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Liegen lernen. Mehrere hundert Demonstranten hatten am vorigen Sonnabend den Braunkohletagebau in Welzow besetzt.

© Wagner/dpa

Anti-Kohle-Protest in der Lausitz: Vattenfall wirft Aktivisten Straftaten vor

Die teilweise unfriedlichen Aktionen der Kohlegegner in der Lausitz haben ein Nachspiel – politisch und juristisch.

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Der Konzern Vattenfall hat schwere Vorwürfe zu den Anti-Kohle-Protesten am Pfingstwochenende in der Lausitz erhoben. Nach einer am Dienstagabend verbreiteten Erklärung des schwedischen Staatsunternehmens sind im Zuge der Klimaschutzaktion offenbar weit schwerere Straftaten begangen worden als bislang bekannt.

Konkret sind laut Vattenfall eine Bombenattrappe versteckt, Signalanlagen und mehrfach Gleise manipuliert worden, sodass am Dienstag „eine Lok beim Rangieren kurzzeitig entgleist“ sei. Manipulationen seien auch am Gleis auf einer Brücke über die Bundesstraße 97 festgestellt worden, hieß es. „Ein Entgleisen hätte hier den Absturz eines Zuges auf die B 97 zur Folge haben können.“ Die Protestierenden hätten die „Kontrolle über radikale Kohlegegner verloren“, erklärte Hartmuth Zeiß, Vorstandschef von Vattenfall Europe Mining. Er sprach von „massiven kriminellen Gewalttaten“, bei denen die Gefährdung von Menschen billigend in Kauf genommen worden sei. Der Konzern hat Strafanzeigen gestellt. 

Die Anti-Kohle-Proteste des internationalen Aktivistenbündnisses „Ende Gelände“ haben auch in Potsdam ein Nachspiel. Am Dienstag bemühten sich die Grünen im Brandenburger Landtag um Schadensbegrenzung, nachdem immer mehr Details zum Ausmaß der Beschädigungen bekannt geworden waren. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel und die Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock verurteilten die „Erstürmung“ des Kraftwerkes. Die sei unnötig und kontraproduktiv gewesen, sagte Axel Vogel dem Tagesspiegel: „Ich bewerte das aber nicht als Besetzung, sondern als Durchqueren des Kraftwerks mit Polizeibegleitung. Wäre es eine Besetzung gewesen, hätten die Demonstranten nicht das Weite gesucht, als die Polizei kam.“

Weit mehr als 2000 Menschen hatten sich beteiligt

Die Blockade, in deren Folge das Kraftwerk zum Notbetrieb gezwungen wurde, halten die Grünen aber weiter für legitim. An den Gleisblockaden ist aus Sicht von Annalena Baerbock nichts auszusetzen. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen erinnerte an die Anti-Atomkraft-Bewegung in Deutschland. Manchmal seien solche Protestformen nötig, um das Augenmerk auf Probleme zu lenken, „um Bilder ans Licht zu bringen“. Vogel legte Wert auf die Feststellung, dass die Grünen zwar zur Demo und zum Umwelt-Camp aufgerufen hätten, aber nicht zu der Aktion von „Ende Gelände“.

An der hatten sich wie berichtet weit mehr als 2000 Menschen aus vielen europäischen Ländern beteiligt. Sie forderten den sofortigen Ausstieg aus der klimaschädlichen Braunkohle. Mehrere Bagger und ein Verladekran im Tagebau Welzow-Süd wurden besetzt und das Kraftwerk Schwarze Pumpe durch Gleisblockaden von der Kohlezufuhr abgeschnitten, sodass es seine Leistung drosseln musste.

Nach dem Ende der Aktionen durch das Bündnis setzten am Sonntagabend laut Polizei rund 270 Kohlegegner die Besetzung von Betriebsgelände und Gleisanlagen fort. Einige wurden von der Polizei „von den Anlagen entfernt“. Am Samstagnachmittag war der Protest kurzzeitig eskaliert, als sich rund 300 Kohlegegner Zugang zum Kraftwerk verschafften. Sie gingen laut Polizei gewaltsam gegen das Sicherheitspersonal von Vattenfall vor, rissen Zäune nieder und stürmten auf das Gelände. Mehr als 130 Kohlegegner wurden vorübergehend festgenommen.

Neonazis wollten in das Camp vordringen

Daraufhin versammelten sich mehr als 500 Menschen vor dem Kraftwerk zu einer Demonstration gegen die Umweltaktivisten. „Wir wollten der Gewalt eine Absage erteilen und Solidarität mit den Beschäftigten zeigen“, sagte Oliver Heinrich, Leiter des Bezirks Nordost der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. Berichte, wonach an der Demo auch Neonazis teilnahmen, wies er empört zurück: „Wir haben eine 125-jährige Geschichte, viele Gewerkschafter sind in Nazideutschland ermordet worden. Wir würden nie gemeinsam mit Neonazis marschieren.“

Laut Polizei hatten allerdings bekannte Neonazis aus Spremberg zwei Mal versucht, zum Klimacamp, in dem sie wohl auch Mitglieder der Antifa vermuteten, vorzudringen. Sie waren auf dem Weg dorthin von der Polizei gestoppt worden und erhielten Platzverweise. Mitgeführte Gegenstände wie Quarzhandschuhe und Messer wurden beschlagnahmt. Die Polizei führt inzwischen gegen mehr als 130 Kraftwerk-Erstürmer Ermittlungen wegen des Verdachts des Landfriedensbruchs.

Im Zusammenhang mit der Gleis-Räumung wurden demnach außerdem gegen zwölf Personen Anzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gestellt, gegen 38 Personen wegen Sachbeschädigung an den Gleisen und gegen weitere 163 wegen gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr und wegen Hausfriedensbruchs.

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