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Auf dem Jerusalemsfriedhof bauen Flüchtlinge eine Gärtnerei auf.

© Doris Spiekermann-Klaas

Saubere Sache - Gemeinsame Sache: Neukölln: Garten statt Warten

Auf einem ungenutzten Friedhof in Neukölln wächst mit den Pflanzen auch die Hoffnung für Flüchtlinge. Eine Gärtnerei entsteht, ein Berufs- und Integrationsprojekt.

„Wie geht’s? Ça va? Va bene?“ Nach und nach treffen die jungen Männer beim alten Steinmetzhaus ein. „Gut geht’s! Nächsten Donnerstag machen wir ein großes Essen, ja?“ Barbara Meyer reicht die Hände und erwidert Umarmungen, antwortet abwechselnd auf Französisch, Italienisch und Deutsch.

Auf dem Kirchhof V der „Jerusalems- und Neuen Kirche“ zieht neues Leben ein. Seit Mai baut der Verein „Schlesische 27“ mit der Architekteninitiative Raumlabor Berlin auf einer brach liegenden Fläche des Friedhofs eine Gärtnerei auf. In dem alten Steinmetzhaus mit den zerbrochenen Fensterscheiben finden nun Deutschkurse statt, es wird gewerkelt und gekocht.

Ein Stück weiter hinten auf dem Kirchhof haben die Flüchtlinge rund 1600 Quadratmeter des Friedhofs in einen Garten mit Nutz- und Zierpflanzen verwandelt. Dazu zimmern sie noch ein Gewächshaus und einen Steg entlang dem Garten. „Die Gärtnerei ist künstlerische Installation und dient andererseits zur Berufsorientierung der Flüchtlinge“, erklärt Meyer. Sie leitet das Projekt zusammen mit Nils Steinkraus und Sven Seeger von „Schlesische 27“.

Große Friedhofsflächen werden nicht mehr gebraucht

Insgesamt arbeiten etwa 20 junge Männer in der Gärtnerei. Die meisten sind vor dem Krieg geflohen, sie kommen aus Nordafrika, Syrien, Palästina, Afghanistan oder Pakistan. Acht von ihnen übernehmen leitende Tätigkeiten in der Gärtnerei und planen die Arbeitseinsätze, gemeinsame Exkursionen und Workshops mit Nachbarn.

„Das Steinmetzhaus nennen wir ‚Gartenschule’, und die Flüchtlinge sind die ‚Gartenschüler’“, sagt Meyer. Denn die jungen Männer bereiten sich hier auf die Arbeit als Gärtner oder Tischler vor – auch wenn es keine Garantie gibt, dass sie in Deutschland bleiben und arbeiten dürfen. Denn der Aufenthaltsstatus ist bei jedem ein anderer.

Schon seit 20 Jahren finden auf diesem Teil des Kirchhofs keine Beisetzungen mehr statt, der Steinmetz gab sein Geschäft vor Kurzem Alters wegen auf. Gerade in Außenbezirken wie Neukölln werden Friedhofsflächen in großen Teilen nicht mehr gebraucht. Deswegen sprach der Friedhofsverband Berlin Stadtmitte die Fläche der Gärtnerei zu. „Wir möchten die Brache nun auf würdevolle Weise gestalten“, sagt Meyer. Gefördert wird das Projekt auch von der Kulturstiftung des Bundes und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband Berlin.

Senioren kommen regelmäßig vorbei

An drei Tagen in der Woche vermitteln Ehrenamtliche den Gartenschülern Deutschkenntnisse, aber auch Wissen über das deutsche Bildungs- und Verwaltungssystem. Danach geht es in den Garten. Der Verein Schlesische 27, der sich als internationales Jugendkulturhaus versteht, kümmert sich schon länger um junge Flüchtlinge.

„Wir wollen Visionen vermitteln, wie das Zusammenleben verschiedener Kulturen in dieser Stadt aussehen kann.“ Deswegen sind ausdrücklich Nachbarn, Schulen und Vereine der Umgebung beteiligt. „Wir sind wahnsinnig nett aufgenommen worden“, sagt Meyer. Der ägyptische Imbiss gleich am Eingang des Kirchhofs spendete kistenweise Tomaten.

Viele Senioren aus der Nachbarschaft kommen regelmäßig auf einen Plausch vorbei und machen bei der Gartenarbeit mit. Und auch mit Schulen und Vereinen der Umgebung baut die Gärtnerei ein Netzwerk auf: So entstand die Kücheneinrichtung im Steinmetzhaus in Zusammenarbeit mit dem nahegelegenen Carl-Legien-Oberstufenzentrum.

Gartenarbeit befreit vom Warten

Auf dem Acker blühen Dahlien und Sonnenblumen, die Erdbeeren und Tomaten sind reif. Während ein Gartenschüler das Beet bewässert, zimmern andere am Holzsteg. „Letzte Woche haben wir unseren eigenen Brokkoli gekocht“, sagt Ismael Gayie aus Mali (Name von der Redaktion geändert). Er kocht oft für die Gruppe, zuletzt „Tega Degena“ ein Gericht aus Reis mit Gemüse und Erdnussbutter. Auf dem Kirchhof arbeitet der 23-Jährige am liebsten mit Holz: „Die Gärtnerei ist für mich eine Ausbildung, damit ich irgendwann in einer Tischlerei arbeiten kann.“

Die Arbeit in der Gärtnerei befreit die Flüchtlinge jeden Tag für einige Zeit vom Warten – auf den Asylbescheid oder die Arbeitserlaubnis. „Sie leiden unter dem Asylrechtsylrecht, das sie an der Arbeit hindert“, sagt Meyer. Sie leiden darunter, wollen sich einbringen, wollen etwas geben.

"Kreuzberg ist meine Heimat"

Deswegen haben die Gartenschüler das „Café Nana“ eingerichtet: Jeden dritten Freitag im Monat laden sie Nachbarn zu einer Art globaler Volkshochschule ein. Gayie wird beim nächsten Mal einen kleinen Trommelkurs geben. Vor dem Krieg in Mali floh er über Lampedusa nach Deutschland.

In Kreuzberg fühlt sich der junge Mann am wohlsten, hier lebt er mit vier anderen Flüchtlingen in einer Unterkunft der Sankt-Thomas-Gemeinde. „Kreuzberg ist meine Heimat“, sagt er. „Die Gärtnerei soll inmitten der Entwurzelung neue Begegnungen schaffen“, sagt Meyer.

Mitmachen bei Renovierungsarbeiten

Deswegen sucht der Verein auch „Winterpaten“ für die 20 jungen Männer. Denn zwar sind auch im Winter Workshops rund um die Gartenarbeit geplant, etwa zu pflanzlichen Kosmetika oder Heilpflanzen. Ganz so viel wie im Sommer ist dann aber nicht zu tun.

„Es wäre schön, wenn jeder Gartenschüler ein ihm bekanntes Gesicht in der Stadt hätte – mit dem er etwas unternimmt, das ihn zu sich einlädt oder bei Fragen helfen kann.“ An den Aktionstagen 18. und 19. September lädt die Initiative Helfer ein, bei Renovierungs-, Garten- und Bauarbeiten auf dem Gelände der Gärtnerei mitzumachen. Freitag und Samstag von 12 bis 16 Uhr. Einsatzort: Hermannstraße 84-90, Neukölln.

Auch sie sind dabei

We care
Pflanz- und Pflegeaktion am Pankeufer: Seit 2010 kümmern sich Mitarbeiter und Nutzer des Tageszentrums Wiese 30, einer Einrichtung für psychisch kranke Menschen, in Wedding um das Pankeufer. Zweimal in der Woche sammeln sie den Müll und führen von Frühjahr bis Herbst einmal im Monat eine Pflanz- und Pflegeaktion durch.

Am Freitag, 18. September, sind alle wieder von 10 bis 13 Uhr aktiv. Freiwillige sind herzlich willkommen. Aktionsort: Pankeufer, Walter-Nicklitz-Promenade, Wedding. Kontakt: Katrin Schäfer, Tel.: 462 10 62, Web: www.kbsev.de, Mail: wiese30@kbsev.de

Putzaktion am Erpelgrund

Die Dachskinder beteiligen sich am 18. September von 9.30 bis 11 Uhr zum dritten Mal am Aktionstag für ein schönes Berlin. Sie wollen einen Spielplatz sauber machen. „Alle Kinder sind nach dieser Aktion sehr stolz, etwas für sich und für andere getan zu haben“, sagen sie. Treff: Spielplatz am Erpelgrund in Reinickendorf. Kindergarten Dachskinder e. V.,  Eva Bühn, Tel.: 34 39 37 34, E-Mail: info@dachskinder.de

Aktion Gemeinschaftsgarten
Die Kompaxx Jugendhilfe will am 18. und 19. September von 10 bis 14 Uhr mit vielen fleißigen Helfern den Spandauer Gemeinschaftsgarten verschönern. Diesmal soll ein neuer Weg durch den Garten angelegt werden, entlang des Weges sollen Beerensträucher und Blütenstauden gepflanzt und umgesetzt werden, sodass ein Nasch- und Duftpfad entsteht.

Gärtnerische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Wer hat, bringt bitte Spaten und Handschuhe mit. Der Verein freut sich über tatkräftige Unterstützung. Aktionsort: Spielplatz/Nachbarschaftshof Mittelstraße, Mittelstraße 16-20, Spandau. Treffpunkt: Eingang Gemeinschaftsgarten, links auf dem Gelände. Kontakt: Frau Barth, 0151-11 33 49 05, E-Mail: maria.barth@kompaxx.de

Erwin putzt

Die Kinder der Erwin-von-Witzleben-Grundschule im Halemweg 34 in Charlottenburg befreien am 18. September ihren Schulhof von Müll. Im Frühblüherbeet wird Unkraut gejätet und der Boden für das Frühjahr vorbereitet. Außerdem werden die Grünflächen gepflegt.

Jana Scholz

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