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Claudio Abbado (1933 - 2014)

© dpa

Claudio Abbado: Freiheit muss man aushalten können

In diesem Jahr wäre Claudio Abbado 90 geworden. Eine Box mit 257 CDs erinnert an den Dirigenten, der seine Mitmusizierenden stets zu selbstständigem Denken ermutig hat.

Eine Kolumne von Frederik Hanssen

Claudio Abbado war ein Künstler, der von seinen Fans nicht nur verehrt, sondern wahrhaft geliebt wurde. „Maestro“ wollte der italienische Dirigent nie genannt werden, denn er verstand sich als Teamplayer.

Allerdings erwartete er von den Menschen, mit denen er zusammen Musik machte, auch, dass sie sich nicht blind auf ihn verließen. Dass sie nicht nur mitmachten, wenn er den Taktstock führte, sondern eben auch mitdachten. In den Orchestern, mit denen er arbeitete, fiel das nicht allen leicht. Viele konnten mit Abbados Probenstil wenig anfangen, selbst bei den Berliner Philharmonikern, deren Chefdirigent er von 1989 bis 2002 war.

Den anderen zuhören, das war sein Credo

Denn Abbado erklärte kaum, sondern ließ problematische Passagen einfach immer wieder spielen. Im Vertrauen darauf, dass die Mitwirkenden schon selbst darauf kommen würden, was zu tun sei – wenn sie nur gut genug auf die Stimmen der anderen hören würden.

Gelebte Demokratie in der Musik, so lautete das Credo des Italieners. „Immer ging es ihm darum, die Musiker ihren eigenen Weg finden zu lassen. Damit verdiente er sich die nahezu grenzenlose Loyalität all jener, die keine Angst vor dieser Freiheit hatten“, erinnert sich Sid McLauchlan, der von 2007 bis zum Tod des Dirigenten 2014 als Produzent für die Aufnahmen zuständig war, die Abbado für die Deutsche Grammophon eingespielt hat.

In diesem Jahr wäre Abbado 90 geworden, und das Label hat aus diesem Anlass eine Box mit 257 CDs und acht DVDs herausgebracht. Eine auf 2650 Exemplare limitierte Coffeetable-Edition zum Preis von 760 Euro. Die „aufgrund des Umfangs“ allerdings nicht zur Rezension an die Presse verschickt wird.

Die aber, ehrlich gesagt, auch niemand braucht. Denn sie enthält weder Novitäten noch Überraschungen. Abbado-Fans haben die wichtigsten Aufnahmen längst in ihrer Sammlung, wer ihn neu entdecken will, ist mit den Angeboten der Streamingdienste bestens versorgt.

Wertvoll allerdings ist das Begleitbuch zur Box. Weil es alle ikonischen Fotos des kamerascheuen Künstlers versammelt - und sehr schöne, private Erinnerungen seiner engsten Weggenossen. „Wenn ich mit ihm Musik machen durfte, besaß er die (nicht weit verbreitete) Großzügigkeit, mich mitzunehmen auf seinen Flug zum Olymp“, schreibt Albrecht Mayer, seit 1992 Solo-Oboist der Philharmoniker, „und nach dem Konzert ging ich beseelt und beschenkt nach Hause, jedes Mal!“

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