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Schäfermeister Knut Kucznik aus Altlandsberg mit seinen Schafen auf dem Tempelhofer Feld

© Thilo Rückeis

Tierische Demonstration in Berlin: Die Schäfer kämpfen ums Überleben

Am Sonntag zieht Knut Kucznik mit seiner Schafherde auf das Tempelhofer Feld. Er will auf die schwierige Situation von Schäfern aufmerksam machen.

Schafe auf dem Tempelhofer Feld, das ist lange her. Seit 1992 werden die Wiesen der großen Freifläche mit Mähmaschinen kurzgehalten. Für die nächsten acht Tage wird sich das ändern, denn eine ganze Herde von 200 Muttertieren kommt zu Besuch, samt ihrem Schäfer Knut Kucznik und zwei Hütehunden. Kucznik ist Vorsitzender des Schafzuchtverbandes Berlin-Brandenburg und in Altlandsberg zu Hause.

In Berlin will der 52-Jährige gemeinsam mit seinem Berufsverband und dem Gemeinschaftsgarten Allmendekontor auf die schwierige wirtschaftliche Situation von Schäfern aufmerksam machen und die Tiere zeigen. Vormittags können Besuchstermine für Schulklassen und Kitagruppen mit dem Schäfer vereinbart werden (Tel: 0160/98 95 34 91).

An diesem Sonntag werden die Schafe gegen 14 Uhr in der Nähe des Haupteingangs Columbiadamm begrüßt und beweidet. Die ganze Woche über können Besucher von 16.30 – 19 Uhr zum Schäfchenzählen ans Nachtgatter beim Haus 104 kommen, der ehemaligen Wetterstation. Der Schäfer erzählt, dabei soll musiziert und vorgelesen werden. Bevor die Herde am nächsten Sonntagabend wieder zurück nach Altlandsberg gebracht wird, findet am gleichen Tag von 11 bis 16 Uhr noch ein großes Schäferfest statt.

Schäfer Knut Kucznik aus Altlandsberg.
Schäfer Knut Kucznik aus Altlandsberg.

© privat

Herr Kucznik, wir haben gehört, dass Sie mit 200 Schafen von Altlandsberg hinter der östlichen Stadtgrenze bis zum Tempelhofer Feld ziehen wollen. Stimmt das?

Nein, wir kommen nicht zu Fuß! Das würde ich den Berlinern nicht zumuten. Denken Sie nur an die vielen Straßensperrungen! Möglich wäre es schon. Ich würde mit den Schafen von Park zu Park ziehen. Aber im Ernst: Meine Tiere werden im Viehtransporter zum Tempelhofer Feld reisen.

Haben Sie keine Angst, dass die Tiere Radlern oder Skatern in die Quere kommen?

Natürlich nicht, ich bin ja Schäfer! Wer sonst könnte den Zauber vollbringen, 200 Schafe ohne Zaun auf einem Fleck zu halten? Meine zwei Hütehunde kommen natürlich auch mit und helfen. Vor acht Jahren bin ich bereits mit Schafen durchs Brandenburger Tor und den Tiergarten gelaufen.

Warum kommen Sie jetzt wieder zu uns in die Hauptstadt?

Wir Schäfer in Deutschland kämpfen ums Überleben und darauf wollen wir aufmerksam machen. 22 Staaten zahlen eine Weidetierprämie, die Bundesregierung hat sie abgelehnt. Man unterstützt uns zu wenig bei der wichtigen Landschaftspflege durch unsere Tiere. Es gibt unzählige Symbiosen zwischen Schafen und gefährdeten Pflanzen, die ohne unsere Schafherden aus vielen Naturschutzgebieten längst verschwunden wären. Wir leisten eine unverzichtbare Arbeit, doch unterm Strich mache ich ein Minus. Vielen Kollegen geht es wenig besser – sie können kaum den Mindestlohn erwirtschaften.

Wie stellen Sie sich die acht Tage auf dem Tempelhofer Feld vor?

Ich werde sicher nicht allein bei meinen Schafen bleiben. Unzählige Kitagruppen haben bereits ihr Kommen angekündigt, auf Schulklassen warte ich noch. Ich freue mich über jeden Besuch und gebe gerne Auskunft über meine Arbeit. Kinder können mit mir Schafe zählen und hüten üben. Am Sonntag in einer Woche findet dann das große Schäferfest auf der Neuköllner Seite statt. Schäfer aus dem ganzen Land reisen dazu an, es wird diskutiert. Eine Theatergruppe zeigt das Stück „Der Wolf“. Am Abend reisen die Schafe wieder nach Hause, zurück zu den Wiesen des Neuenhagener und Wegendorfer Mühlenfließes.

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