“.

Dabei müsse der Senat heute nicht mehr, wie in den 1990er Jahren skandalöse Deals abschließen, denn es fehle in Berlin weder an Geld noch an Investoren. „Da fehlt Professionalität im Umgang mit Entwicklern“, sagt Wesener. Die Erwartungen an diese Koalition seien zu Recht höher, als einfach einen weiteren Deal wie mit den Ku’damm-Bühnen abzuschließen, wo das Land außerdem noch „mit Steuergeldern jahrelang durch Mietzahlungen die Renditeinteressen von Investoren erfüllt“. Auch am Checkpoint soll das Museum in einem Privatbau einziehen, und das Land soll Miete zahlen.

„Ich erwarte, dass der Senat alle politischen wie rechtlichen Instrumente prüft und gegebenenfalls auch nutzt, vom Vorkaufsrecht bis zu den Möglichkeiten einer Enteignung“, sagt Wesener. Die Flächen stünden unter Denkmalschutz. Das öffentliche Interesse stehe auf dem Spiel, es gelte, dies zu verteidigen.

„Was für East Side Gallery gilt, sollte auch für Checkpoint gelten“

Besorgt äußerte sich nach den Tagesspiegel-Veröffentlichungen auch die Geschäftsführerin der „Bundesstiftung Aufarbeitung“, Deutschlands größte Fördereinrichtung für Institutionen, die sich mit der Geschichte der Deutschen Teilung auseinandersetzen: „Was für die East Side Gallery gilt, sollte auch für den Checkpoint Charlie gelten: Die wenigen verbliebenen Zeugnisse der Teilung Berlins müssen erhalten werden. Dabei sollten Erinnerungsorte geschaffen werden, die mehr sind als reine Touristenmagnete“, so Anna Kaminsky.

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Wo genau Neubauten in welcher Größe und in welcher Höhe rechts und links der Friedrichstraße entstehen könnten, dazu haben sieben Architekturbüros im Auftrag von Senat und der Frima Trockland Vorschläge gemacht. Den größten Effekt dürfte das für seine zurückhaltende Sanierung und Erweiterung der Museumsinsel gefeierte Büro von David Chipperfield erzielen. Dessen Mitarbeiter stellen einen Wolkenkratzer mitten auf die Kreuzung Friedrichstraße Ecke Zimmerstraße, auf Stelzen, damit der Verkehr unten durchfließen kann. Weitere Neubauten entstehen im Umfeld.

Dass auch andere Büros (eingeladen waren die Architekten Sauerbruch Hutton, Jürgen Mayer H., Caramel, Hild und K, Graft, Cobe) Hochhäuser vorsehen, einige in Anspielung auf Tore zum Checkpoint im Norden und Süden desselben, erklären Experten mit dem wirtschaftlichen Druck des Entwicklers: Weil dieser die bebaubare Fläche auf den Grundstücken vorgeschrieben hatte, Senat und Denkmalschützer aber eine Freifläche mit rund 1000 Quadratmetern am Checkpoint fordern, mussten die Häuser an einigen Punkten in den Himmel wachsen.

Mit einer Ausnahme. Keine hoch aufschießende Türme, aus Respekt vor der barocken Friedrichstadt, sondern Zeilen, die nur ein bis zwei Geschosse über Berlins Traufhöhe hinausragen, schlagen die Graft-Architekten vor. Die Kritik an einem früheren Entwurf mit Reflektionen kräftiger Farben auf einem reinplatzenden Neubau für das Hard-Rock-Hotel begegnet Thomas Willemeit so: „Das haben wir überarbeitet“. Das Hotel stehe außerdem für die „heterogene Realität des Ortes". Zum Checkpoint gehöre ebenso das bunte Treiben und die Feiern nach der Überwindung der Mauer durch die Ostdeutschen, zu der Musik und Popkultur beigetragen hätten.

„Musik hat auch zur Überwindung der Teilung beigetragen“

„Die Betreiber wollen dazu Artefakte aus ihren Archiven nach Berlin bringen“, sagt Willemeit. Ein Brief von Michael Jackson über die Mauer, zwei Betonteile derselben und vielleicht auch Material über im Hinblick auf den Mauerfall bedeutende Konzerte : Bruce Springsteen (Juli 1988 in Weißensee) und Roger Waters „The Wall“-Konzert. „Musik hat auch zur Überwindung der Teilung beigetragen und ist ein populärer Ausdruck der Kritik an Gesellschaft“, sagt Willemeit. Sie ergänze daher die museale historische Aufarbeitung des Ortes im geplanten Museum.

Die beiden Kernforderungen des Denkmalschutzes berücksichtige der Graft-Entwurf: 800 Quadratmeter freie Fläche vor dem geplanten Museum im Westen und 200 auf der Ostseite. Und auch der freie Blick auf die Häuser, von denen aus CIA und Stasi das Treiben am Grenzkontrollpunkt von Ost und West überwachten, Spione in die Spur schickten und den Austausch von Gefangenen vorbereiteten, sei gewährleistet. Und um möglichst viel von der Offenheit des Ortes zu erhalten, „verbiegen“ Graft die geplanten Baukörper so, dass darunter zusätzliche Freiräume entstehen.

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