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Berlin: Rum Trader

Die Fasanenstraße ist eine Ur-Meile der Berliner Cocktailbar-Kultur. Hier findet sich die Galerie Bremer, die Rudolf van der Lak seit 50 Jahren betreibt.

Von Frank Jansen

Die Fasanenstraße ist eine Ur-Meile der Berliner Cocktailbar-Kultur. Hier findet sich die Galerie Bremer, die Rudolf van der Lak seit 50 Jahren betreibt. Einige Meter südlich ruht der Rum Trader. Die 1976 gegründete Bar wirbt betont unauffällig um Gäste, das funzelige Leuchtkästchen neben der Tür ist leicht zu übersehen. Bei zwei Anläufen von drinking man und compañera war selbst die Minireklame ausgeschaltet, kein Mensch öffnete. Die Sorge, der Rum Trader sei an Altersschwäche eingegangen, erwies sich als unbegründet. Kürzlich leuchtete das Kästlein wieder. Ein Mann mit randloser Brille, schwarzem Dreiteiler und dunkler Fliege öffnete. Er blickte streng, dann bat er hinein. Es waren noch zwei Barhocker frei. Das musste ein höheres Wesen arrangiert haben.

Die freien Hocker entsprechen etwa 25 Prozent der Sitzgelegenheiten am Tresen. In einer Nische kommt ein runder Tisch hinzu. Der Rum Trader ist nicht nur eines der ältesten Lokale Berlins, sondern auch eines der kleinsten. In dem obendrein intensiv geraucht wird. Dank des Qualms fällt allerdings das hässliche 70er-Jahre-Design kaum auf. Doch all diese Details sind unwichtig. Auch der rötlich schimmernde Holztresen samt Footrail und die Tresenwand mit unzähligen Rumflaschen verdienen kaum Interesse. Diese Bar ist nichts anderes als die Bühne des Keepers. Gregor Scholl, etwa Mitte 30, dominiert als Schwadroneur par excellence. Vielleicht ist deshalb die Musik aus den 30ern und 40ern so leise. Ein Kunstwerk darf hier nur Scholls Mundwerk sein.

Der Mann mimt, wie die schwarze Tracht und die Fliege schon ahnen ließen, den edlen Reaktionär. Scholl verreißt „das Demokratenpack“, mokiert sich über die Versöhnung Wilhelms II. mit der Sozialdemokratie und nennt Journalisten „ein korruptives Element“. Wer sich nach den Rumsorten erkundigt, bekommt zu hören, dass kein Erzeugnis aus dem kommunistischen Kuba dabei ist. Scholl verachtet alles, was ihm plebejisch erscheint. Es trifft dann auch die Nazis. Drinking man und compañera, hochgradig antifaschistisch, waren erleichtert.

Scholls Mixkünste konnten allerdings nur partiell überzeugen. Der Mai Tai war flau, vorzüglich hingegen der Planter’s Punch. Der Rum Cooler (mit reichlich Ginger Ale) erfrischte, dann kam der Elefantenjäger. Scholl füllte in ein Elefantenfußglas, angeblich eine Hinterlassenschaft des legendären Trader Vic, jamaikanischen Rum der Marke Appleton Dark. Da der drinking man für diesen Cocktail ein wenig länger brauchte, orderte die compañera nach ihrem ersten nicht-alkoholischen Getränk namens Schulausflug noch eine fruchtig-harmlose Tanzstunde.

Und Scholl sprach weiter zu seinem Volk. Vielleicht sollte er mal eine Platte aufnehmen. Es müsste natürlich Schellack sein.

Rum Trader, Fasanenstr. 40, Wilmersdorf, Tel. 88 11 428, Mo. bis Fr. 19.15 Uhr bis ein Uhr, Sa. 21.30 Uhr bis 2 Uhr.

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