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10,7 Prozent des Unterrichts fiel 2017 an Berliner Schulen aus.

© Peter Endig/dpa

Unterrichtsausfall: Kitaplatzmangel hat Folgen für Schulunterricht in Berlin

Weil sie keinen Kitaplatz finden, bleiben viele Berliner Lehrerinnen zu Hause. Geeigneten Ersatz zu finden, ist schwer. Ein Beispiel aus Tegel.

Dieser Typ versaut jetzt regelrecht die Statistik. Kam im Februar als Quereinsteiger, mit der idealen Fächerkombination Mathematik und Informatik, Fächer, für die Lehrer dringend gesucht werden, und dann? Dann verließ er die Schule schon wieder, vier Wochen später. „Der hat gemerkt, dass es nicht seins ist“, brummt Roger Jungmann hinter seinem Computer.

Er tippt auf ein paar Tasten, starrt auf den Bildschirm und sagt: „Mit ihm hätte ich 99 Prozent Auslastung. Ohne ihn sind es 96 Prozent.“ 45 Lehrer hat die Julius-Leber-Schule in Tegel, diese Integrierte Sekundarschule, das bedeutet 96 Prozent Auslastung mit Lehrkräften. Für Schulleiter Jungmann ist das okay. „Das bekommen wir in den Griff.“ 96 Prozent bedeutet vier Prozent Unterrichtsausfall.

Er kennt ja auch andere Zahlen. 92 Prozent Auslastung, 10,7 Prozent Unterrichtsausfall. Das sind aktuell veröffentlichte Zahlen. Da lag die Leber-Schule berlinweit beim Unterrichtsausfall auf Platz zwei. Aber es sind Zahlen aus dem vergangenen Schuljahr. Aktuell hat sich die Lage erheblich verbessert.

Die Frage ist nur, wie lange? Denn Jungmann sagt auch: „Es droht ein Rückfall auf 92 Prozent.“ Und damit wieder auf zehn Prozent Unterrichtsausfall. Denn die Julius-Leber-Schule ist derzeit Opfer eines Riesenproblems. Und sie ist wohl nur eine von vielen Schulen in Berlin, die damit zu kämpfen haben.

Das Problem heißt Kitaplatz-Mangel

Eltern finden keinen Betreuungsplatz für ihre Kleinkinder, das hat direkte Auswirkungen auf Schulen, unter anderem auf Jungmanns Anstalt. Zu Beginn des neuen Schuljahrs und dann wenige Wochen nach Unterrichtsbeginn sollen insgesamt drei Lehrerinnen aus ihrem Erziehungsurlaub wieder an die Schule zurückkommen. Ihre Abwesenheit durch die Schwangerschaft war mitverantwortlich für den enormen Unterrichtsausfall im vergangenen Schuljahr. Insgesamt sind an der Leber-Schule zur Zeit sieben Lehrerinnen im Erziehungsurlaub oder schwanger.

Aber diese drei Pädagoginnen haben Jungmann schon mitgeteilt: „Wir finden keinen Kitaplatz.“ Alle drei wohnen in Gegenden, in denen der Kitaplatz-Mangel besonders groß ist. Wenn die Mütter keinen Platz für ihre Kinder finden, bleiben sie zu Hause. Und damit reißen sie Lücken, denn drei Lehrer werden im Sommer die Leber-Schule verlassen.

Der aufgeschreckte Schulleiter hat den Müttern schon eine Art Alarmbrief ausgestellt, zur Weitergabe an Kita-Leitungen. Die betroffene Mutter werde dringend an der Schule benötigt, man möge ihr bitte einen Kitaplatz geben, steht in dem Schreiben. Jungmann hat nur leider seine Zweifel, dass es hilft.

Er alarmierte auch die Schulaufsicht, und die Senatsbildungsverwaltung reagierte. Jungmann hat von ihr gerade ein Schreiben erhalten, er soll Angaben zu den betroffenen Lehrerinnen machen. Die Schulverwaltung will sich offenbar bei der Suche nach einem Kitaplatz einschalten. Wenn das nicht hilft, wenn die Mütter zu Hause bleiben müssen, „dann“, sagt Jungmann, „habe ich ein Problem. Dann muss ich Ersatz suchen.“

Die Suche nach Ersatz ist schwer

Und damit stößt er auf sein nächstes Problem. Es gibt ein Portal, auf dem berlinweit Quereinsteiger aufgelistet sind. Tolle Sache in der Theorie. In der Praxis ist Jungmann schon bei der Suche nach einem Nachfolger für den Quereinsteiger, der im März die Schule verlassen hat, fast verzweifelt.

Zwölf Kandidaten hat er angeschrieben, zehn haben überhaupt nicht geantwortet, einer sagte ab, einer sagte zu. Nur steht der dummerweise erst im neuen Schuljahr zur Verfügung. „Wer will schon an eine Schule am Rand der Stadt, die klein ist und keine gymnasiale Oberstufe besitzt?“ Jungmann gibt mit seinem Blick die Antwort.

Den Unterricht des abgewanderten Quereinsteigers fängt er mit internen Umstrukturierungen auf. Den Ausfall der Stunden durch die sieben schwangeren Lehrerinnen kompensierte er durch Quereinsteiger, Referendare, die ihr Stundenkontigent aufstockten, und Lehrer ohne Lehrbefähigung. Deshalb reduzierte sich der Unterrichtsausfall inzwischen auf vier Prozent. Mit entsprechender Verzögerung allerdings, versteht sich. Wie lange dauerte es, bis der Unterricht wieder in geordneten Bahnen verlief? „Mehrere Monate.“

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