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Hanteln wurden durch Corona zur begehrten Mangelware.

© dpa

Fit im Homestudio: Die Jagd nach der eigenen Hantel

Nach den Friseuren dürfen bald wohl auch die Fitnessstudios öffnen. Warum der Junge trotzdem nicht wieder hingeht. Eine Kolumne.

Von Andreas Austilat

Es gibt ja eine Reihe Branchen, die sich dieser Tage die bange Frage stellen, ob ihre Kunden wirklich wiederkommen, wenn sie jetzt endlich öffnen dürfen. Friseure zum Beispiel. Ich meine, wenn wir uns selbst gegenseitig die Haare schneiden, da spart man schon. Und das semiprofessionelle Haarschneidegerät, das wir aus diesem Grund angeschafft haben, war ja auch nicht billig. Das muss sich erst einmal amortisieren. Außerdem, wie soll das gehen, wenn ich ab nächster Woche mit Maske beim Friseur sitze? So ein Gummi hinter dem Ohr ist ja schnell durchgeschnitten, und dann fällt mir das Stoffding nutzlos vor die Füße.

Die Branche ist in Sorge

Auf eine weitere Branche, die sich ihrer Klientel nicht mehr sicher sein kann, hat mich unser Sohn aufmerksam gemacht. Er überraschte mich neulich beim Videochat mit der Bemerkung, er richte sich gerade ein eigenes Fitnessstudio ein.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog. Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

„Ein Fitnessstudio?“, echote ich, „du meinst, mit Laufband und Rudergerät und so?“ Man muss dazu wissen: Unser Sohn hat sehr gelitten, als sein Studio gleich zu Beginn der Krise schloss. Er fürchtete schon, all die Zeit und Mühe, die er in seinen Athletenkörper investiert hatte, seien nun vergebens. Schlimmer, er würde bald aussehen wie sein Vater. Das hat er zwar nicht gesagt, aber ich hatte den Eindruck, dass er das irgendwie meinte. „Nein“, unterbrach er meine düsteren Gedanken, „ich habe erst einmal nur ein paar Hanteln bestellt.“

Szenen wie bei Rossmann

„Hanteln“, wiederholte ich ihn zum zweiten Mal. „Ja, du ahnst nicht, wie lange ich auf die gewartet habe“, nahm er den Faden wieder auf und erzählte mir, dass er sich bis dahin mit diesen elastischen Bändern beholfen hätte. Und wie schwierig es war, noch ein paar zusätzliche Hantelscheiben zu bekommen. Als jetzt Decathlon wieder öffnete, hätten sich dort Szenen abgespielt, wie man sie vor ein paar Wochen nur vom Klopapier-Regal bei Rossmann kannte.

Ich stellte mir muskelgestählte Jungmänner vor, die um Hantelscheiben ringen. Will man nicht dabei sein. Ich sagte zunächst nichts mehr, während er mir weiter zu erklären versuchte, wie dramatisch die Lage auf dem Markt für Fitnessgeräte sei. Wer nicht wochenlang warten wolle, müsse derzeit Unsummen investieren.

Ich wandte meinen Blick kurz vom Tablet-Bildschirm ab und googelte „Hantelscheiben“. Tatsächlich, überall stand „sold out“. Wahrscheinlich sind derzeit ganze Heerscharen dabei, im heimischen Wohnzimmer Kommoden zu stemmen. Oder was sonst gerade zur Hand ist.

Geschäftsidee verpasst

„Mit Hantelbänken ist es noch schlimmer“, fuhr mein Sohn fort. „Die haben vor der Krise nur ein Bruchteil von dem gekostet, was jetzt im Onlinehandel aufgerufen wird.“

Mist, dachte ich, wieder eine Geschäftsidee verpasst. Ich meine, es soll ja Leute geben, die sich allein dadurch finanziell saniert haben, weil sie als Erste erkannt hatten, dass alle Welt demnächst nach Schutzmasken verlangen würde. Sie orderten rechtzeitig kubikmeterweise Masken für Centbeträge und verkauften sie teuer bei Ebay. Was ich natürlich moralisch extrem verwerflich finde. Hätte ich nie gemacht. Aber Hantelbänke? Die zu horten hätte ich jetzt nicht so schlimm gefunden.

„Jedenfalls habe ich eine gefunden“, zog der Junge meine Aufmerksamkeit wieder an sich. „Wird schon in den nächsten Tagen eintreffen.“

„Ja, aber die Fitnessstudios sollen doch wieder öffnen dürfen, dann brauchst du das Teil gar nicht mehr“, wandte ich ein.

„Ach, weißt du“, gab er zurück, „jetzt, wo ich den ganzen Kram zu Hause habe, weiß ich gar nicht, ob ich da noch hingehe. Du sagst doch immer, ich soll sparen.“

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