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Kleine Karte, großes Glück.

© dpa/Boris Roessler

Ein Jahr Deutschlandticket: Es ist einfach, funktioniert und macht sogar Heimatgefühle

Die Nörgelei am 49-Euro-Fahrschein hat fast immer finanzielle Gründe. Als sei Gewinn nur eine Frage von Geld. Ein Glückwunsch.

Ein Zwischenruf von Ariane Bemmer

An dem Deutschlandticket wird anlässlich seines ersten Geburtstags an diesem 1. Mai viel herumgemosert, was vielleicht auch nicht anders zu erwarten war.

Und was wird da nicht alles aufgefahren: dass das Ticket das Klima nicht gerettet habe. Dass es nicht genug Menschen aus den Autos in die Busse und Bahnen gelockt habe. Dass es im ländlichen Raum mangels Infrastruktur sowieso nicht funktioniere.

Dass es mit viel zu viel Staatsgeld subventioniert werde und auch Reiche profitierten, während manche Armen es zu teuer fänden.

Dass die Regionalbahnen von Berlin an die Ostsee, die bei Sommerwetter ohnehin voll sind, jetzt überquellen lasse. Dass Fahrräder nicht gratis mitreisen können. Man könnte noch weiteres für die Moserliste finden – aber muss das sein?

Jedenfalls nicht dauernd! Lieber sollte man mal feiern, dass mit dem Deutschlandticket bewiesen wurde, dass Deutschland etwas kann, an das kaum noch jemand glauben wollte: Dass es etwas entwickeln und planen kann, das – Überraschung! – funktioniert und – noch mehr Überraschung! – unkompliziert ist.

Ein Angebot ohne Fußnoten, Ausnahmen, Unterpunkte, hurra

Ja, wirklich. Mit dem Deutschlandticket hat die deutsche Politik etwas ganz Einfaches zustande gebracht. Keine Unterpunkte, Fußnoten, Kleingedrucktereien. Kein Dies-aber-nicht und Das-aber-schon, kaum Ausnahmen, kein zweiter Boden. Das allein ist schon Grund genug für ein tiefes Durchatmen. Hurra, es geht.

Kurzer Einschub für jene, die das Deutschlandticket nicht haben: Man beantragt es einmal, bekommt dann eine Chipkarte und muss nichts weiter tun, als die dabeihaben, wenn man Busse, Bahnen oder Regionalzüge besteigt. Wo auch immer in diesem Land. Und das für 49,90 Euro im Monat (das sind 1,60 Euro pro Tag – und wenn der Arbeitgeber etwas dazu gibt, noch weniger).

Klingt nach Märchen. Ist aber wahr geworden. Hier in Deutschland, dem Land, in dem selbst Steuerberater ihre Steuererklärung nicht mehr verstehen, wo hunderte Millionen Euro zum Fenster herausflogen, bevor eine Pkw-Maut nicht kam, und das ansonsten klangvolle Vorhaben wie Deutschlandtakt und Deutschlandtempo gleich nach Vorstellung wieder in der Schublade versenkt. Gegen diese ganzen Peinlichkeiten strahlt das Deutschlandticket hell und gülden an.

Für 11,2 Millionen Menschen ist es eine Vereinfachung in einem immer komplizierter werdenden Leben, was sich auch im ÖPNV ausdrückt. Wer hat sich nicht schon in fremden Orten an Fahrkartenschaltern die Haare gerauft, weil ohne intensives Studium der Tarifstrukturverästelungen nicht ersichtlich wurde, welches Ticket jetzt das passende ist.

Tarifdschungel ade! Mit dem neuen Ticket ist man in Düsseldorfs Bussen und Bahnen so richtig wie in Berlins. Oder Hamburgs. Oder Geras. Oder oder oder....

© dpa/Thomas Banneyer

Von den vielen bedauernswerten Berlin-Besuchern ganz zu schweigen, die sich einen BVG-Fahrschein zwar gekauft, den aber nicht „entwertet“ hatten, weshalb sie bei Kontrollen staunend und ratlos zu Strafen verdonnert werden konnten.

Alles vorbei, überwunden, aus. Jedenfalls mit dem Deutschlandticket. Dadurch, dass es im ganzen Land gilt, transportiert es einen natürlichen Nutzanspruch, der wiederum eine Dazugehörigkeit mit sich bringt, ja regelrecht eine Art Heimatgefühl.

Wenn mein Berliner Fahrschein auch in Düsseldorf und Gera gilt, dann bin ich dort von Beginn an mehr eine von denen, die da wohnen. Oder zumindest problemlos wohnen könnten. Die niedrigschwellige Fahrt durchs Fremde erweitert Möglichkeiten.

Vergleichbar ist das vielleicht dem Gemeinsinn, den es global gesehen stiftet, wenn überall auf der Welt dieselben Fastfood- oder Mode-Ketten dieselben Waren anbieten. Und dem Zusammengehörigkeitsgefühl, das dadurch entsteht, dass in vielen Ländern dieselbe Währung gilt. Das kann eine schöne und erhaltenswerte Beruhigung für aufgeregte Gemüter sein.

Selbstverständlich neben all dem, was es daran sonst noch zu bekritteln gäbe.

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