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Das ausgebrannte Passagierflugzeug auf dem Flughafen Scheremetjewo.

© Uncredited/Moscow News Agency/AP/dpa

Flugzeugunglück in Moskau mit 41 Toten: Menschen starben, weil andere ihr Handgepäck retteten

Warum kamen bei der Bruchlandung einer Aeroflot-Maschine in Moskau 41 Menschen ums Leben? Eine Chronik der Katastrophe.

Von Oliver Bilger

Die Aufnahmen des Unglücks sind verstörend und lassen allenfalls erahnen, welchen Horror die Menschen an Bord von Flug SU1492 durchleben mussten. Aufnahmen aus der Unglückmaschine, einem Suchoi Superjet-100, zeigen beim Blick aus der Kabine lodernde Flammen. Hilferufe sind zu hören auf den Videos, die im Internet kursieren.

Zuvor war die Aeroflot-Maschine, die am Sonntagabend vom Moskauer Flughafen Scheremetjewo in Richtung Murmansk, ganz im Norden Russlands, gestartet war, wegen Problemen umgekehrt. Eine knappe halbe Stunde nach Abflug setzte sie wieder in Moskau auf. Bei der Notlandung schlug der Passagierjet mehrfach auf den Boden und ging in Flammen auf. Was genau geschah, wollen Ermittler in den nächsten Tagen rekonstruieren. Am Montag stellten sie die Flugschreiber sicher. Die Untersuchungen sollen „so sorgfältig wie möglich“ erfolgen, forderte Präsident Wladimir Putin.

41 Menschen überlebten Unglück nicht

Nach ersten Erkenntnissen wurde durch das Aufschlagen bei der Bruchlandung das Fahrwerk des Flugzeugs zerstört. Flugzeugteile seien in den Tank geflogen. Der Tank der Maschine sei zu dem Zeitpunkt voll mit Treibstoff gewesen. Über die Opferzahl herrschte erst spät in der Nacht auf Montag Klarheit. Alle Insassen seien gerettet worden, hieß es in ersten Meldungen. Später war von einem Toten die Rede, dann von 13 Opfern. Als die Sprecherin des Ermittlungskomitees kurz vor Mitternacht am Flughafen vor Journalisten trat, erwähnte sie zunächst die Überlebenden der Tragödie: „33 Passagiere und vier Besatzungsmitglieder.“ Erst auf Nachfrage nannte sie die Zahl der Todesopfer, dabei sichtlich um Fassung ringend: 41 Menschen haben das Unglück nicht überlebt, darunter mindestens zwei Kinder. Rettungskräfte bargen am Montag die letzte Leiche aus dem ausgebrannten Wrack.

Ein überlebender Passagier, Dmitri Chlebuschkin, sagte der Agentur RIA Nowosti, er habe ein „weißes Licht“ gesehen. „Die Landung war hart“, er habe „vor Angst fast das Bewusstsein verloren“. Viele Menschen wurden wegen Verbrennungen, Rauchvergiftungen und Brüchen in Krankenhäuser gebracht, wie Rettungskräfte berichteten.

Suche nach Ursachen läuft auf Hochtouren

Zuvor soll es an Bord einen technischen Defekt gegeben haben. „Wegen eines Blitzschlags haben wir den Funkkontakt verloren“, sagte Denis Ewdokimow der Zeitung „Komsomolskaja Prawda“. Er habe den Superjet im Havariemodus steuern müssen. Feuer gefangen habe das Flugzeug erst nach der Bruchlandung. Die Geschwindigkeit beim Aufsetzen sei „normal“ gewesen. Er wies damit Vermutungen zurück, die Maschine sei mit zu hohem Tempo im Anflug gewesen. Aeroflot bescheinigte dem Piloten eine große Erfahrung.

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In Medienberichten war zuvor auch von einem Feuer an Bord die Rede, die der Grund zur Umkehr gewesen sein soll. Ermittlungen laufen in alle Richtungen: neben schlechten Wetterbedingungen sollen auch technische Störungen sowie Fehler der Piloten, Fluglotsen oder bei der Wartung in Betracht gezogen werden. Die seit 2017 eingesetzte Maschine war erst im April technisch gewartet worden. Der Superjet-100 ist der erste neu entwickelte Passagierjet seit Zusammenbruch der Sowjetunion. Seit 2011 sind die Maschinen zugelassen. Immer wieder gab es Berichte über Pannen und Zwischenfälle. Bei einem Probeflug des Kurzstreckenfliegers starben 2012 in Indonesien 45 Menschen. Doch ein vergleichbares Unglück hat es mit dem Flugzeugtyp bisher nicht gegeben. Russlands Verteidigungsministerium teilte entsprechend mit, es liege zur Zeit kein Grund vor, das Modell am Boden zu lassen.

Evakuierung verlief nicht reibungslos

Fragen wirft auch das Verhalten einiger Passagiere auf. Zwar dauerte die Evakuierung über Notrutschen nach Aeroflot-Angaben nur 55 Sekunden. Auf Videos von der Unglücksstelle sind allerdings Überlebende zu sehen, die sich von dem brennenden Wrack entfernen – und dabei Handgepäck tragen. „Der Hauptgrund für den Tod von Menschen im Heckbereich war der Versuch einiger Passagiere, ihre Habseligkeiten von den Gepäckablagen zu bekommen“, schrieb die Agentur Interfax. Eine Stewardess berichtete von Insassen, die trotz anderslautender Anweisungen, versucht hätten, ihre persönlichen Gegenstände aus den Gepäckfächern zu nehmen. Alles sei sehr schnell gegangen, zitierte die Nachrichtenseite Lenta.ru die Flugbegleiterin Tatjana Kasatkina: „Ich habe die Passagiere herausgestoßen. Ich habe jeden am Kragen gepackt, um die Evakuierung nicht zu verzögern.“

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