Volksentscheid Tegel : FDP will für TXL vor Gericht ziehen
Die letzte Runde im Streit um den erfolgreichen Volksentscheid zum Weiterbetrieb des Flughafens Tegel wird wohl vor Gericht ausgetragen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Sebastian Czaja kündigte am Donnerstag an, vor den Verfassungsgerichtshof des Landes ziehen zu wollen, falls nach dem Senat auch die Mehrheit von Rot-Rot-Grün im Abgeordnetenhaus den Willen der Mehrheit der Berliner ignoriere und beschließen sollte, den Flughafen wie seit Jahren geplant zu schließen. Czaja stützt sich dabei auf ein weiteres Gutachten, das dieses Mal die von der FDP eingesetzte Expertenkommission zuvor vorgestellt hatte. Es sei der „letzte Weckruf“ für den Senat und das Parlament, sagte der Tegel-Befürworter.
Der Verwaltungsrechtsexperte Jan Ziekow von der Universität Speyer, die als führende Universität für das Studium der Verwaltungswissenschaften in Deutschland gilt, kommt zu dem Schluss, dass der Volksentscheid für den Senat verbindlich ist. Dieser müsse aktiv versuchen, alles zu unternehmen, um in Tegel weiter fliegen zu können. „Der „Verwirklichungswille“ müsse deutlich erkennbar sein. Es reiche nicht, nur „ergebnisoffen“ zu prüfen, ob ein Weiterbetrieb von Tegel möglich wäre.
Votum des Volksentscheids nicht bindend
Der Senat hatte von Anfang an klar gemacht, dass das Votum des Volksentscheids nicht bindend sei, weil nicht über ein Gesetz abgestimmt werde. Solche Volksentscheide sind bindend – wie etwa beim Tempelhofer Feld, bei dem eine Mehrheit es abgelehnt hatte, die Randflächen zu bebauen. Die Infrastrukturplanung für einen Volksentscheid in ein Gesetz zu packen, sei aber rechtlich nicht möglich, sagte Ziekow am Donnerstag. Nach der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte könnten konkrete luftverkehrsrechtliche Entscheidungen, insbesondere in Hinsicht auf ein eventuelles Planfeststellungsverfahren, nur von der Exekutive, nicht aber durch einen Volksentscheid getroffen werden.
... aber die Abstimmung sei keine "Volksbefragung"
Die Abstimmung sei aber trotzdem keine „Volksbefragung“ gewesen, sondern ein Entscheid mit einer Entscheidung. Ein Entscheid, der nichts entscheide, sei nämlich ein Widerspruch in sich, sagte Ziekow.
Sieht man ja auch nicht alle Tage aus dieser Perspektive: den Flughafen in Berlin-Tegel. Rechts das Terminal mit den zwei Pisten davor. Oben im Bild Flughafensee (rechts, der kleine) und der Tegeler See. Unten die Kleinanlagen zwischen Piste und Berlin-Spandauer-Schifffahrtskanal.
Flughafen Tegel, 1979. Die Maschine von British Airways ist in der Stadt - das Air-Berlin-Terminal im Hintergrund ist noch nicht mal in Planung.
Foto: Imago1974, Flughafen Tegel. Kurz vor der Eröffnung.
Foto: ImagoDer Flughafen im Innern, kurz nach der Eröffnung. Sieht fast so aus wie heute .... nur die Sitzbänke sind weg.
Foto: ImagoFlottenparade der 70er. In TXL wird gezeigt, was der Flughafen so alles zu bieten hat.
Foto: ImagoSind so grelle Farben: der Innenring von TXL.
Foto: ImagoKleines Bilderrätsel. Wo sind wir hier? Tegel-Kenner gähnen müde: Och, das ist die olle Boeing 707, die am Ende der TXL-Startbahn steht, im Westen. Es war die erste Lufthansa in West-Berlin, und zuletzt Trainingsflugzeug für die Feuerwehr. Unser Tagesspiegel-Autor war im Oktober 2014 mal wieder da.
Foto: Stefan JacobsStaatsgäste wie der chinesische Staatspräsident landen immer in Tegel, denn hier befindet sich der Regierungsflughafen auf dem militärischen, dem nördlichen Teil des Flughafens.
Foto: dpaWenn TXL einmal geschlossen wird. Wohnungen für 5000 Menschen (links, weiße Blöcke) sollen dort im Osten des Flughafens einmal entstehen. Das Quartier zieht sich vom Terminal bis zum Schumacher-Platz (rechts), wo heute die Busse enden.
Foto: Ralf Schönball, ImagoDas markante Sechseck von Berlin-Tegel. Eigentlich sollte es davon zwei geben (eins rechts davon, neben dem Tower) - es kam bekanntlich anders in TXL. In der Mitte ist das Parkdeck mit dem darunterliegenden Parkhaus zu sehen. Besonders kurz ist der Weg vom Taxi zum Gate - was jeder lobt.
Foto: dpaAir Berlin und Lufthansa sind wichtige Firmen hier am Airport TXL. Die ganz dicken Maschinen sind allerdings selten zu Gast - dieser A380 wurde 2012 auf den Namen "Berlin" getauft, natürlich in Berlin. Das Foto entstand auf der Besucherterrasse.
Foto: dpaBerlin-Siemensstadt und Berlin-Jungfernheide, 1958. Rechts entsteht gerade die Autobahn. Unten ist der Fürstenbrunner Weg zu erkennen (mit dem Abzweig zum S-Bahnhof Siemensstadt-Fürstenbrunn). In der Mitte verläuft die Siemensbahn. Ganz oben am Bildrand: der Flughafen Tegel - noch ohne das neue (und heutige Terminal).
Foto: ImagoEine kleine Reise in die Vergangenheit: Die Geschichte vom Flughafen Tegel beginnt im November 1948, Arbeiter beginnen die Erde für den neuen Flughafen Tegel zu glätten.
Foto: UllsteinBerliner Einwohner entfernen im August 1948 auf dem alten Schießplatz in Berlin-Tegel die vorhandenen Sandsäcke. Der Sand wird später mit LKW'S abtransportiert.
Foto: dpaPlanierraupen arbeiten im Jahr 1948 auf der Baustelle der zweiten Start- und Landebahn auf dem Flugplatz in Tegel. Wenige Monate später landen hier die ersten Flugzeuge.
Foto: dpaIm Jahr 1970 legt Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Schütz feierlich den Grundstein für den neuen Terminal am Flughafen Tegel.
Foto: dpaBlick auf den Rohbau des neuen Terminalgebäudes am Flughafen Berlin-Tegel.
Foto: dpaBauarbeiter beim Ausbau des Flughafens, aufgenommen Anfang 1972.
Foto: dpaBlick auf die erste fertig montierte Fluggastbrücke am Flughafen Berlin-Tegel im Jahr 1973.
Foto: dpaEine Air-France-Maschine rollt im Juni 1974 am neuen noch nicht ganz fertig gestellten Tower vorbei. Das neue Terminal-Gebäude wird am 23.10.1974 eingeweiht.
Foto: dpaDer Flughafen Tegel muss doch noch länger aushalten als gedacht - dabei stößt er bereits an seine Kapazitätsgrenzen. Auch die Bausubstanz stammt noch aus den 70er Jahren, als der heutige Terminal errichtet wurde. Eine kleine Reise in die Vergangenheit.
Foto: dpaZehn Staffeln braucht die Feuerwehr im strömenden Regen, um den Brand auf dem Flughafen Tegel unter Kontrolle zu bringen. -
Foto: dpaUnd er läuft und läuft und läuft .... Berlins Flughafen Tegel.
Foto: ReutersDie Feuerwehrmänner haben alle Hände voll zu tun, den Brand in der Quarantänestation neben dem militärischen Teil des Flughafens zu löschen. -
Foto: dpaGlutnester und der Wind machen den bis zu 150 Feuerwehrmännern zu schaffen. -
Foto: ddpEin Feuerwehrmann reißt eine einsturzgefährdete Wand der Halle ein. Die Quarantänestation dient dazu, eingeführte Tiere oder Menschen mit verdächtigen Symptomen auf Krankheiten wie die Vogelgrippe zu untersuchen. -
Foto: ddpDie Feuerwehrmänner sind mit Restlöscharbeiten beschäftigt. Es kann bis zum Nachmittag dauern, bis die letzten Glutnester gefunden und gelöscht worden sind. -
Foto: dpaDas Gebäude wird bei dem Brand schwer beschädigt. Auch der Flugverkehr ist beeinträchtigt, vier Maschinen müssen nach Schönefeld umgeleitet werden. -
Foto: ddpDoch was wird nun aus Tegel? Auf dem Gelände des Flughafens soll nach der spätestens für das Frühjahr 2012 geplanten Schließung ein "Forschungs- und Industriepark Zukunftstechnologie" entstehen. -
Foto: Thilo RückeisDas ist das Ergebnis der Konzepte, die sechs interdisziplinäre Architektenteams auf Basis der in den bisherigen Diskussionen entstandenen Nachnutzungsideen entwickelt haben. -
Foto: Thilo RückeisFluggastzahlen in Tegel steigen
Der Senat könne sich derzeit nicht darauf berufen, dass ein Weiterbetrieb von Tegel von vornherein unmöglich sei. Vielmehr sei die Landesregierung verpflichtet, eventuelle Schwierigkeiten zu beseitigen, was nach Ansicht von Ziekow auch möglich ist. So könne Berlin von Brandenburg verlangen, die Landesplanung, die festgelegt hat, nur einen Flughafen in Schönefeld zu betreiben, zu ändern, weil sich die Geschäftsgrundlage geändert habe. Die Fluggastzahlen stiegen weit mehr als ursprünglich prognostiziert worden war, und auch der Volksentscheid habe die Geschäftsgrundlage wesentlich verändert. Berlin könne einen Weiterbetrieb von Tegel auch in den Landesentwicklungsplan Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg einbringen, der derzeit erstellt wird. Eine Teilkündigung des Vertrages sei ebenfalls möglich.
Senat prüft derzeit die möglichen Folgen für die Stadtentwicklung
Der Senat hatte Ende März mitgeteilt, er habe sich mit dem Ergebnis des Volksentscheids intensiv auseinandergesetzt. Es sei eine „umfangreiche Folgenabschätzung eines möglichen Weiterbetriebs“ erarbeitet worden. Die rechtlichen, betriebswirtschaftlichen, finanziellen und stadtentwicklungspolitischen Konsequenzen „sowie die Auswirkungen auf Umwelt, Verkehr und Gesundheit“ sprächen gegen den Weiterbetrieb.
Auch der vom Senat beauftragte Gutachter Stefan Paetow, der früher Richter am Bundesverwaltungsgericht war, war zu dem Schluss gekommen, dass ein Offenhalten von Tegel nur möglich sei, wenn am BER die Kapazität nicht reicheEma.
Früherer Flughafenchef Romberg fordert Weiterbetrieb Tegels
Während Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup überzeugt ist, den BER bedarfsgerecht ausbauen zu können und dabei weiter mit zwei Bahnen auszukommen, forderte der frühere Flughafenchef Hans-Henning Romberg erneut den Weiterbetrieb von Tegel, weil eine dritte Startbahn benötigt werde, die am BER kaum zu bauen sei. Ansonsten werde die Abfertigungsqualität nach der BER-Eröffnung ganz schnell abnehmen. Umfragen, bei denen – wie Schönefeld-Alt – auch Tegel zu den schlechtesten Flughäfen der Welt gehören, seien nicht mehr aktuell, sagte Romberg weiter. Die schlechten Werte seien vornehmlich auf die unattraktiven Umsteigebedingungen bei Air Berlin im Terminal C zurückzuführen. Passagiere hätten wegen der baulichen Situation auf die Landseite und dann wieder auf die Luftseite wechseln müssen, während sie bei funktionieren Anlagen unkontrolliert auf der Luftseite bleiben könnten. Mit dem Ende von Air Berlin hätten sich diese Probleme erledigt, sagte Romberg, der Mitglied der Expertenkommission ist.
Lob aus Frankfurt am Main
Seine Kollegin Margarete Haase, die im Vorstand der Deutz AG und im Aufsichtsrat des Frankfurter Flughafens sitzt, hält Tegel für den effizientesten Flughafen der Welt. Und für Sebastian Czaja ist Tegel „Teil dieser Stadt“ – und das solle der Flughafen auch bleiben.