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Prag hält auf Tradition. Jetzt wird mit einer gebrochen.

© Stefan Jacobs

Gendern auf Tschechisch: Nicht länger „Benesova“

Klare Mehrheit im Parlament: Tschechiens Frauen dürfen Endung -ova aus ihrem Familiennamen streichen.

Während in Deutschland um Doppelpunkte und Sternchen gestritten wird, soll in Tschechien weniger gegendert werden. Was paradox scheint: Es ist ein Schritt in Richtung größerer Selbstbestimmung für die Frauen. Mit einer Mehrheit von 91 gegen 33 Stimmen verabschiedete die Abgeordnetenkammer des tschechischen Parlaments in dieser Woche eine Gesetzesänderung, die es den Frauen erlaubt, die in den slawischen Sprachen übliche und in Tschechien vorgeschriebene Endung -ova an ihrem Familiennamen zu streichen. Jetzt muss noch die zweite Kammer, der Senat, zustimmen.

Die weibliche Endung bekommen tschechische Mädchen bereits in das Geburtsregister eingetragen. Weglassen dürfen Frauen sie bisher nur in Ausnahmefällen, beispielsweise wenn sie einen Ausländer heiraten. Selbst ausländischen Politikerinnen oder Künstlerinnen wird oft ein -ova angehängt. So wird aus Angela Merkel eine Angela Merkelova und Nicole Kidman zu Nicole Kidmanova. Feministinnen und Politikerinnen, voran die frühere Justizministerin Helena Valkova, haben viele Jahren für eine Aufhebung dieses Zwangs gekämpft. In der benachbarten Slowakei ist das schon möglich.

Ein Besitzverhältnis wird angezeigt

Die meisten Linguisten hingegen lehnen die Streichung ab. Die Endung -ova finde sich schon in ältesten Zeugnissen der tschechischen Sprache. Zudem würde ihre Abschaffung zu „grammatikalischen Konfusionen“ führen, meint der Sprachwissenschaftler Karel Oliva. Ohne die Endung könne in der tschechischen Sprache das Geschlecht des Sprechers nicht mehr kenntlich gemacht werden. Automatisch entstehe so in jedem Fall der Eindruck, es spreche ein Mann, „was zu Diskrepanzen in der Kommunikation“ führe.

Valkova verwirft das historische wie das grammatikalische Argument. Zwar habe der Gebrauch der Endung -ova Tradition, doch erst seit 1945 sei er staatlicher Zwang. Wichtiger noch ist ihr: die Endung -ova sei in den slawischen Sprachen possessiv. Der Familienname „Benesova“ spiegele also ein Besitzverhältnis oder eine Unterordnung: die Frau von Herrn Benesov.

Umfragen zeigen, dass nur ein Drittel der Tschechen, Männer und Frauen, sich explizit für die Änderung aussprechen. Aber darum geht es Valkova nicht. In der Begründung ihrer Initiative schreibt sie, jede Frau habe ihre subjektive Entscheidungsmöglichkeit, ob sie die Endung benutze oder nicht. Aber der Staat dürfe keine „illegitimen Hindernisse für eine freie Wahl“ aufrichten.

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