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Fertig zur Landung. Ein tiefer Blick, ein lockerer Spruch, und ab geht's. Was in der Theorie einfach klingt, erweist sich in der Flirt-Praxis als kompliziert.

© Klaus-Peter Adler / Fotolia

Flirten: Spruchlandung

Mit welcher Masche kommt man am besten bei Frauen an? Das fragten sich unsere Autoren. Und wagten den Selbstversuch.

Wir haben eine Wette verloren, dabei waren wir uns so sicher, zu gewinnen. Es ging um unsere Freundin Steffi und die Männer. Sie wollte sich verlieben, unbedingt. In diesem Sommer sollte es passieren, bis Ende Juli. Steffi hat alles versucht, sie hat ältere Typen getroffen und jüngere. Manchmal ging sie gleich mit ihnen ins Bett, ein anderes Mal wartete sie mehrere Wochen. Aber nichts hat funktioniert. Scheint, als sei die Sache mit der Liebe doch nicht so einfach. Nicht einmal im Sommer.

Dabei balzen momentan alle wie bekloppt. Sommerzeit ist Paarungszeit. Die Typen plustern sich auf wie Pfaue, die Frauen stöckeln aufgestrapst durch die Gegend. Eine sieht umwerfender aus als die andere. Überall nur Kleider, Dekolletés, Hintern. Es ist wie beim Abschlussball. Du weißt nicht, welche du zuerst auffordern sollst, am liebsten jede. Aber so ist er nun einmal der Paarungstanz. Beim nächsten Song wird abgeklatscht. Und: Partnerwechsel.

Selbst Steffi war irgendwann so weit, dass sie anfing, Typen zu sammeln wie Bilder fürs Paninialbum. Den Eishockeyprofi, den Schriftsteller, den Seemann. Irgendwie muss man ja Ordnung ins Chaos bringen. Aber der richtige war nicht dabei. Schöne Scheiße!

Zur Strafe müssen wir jetzt drei ihrer schlimmsten Bekanntschaften nachspielen, das war der Wetteinsatz. Drei Rollen hat sie uns gegeben - irgendwo zwischen Superproll und Schmerzensmännlein. Anmaßend sollen wir sein, ordinär und peinlich. So richtige Aufreißer eben. Steffi meint, das würde uns nicht schwer fallen. Na, ja. Wettschulden sind Ehrenschulden. Ihr Auftrag: Welche Masche kommt am besten an? Welcher Typ ist ein Don Juan und welcher ein Don Quijote? Das Los entscheidet darüber, wer von uns welche Tour probiert. Björn gibt die Brechstange, Jonas spielt Schmerzensmann und Yuppie. Los geht's.

Die Brechstange

Erst mal eine Brandenburgbrause zum Warmwerden. Die Barkeeperin schiebt den Wodka Energy über den Tresen und zwinkert mir zu. Geht ja gut los. Samstagabend in der Alten Kantine, in der Kulturbrauerei. „Megapearls“ heißt die Partyreihe, die besten Hits der 80er, 90er und von heute. Kommt gleich nach Ü-30 Schaumparty, Stumpf ist Trumpf, heißt es heute Abend. Wer hier alleine nach Hause geht, ist selber schuld. Genau der richtige Laden für die Brechstange: Je weniger reden, desto besser. Jedes Gespräch ist eine Verspätung. Endstation: Schlafzimmer.

Das Muskelshirt zwickt unter den Achseln. Ich erinnere an einen Kleinstadtluden, nur das Klappmesser in der Hosentasche fehlt. Der DJ spielt „M&F“ von den Ärzten, ich wippe in den Knien. Ein Mädchen mit drei Haarfarben lächelt. „Ey Bunny“, sage ich und versuche, ihr auf den Hintern zu klapsen. Und weg ist sie. Prollgehabe im Prollschuppen - klappt wohl doch nicht.

Strategiewechsel: Als ein Mädchen an der Bar gerade ihren Tequila Shot herunterkippen will, stürze ich auf sie zu. „Stopp! Trink, das nicht!“, rufe ich. „Ich habe beobachtet, wie ein Typ dir da was reingetan hat.“ Den Spruch habe ich aus einem dieser hirntoten Ratgeber abgekupfert, „In 80 Frauen um die Welt.“  Ich bestelle uns zwei neue Shots. Wir unterhalten uns, wenn man das so nennen kann.

Viermal war sie diese Woche im Fitnessstudio, schnattert sie drauflos. Ich glotze  auf ihr Piercing in der Wange.  Sieht aus wie ein Nagel, den man durch ein Kilo Make-Up geprügelt hat, meine Hand wandert über ihren Rücken. Plötzlich taucht so ein braungebrannter Stiernacken neben ihr auf. Ihr Freund. „Nächsten Donnerstag um 22 Uhr im „Zumiroderzudir“ flüstere ich ihr ins Ohr. Sie schüttelt den Kopf. Ich trotte von dannen. Alleine.

 

Der Schmerzensmann

Mein Blick ist gequält, aber eigentlich kann ich nur an ihren Arsch denken. Es ist ja so: Will ein Mann einer Frau beim ersten Kontakt ein Kompliment machen, muss er sich an die Regeln halten, das hat schon der verstorbene Reporter Marc Fischer gesagt. Erlaubt ist es, über ihren lyrischen Blick zu reden, oder darüber, dass ihr Gang aussieht wie ein Konzert von Verdi. Verboten sind Kommentare über Ärsche und Titten. Auch wenn ihr Hintern aussieht als könnte er die Welt vom Leid befreien, und ihre Brüste wie kleine Planeten wirken, um die das ganze Universum zu  kreisen scheint. Sage ich was darüber, denkt sie ich sei ein Perverser.

Also eben die Schmerzensmannmasche. Ich sitze in einem  Café an der Oranienburgerstraße. Schwarzes Kordsakko und Schaal – als käme ich geradewegs aus einem Jazzcafe gestolpert. Ich schwitze. „Entschuldigung, hast du eine Aspirin?“, frage ich mit brüchiger Stimme ein Mädchen vom Nachbartisch. Der ganze Weltschmerz in meinen Augen. „Es ist wegen Syrien.“ Sie schmunzelt. Ihre blonden Locken wippen auf und ab.

Kaum zu fassen, aber ich darf mich dazu setzen. Sie bestellt eine Weißweinschorle. Ich auch. Sie sagt, dass sie Paris liebt. Ich auch. Sie erzählt, dass sie gern ins Ballett geht. Was für ein Zufall! Ich auch. Anpassung heißt die Strategie, so schleimig und selbstverleugnend wie möglich. Ich fühle mich wie ein Chamäleon und sie bestimmt die Farben. Aber auch die Masche zieht nicht, zweimal hat sie schon gegähnt. Scheinbar steht sie nicht auf Schwächlinge. Trotzdem reiße ich eine Seite aus meinem Moleskin und schreibe meine Nummer drauf. Mit Herzchen natürlich. Von ihr kommt ein mitleidiges Lächeln – seitdem kein Kontakt. Hätte ich doch bloß was Nettes über ihren Hintern gesagt.

Der Yuppie

Diese gottverdammten Schuhe, viel zu eng. Aber ist eben Hugo Boss – nur das zählt. Glattes Leder, italienscher Stil. Ich sehe aus, als wäre ich aus dem Film Wall Street gefallen. Summend gehen die Fahrstuhltüren auf.

Die Bar 25 hatte die Anarchie, das Berghain hat seinen Mythos - und das 40-Seconds in Tiergarten diesen dämlichen Fahrstuhl. Der Laden ist ein Angeberschuppen – alle tun so als ob. Immer geht es ums Geld, um Testosteron und um Miniröcke. Perfekt. Ich marschiere mit meiner schmierigen Frisur schnurstracks an die Bar und schaue so, als wären alle anderen Menschen eine Zumutung.

Auf der anderen Seite stehen sie: Der Pferdeschwanz und Miss Miesepeter. Dem Pferdeschwanz bestelle ich ein Glas Champagner, Miss Miesepeter ein Glas Milch. Die Strategie habe ich von einer Freundin. Dann gehe ich rüber. „Kann es sein dass du ein Arschloch bist?“ Kann nichts dafür, sage ich, schwere Kindheit. Viel Geld, wenig Liebe. Außerdem sei Milch gut für die Knochen. Der Pferdeschwanz lacht, aber Miss Miesepeter sieht aus als hätte ich über den Holocaust gewitzelt.

Ich erzähle, dass ich gerade aus New York wieder gekommen bin. In Wahrheit war ich gerade in Steinfeld, einem Kaff bei Osnabrück. Ich rede über die Cocktailpartys dort und meinen Onkel - angeblich Filmproduzent, kennt auch  Sylvester Stallone und so. Den Pferdeschwanz scheint der Mist beinah zu interessieren. Zwischendurch nippe ich borniert an meinem Moscow Mule - schmeckt in New York natürlich viel besser. Mehr Gurken, weniger Salz.

Dann erzählt sie über ihr Pferd, Honey heißt das Vieh. Ich gebe mir keine Mühe, sonderlich interessiert auszusehen - und dann geht alles in die Hose. Die Geschichte, wie ich meine Modelfreundin abserviert habe, war dem Pferdeschwanz dann doch zu peinlich. Passt zu der Blase, die gerade in meinem Fuß geplatzt ist. Miss Miesepeter höhnt, als die beiden auf die Toilette verschwinden. Ich humpele wieder Richtung Fahrstuhl.

 

Das Fazit

Aufreißer - was für ein bescheuertes Wort! Drei Maschen, drei Niederlagen. Nur Steffi hatte ihren Spaß. Das mit der großen Liebe hat sie übrigens erst mal aufgegeben. Denn eigentlich ist sie sowieso nur verliebt ins verliebt sein selbst. Wie wir alle.

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