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Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu Gast bei Dunja Hayali.

© ZDF/Jule Roehr

Sommertalkshow mit Dunja Hayali: Jens Spahn kommt aus der Defensive nicht heraus

Beim Auftakt des Sommertalks mit Dunja Hayali ging es um Pflege in Pandemie-Zeiten. Der Gesundheitsminister sah sich angriffslustigen Pflegekräften gegenüber.

Die Pflegefachkraft Branka Ivanisevic ist nicht gut auf den Gesundheitsminister zu sprechen. „Wir standen ohne Schutzausrüstung da und das kann ich Ihnen nie vergessen“, sagt sie über die Anfangszeit der Coronakrise in ihrem Pflegeheim. Jens Spahn (CDU) bleibt da nicht viel mehr, als bedröppelt zu gucken.

Die Szene steht exemplarisch für den Verlauf von Dunja Hayalis Talkshow zum Pandemie-Alltag in Pflegeheimen. Denn richtig aus der Defensive kam Spahn in der Sendung nicht mehr. Für die Diskussionsrunde hatte die Redaktion auf ein altbewährtes Talkshowprinzip gesetzt: Verantwortliche Politiker treffen auf die Menschen, die deren Entscheidungen umsetzen müssen.

Spahn saß neben der Pflegefachkraft und Gewerkschafterin Ivanisevic auch Helmut Wallrafen, Geschäftsführer der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach, gegenüber. Aus München zugeschaltet war die TV-Moderatorin Andrea Kaiser, deren Vater in einer Pflegeeinrichtung lebt und an Covid-19 erkrankte.

Hayali bringt Botschaften aus dem Pflegeheim mit

Das ZDF sendet Hayalis Format wie die Jahre zuvor, während die anderen großen Talkshows in der Sommerpause sind. Fünf Folgen zu verschiedenen Themen sind geplant, darunter Massentierhaltung und häusliche Gewalt. Am Thema Corona aber kam auch Hayali in der ersten Folge nicht vorbei.

Ein Großteil der an und mit Covid-19 Gestorbenen, so die Moderatorin, habe in einem Altenpflegeheimen gelebt. „Was muss sich ändern? Was brauchen Pflegekräfte wirklich?“, fragte Hayali– und begab sich zu Beginn gleich selbst auf die Suche nach den Antworten.

Dunja Hayali zu Besuch im Altenpflegeheim.

© ZDF/b.vision

Hayali besuchte dafür ein Altenpflegeheim in Berlin-Neukölln und sprach mit Bewohnerinnen und Pflegerinnen über die Problem. Ins Studio brachte sie die Bitte einer Pflegerin an Gesundheitsminister Jens Spahn: „Wir brauchen mehr Zeit und mehr Personal.“

Einen Appell, den Spahn in der Sendung nicht das letzte mal zu hören bekam. Auch die angriffslustige Pflegekraft Ivanisevic wünschte sich mehr Zeit für ihre Arbeit. „Sie machen schon sehr viel“ sagte sie in Richtung Spahn, „Aber sie müssen noch viel mehr machen.“

Die „blödeste aller Antworten“

Spahn zollte den Pflegerinnen und Pflegern Respekt und versprach für eine möglich zweite Welle: „Wir sind besser vorbereitet, ohne Zweifel.“ Doch schon beim nächsten Thema kam er ins Schwimmern: die Prämien für die Pflegerinnen und Pfleger. In der Altenpflege gibt es diese schon – anders als in den Krankenhäusern.

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Weil beides jedoch unterschiedliche Systeme sind, konnte Spahn nur die „klare Erwartung an die Arbeitgeber und Krankenhausbetreiber“ formulieren, dass sie ihren Pflegekräften ebenfalls einen Bonus zahlen. Dass dies die „blödeste aller Antworten“ ist, wusste er dann selbst.

Spahn beschwerte sich über das negative Image der Pflege

Spahns Defensivkurs gipfelte darin, dass er sich nach einer guten halben Stunden beschwerte, dass noch kein einziges positives Wort über die Pflege verloren worden sei. Pflegefachkraft Ivanisevic hatte zuvor kritisiert, dass sie ihrer Tochter nicht empfehlen könne, ihren Beruf zu ergreifen.

Die Talkrunde bei Hayali diskutierte etwas zu detailverliebt.

© ZDF/Jule Roehr

„Wenn sie in so einer Sendung sagen, ich kann meine Tochter nicht in so einen Beruf reinlassen – wie soll sich denn das Image des Berufes verändern, wenn niemand positiv drüber redet?“, fragte der Gesundheitsminister - und ließ den Respekt, den er Pflegekräften anfangs versprochen hatte, dabei vermissen. Ivanisevic konterte gewohnt schlagfertig. Dass würde sich nur ändern, „wenn derjenige, der den Beruf ergreift auch sein Miete bezahlen kann und mit einem guten Gefühl nach Hause geht“.

Die Beteiligten diskutierten über fachliche Details

Beim Auftakt von Hayalis Sommerreihe zeigte sich der Nachteil des Politiker-trifft-Betroffenen-Prinzips der Sendung: Alle Beteiligten diskutierten wild und detailverliebt über den Prozentsatz, den Heimbetreiber Wallrafen für Personalkosten ausgibt (70), die Höhe der Rendite der Pflegeheimbetreiber (2-14 Prozent) und die Vorteile der generalistischen Ausbildung in der Pflege (sie bringt ein besseres Image). Das blieb oft was für Kenner der Materie.

„Mehr Geld bedeutet mehr Arbeitskräfte und mehr Arbeitskräfte bedeutet mehr Zeit“, versuchte Hayali,die Sendung dann am Ende zusammenzufassen. Spahn konnte es sich da nicht verkneifen einzuwerfen, dass mehr Vorgaben auch mehr Kontrollen und damit mehr Dokumentationsaufwand bedeuten würden.

Zum Schluss durfte auch noch Kaeser sprechen

Darüber würde beim nächsten mal diskutiert, versprach die Moderatorin. Man glaubt sofort, dass diese Runde auch 45 Minuten über Dokumentation diskutieren könnte. Nur, ob man dabei vor dem Fernsehen zuschauen möchte, ist eine andere Frage.

Den Abschluss der Sendung bildete unerklärlicherweise ein Einzelinterview mit Siemens-Chef Joe Kaeser. Das Format sei eines ihrer Herzensanliegen, so Hayali vor der Sendung. Man hätte ihr mehr Zeit für Nachfragen gewünscht, aber die Zeit drängte.

„Die Coronakrise hat etwas Gutes gehabt, wenn die Welt etwas aus ihr gelernt hat. Daran werden wir gemessen werden“, sagte Kaeser als Schlusswort. Das gilt nicht nur für den Siemens-Chef, sondern auch für Gesundheitsminister Jens Spahn.

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