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Verteidigt: Der Gründer des Magazins "Stern" Henri Nannen.

© dpa

Antisemitismus-Vorwurf: Ehemaliger „Zeit“-Herausgeber Theo Sommer verteidigt Henri Nannen

Eine NDR-Recherche zur NS-Vergangenheit Henri Nannens sorgt weiter für Wirbel, die Familie des „Stern“-Gründers droht mit juristischen Schritten. Nun äußert sich „Zeit“-Herausgeber Theo Sommer.

Die Debatte um die NS-Vergangenheit Henri Nannens (1913-1996) reißt nicht ab. Nun nimmt der ehemalige „Zeit“-Herausgeber Theo Sommer den „Stern“-Gründer in Schutz. „Ich halte Henri Nannens innere Umkehr für vorbildhaft, seine offenherzige Bußfertigkeit, seinen Einsatz für Rechtsstaatlichkeit, innere Liberalität und Humanitas“, schreibt Sommer in einem Beitrag für die „Zeit“.

Nannen sei einer von jenen gewesen, „welche die zweite deutsche Republik zum freiheitlichsten und lebenswertesten Staat gemacht haben, den unsere Geschichte je hervorgebracht hat“.

Nach Recherchen des zum NDR gehörigen Youtube-Kanals „Strg_F“ über antisemitische Flugblätter, an denen Nannen in leitender Position beteiligt gewesen sein soll, war eine neue Diskussion über dessen Haltung zum NS-Regime entbrannt. Der Verlag Gruner + Jahr lässt Nannens Biografie durch eine Kommission durchleuchten.

Der bisherige Nannen Preis wurde in diesem Jahr als „Stern“-Preis vergeben, die Streichung des Namens aus dem Impressum des Magazins und eine Umbenennung der Henri-Nannen-Schule stehen im Raum. Nannen war Gründer, langjähriger Herausgeber und Chefredakteur des „Sterns“.

Medienanwalt Christian Schertz schickte unterdessen im Auftrag der Familie Nannen ein Schreiben an NDR-Intendant Jochen Knuth. Die konkrete Berichterstattung im NDR-Beitrag bei „Zapp“ und „Strg_F“ sei „schlicht als falsche Tatsachenbehauptung anzusehen“, schreibt der Jurist.

„Die Verantwortung Nannens an der Propagandaarbeit des 'Südstern' ist unstrittig.“

Der NDR wird gebeten, die Beiträge künftig in Zukunft mit dem Hinweis zu versehen, „dass es für eine Beteiligung von Henri Nannen an den konkret eingeblendeten Flugblättern keinen Beweis gibt“. Zudem müsse die Behauptung „Nannen: Seine Rolle als Chef einer SS-Propagandaeinheit“ mit der dazugehörigen bildlichen Gestaltung offline genommen werden. Andernfalls werde es zu einer juristischen Auseinandersetzung kommen, kündigt der Anwalt an.

Der NDR prüfe das Schertz-Schreiben derzeit, sagte eine NDR-Sprecherin. „Den Beiträgen des NDR zu Henri Nannen und seiner Verantwortung für die Propagandaarbeit des 'Südstern' liegen eigene juristisch geprüfte und ausführlich dokumentierte Recherchen zugrunde“, betonte sie.

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„Die Verantwortung Nannens an der Propagandaarbeit des 'Südstern' ist unstrittig.“ Selbst der „Stern“ habe 2014 geschrieben: „Sir Henri war der Boss.“ Weitere Quellen bestätigten das, so die Sprecherin.

Sommer, der bis 1993 Chefredakteur der „Zeit“ und bis 2000 einer der Herausgeber der Wochenzeitung war, schreibt, Nannen sei nicht der Einzige gewesen, der nach 1945 eine innere Umkehr vollzogen habe, „aber er vollzog seine Abkehr von dem verbrecherischen braunen Aberwitz in Worten wie in Taten“. „Dabei verschwieg er seine eigene Rolle nicht. Früh gestand er, er habe gewusst, dass in Nazi-Deutschland wehrlose Menschen vernichtet wurden“, schreibt Sommer.

Nannen eine Vorbildhaftigkeit abzusprechen, schlage die Erkenntnis in den Wind, dass Menschen hinzulernen können. „Das sollten auch jene einsehen, die sich in der Gnade der späten Geburt schuldfrei wissen. Das Bleigewicht der Geschichte werden auch sie nicht los“, argumentiert Sommer. (epd/Tsp)

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