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Einsam in der Krise. Das Dorf Barsikow liegt im Landkreis Ostprignitz-Ruppin.

© Thilo Rückeis

Reisebeschränkungen in Brandenburg während der Corona-Krise: Wie ein Landkreis in der Mark versucht sich abzuriegeln

Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Brandenburg will sich von der Außenwelt abschotten. Brandenburgs Regierung ruft Berliner auf, Ausflüge zu vermeiden.

Neue Mauern in der Hauptstadtregion: Während Brandenburgs Regierung inzwischen an Berliner appelliert, auf Ausflüge ins Umland zu verzichten, hat in der Coronakrise mit Ostprignitz-Ruppin jetzt erstmals ein Landkreis sogar ein Einreiseverbot verhängt.

Der Alleingang von Landrat Ralf Reinhardt (SPD), der auch Zweitwohnungsbesitzern etwa aus Berlin den Aufenthalt im Kreis untersagt und damit über die von der Kenia-Regierung beschlossenen landesweiten Einschränkungen hinausgeht, stößt auf Unverständnis.

Kritik von vielen Seiten

Kritik kam von Linke-Oppositionsführer Sebastian Walter, CDU-Vizefraktionschef Frank Bommert („Irre!“), aber auch anderen Landräten. 

„Ich halte die gestrige Allgemeinverfügung des Kreises für nicht Ziel führend“, erklärte am Abend auch Brandenburgs Staatskanzleichefin Kathrin Schneider (SPD) auf Tagesspiegel-Anfrage. 

Nach Druck, lockert Kreis Einreiseverbot

„Wir müssen gemeinsam und abgestimmt vorgehen. Ein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen in wesentlichen Fragen ist für die Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar und erhöht die Unsicherheit.“ 

Derart unter Druck geraten, will der Kreis, wie am Abend mitgeteilt wurde, das Einreiseverbot zumindest etwas lockern: Zweitwohnsitz-Besitzer, die sich im Landkreis teilweise schon länger aufhalten, dürfen nun doch bleiben und auch Besuche empfangen. 

Ursprünglich sollten sie sogar bis 28. März den Landkreis verlassen.

„Was wären wir in Brandenburg ohne Berlin?“

Nach Tagesspiegel-Informationen stand Ostprignitz-Ruppin in der täglichen Telefonschaltkonferenz des Krisenstabes der Regierung mit den Landräten und Oberbürgermeistern am Donnerstag weitgehend allein da. 

„Was wären wir in Brandenburg ohne Berlin? Dieses Handeln ist unverantwortlich. In Krisenzeiten müssen wir zusammenstehen!“, sagte Gernot Schmidt, SPD-Landrat von Märkisch-Oderland, dem Tagesspiegel zum Vorgehen Ostprignitz-Ruppins. 

„Das wird es bei uns nicht geben!“

„Wer in einer Krise verschiedene Menschengruppen aufeinanderhetzt, der hat nicht begriffen, wie eine freiheitlich-demokratische Ordnung funktioniert.“ 

Auch in Märkisch-Oderland haben viele Berliner einen zweiten Wohnsitz oder Wochenendgrundstücke. 

Schmidt schließt ein Vorgehen wie im Landkreis Ostprignitz-Ruppin kategorisch aus: „Das wird es bei uns nicht geben!“

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Linke-Fraktionschef Walter nannte das Verbot des Kreises „völlig überzogen und inakzeptabel.“ Es gebe dafür „keinerlei Grundlage und auch in der Krise keinen Platz für solche Machtspielchen. Diese Verordnung darf nicht in Kraft treten.“

Der Landkreis ist für Berliner eine beliebte Erholungsregion

Der Landkreis Kreis Ostprignitz-Ruppin (OPR) im Nordwesten der Mark ist mit seinen Seen, mit Rheinsberg, Neuruppin, Heiligengrabe und Wittstock eine auch bei vielen Berlinern beliebte Erholungsregion. 

Reinhardt hatte eine ab Donnerstag geltende bislang in Brandenburg einmalige Allgemeinverfügung erlassen, die auch „Reisen aus privatem Anlass“ zu touristischen Zwecken in das Gebiet bei Strafandrohung verbietet. 

Verbot gilt auch für Personen mit Zeitwohnsitz

„Das Verbot gilt auch für Personen, die ihren zweiten Wohnsitz im Landkreis Ostprignitz-Ruppin besitzen“, heißt es in der „Allgemeinverfügung zum Schutz der Bevölkerung im Landkreis“ wörtlich. 

Weiter heißt es: „Dazu zählen auch nur vorübergehende Kurzaufenthalte, beispielsweise in Wochenendhäusern, Bungalows oder auch mobilen Objekten wie Wohnmobilen und Hausbooten.“

Landkreis will Verfügung nun präzisieren

Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin will an den Einschränkungen festhalten, aber die Allgemeinverfügung nun präzisieren. 

Aufgrund vieler Nachfragen per Mail und Telefon sei deutlich geworden, hieß es, „dass sich bereits schon seit längerer Zeit viele Menschen in ihrem Zweitwohnsitz dauerhaft aufhalten und dort beispielsweise im Homeoffice arbeiten“, so der Kreis.

Einreisen sollen eingedämmt werden, Bleiberecht ermöglicht werden

„Auch viele Rentner leben scheinbar über eine längere Zeit hier im Zweitwohnsitz.“ Ziel sei es nun, „ denjenigen, die bereits länger hier sind, ein Bleiberecht in ihrem Zweitwohnsitz zu ermöglichen und Einreisen entsprechend bis mindestens 19. April einzudämmen.“

Medizinische Versorgung reiche nur für Bewohner

Mit der vorherigen Vorschrift habe man verhindern wollen, „dass der Müritz-Tourismus aufgrund der Vorgehensweise des Landes Mecklenburg-Vorpommern nicht weiter nach Ostprignitz-Ruppin ausweichen kann.“ 

Da der Landkreis in dieser angespannten Situation aber nur eine medizinische Versorgung für die ständig hier lebenden Bewohner dauerhaft sicher stellen kann, müsse mit Blick auf die bevorstehenden Osterferien verhindert werden, „dass der Landkreis in dieser Krisenzeit zum vermehrten Reiseziel von Urlaubern aus der gesamten Bundesrepublik wird.“

Brandenburg appelliert an Berliner, auf Ausflüge zu verzichten

Brandenburgs Staatskanzlei bekräftigte am Donnerstag für das Land die generelle Vorschrift: „Im eigenen Besitz befindliche Ferienhäuser oder -wohnungen dürfen genutzt werden. Auch dabei sind die bekannten Regeln strikt einzuhalten.“ 

Allerdings hieß es von der Regierung einschränkend: „Lokal oder auf Kreisebene können aus besonderem Anlass anderslautende Festlegungen getroffen werden.“ 

Bislang ist das nur in Ostprignitz-Ruppin so. Brandenburg appelliert auch an Berliner, auf Ausflüge ins Nachbarland zu verzichten.

Berlin und Brandenburg setzen auf enge Abstimmung

Erst vergangene Woche hatten Woidke und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach einer gemeinsamen Coronavirus-Krisensitzung beider Kabinette in Potsdam die gemeinsame Gesundheitsregion und engste Abstimmungen bei der Bekämpfung der Pandemie angekündigt. 

Berlins Senat setzt offenbar darauf, dass Brandenburg das Problem selbst in den Griff bekommt. 

Man sei in kontinuierlicher Abstimmung mit Brandenburgs Regierung „über ein gemeinsames Vorgehen in der Coronakrise“, erklärte Senatssprecherin Melanie Reinsch diplomatisch. 

„Lebensfremd und absolut nicht nachvollziehbar“

„Der Berliner Senat wird diese Abstimmung mit Brandenburg auch weiterhin fortsetzen, kommentiert allerdings nicht die Entscheidungen einzelner Landkreise.“

Dagegen nannte der Berliner CDU-Abgeordnete Christian Gräff, zugleich Präsident des Verbandes der Deutschen Grundstücksnutzer, das Vorgehen in Ostprignitz-Ruppin gegen Datschenbesitzer und Kleingärtner, die dort nicht ihren Erstwohnsitz haben, „lebensfremd und absolut nicht nachvollziehbar“.

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