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Bei der EM im finnischen Espoo.

© IMAGO/AFLOSPORT

Update

Nach Sturz bei EM-Eröffnungsfeier: Transfeindliche Kommentare gegen finnische Eiskunstläuferin

Bei der EM in Espoo stürzt die Eiskunstläuferin Minna-Maaria Lax und wird im Netz angefeindet. Zumindest die diskriminierende finnische Gesetzlage soll sich nun endlich ändern.

Es war ein Motto mit Gewicht: „Komm, wie du bist“. Unter diesem Leitspruch traten bei der Eiskunstlauf-Europameisterschaft im finnischen Espoo in der vergangenen Woche zahlreiche Profis gegeneinander an. Das Motto hatte der finnische Eiskunstlaufverband vorgeschlagen. Dadurch sollten Werte wie Vielfalt und Gleichheit im Sport hervorgehoben werden.

Mit dabei war auch Minna-Maaria Lax. Der 59-Jährigen kam bei der Eröffnungsfeier am vergangenen Mittwoch eine ganz besondere Rolle zu: Sie durfte als erste trans Person die blau-weiße Flagge ihres Heimatlandes tragen und die Show eröffnen.

Allerdings unterlief ihr dabei ein kleiner Fauxpas: Nachdem sie die Eisfläche betreten und an den anderen Fahnenträgerinnen vorbeigeglitten war, geriet sie beim Versuch eine Pirouette zu drehen ins Schlingern und stürzte. Eine weitere Sportlerin eilte ihr zur Hilfe und übergab ihr anschließend die Fahne. „Ich war sehr aufgeregt“, sagte Lax im Anschluss gegenüber dem finnischen Fernsehsender Yle. „Aber ich werde diesen Moment nie vergessen.“ Denn der Sturz habe gezeigt, wie heikel die Sportart letztlich sei. „Ich hatte Angst zu fallen, und genau das ist passiert“, sagte sie, aber fügte lächelnd hinzu: „Spaß hatte ich trotzdem.“

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Lax freute sich darüber, an so einem großen Event teilnehmen zu dürfen. Schließlich begann sie erst vor wenigen Jahren mit dem professionellen Eiskunstlauf. In einem Interview erzählte sie, dass sie schon als Kind unbedingt eislaufen wollte. Damals hatte Lax aber noch nicht öffentlich gemacht trans zu sein und sollte Eishockey spielen, wie es für Jungen in Finnland üblich war. Das machte ihr aber keinen Spaß, also wartete sie in der Umkleide, während ihre Schulkameraden Eishockey spielten. „Einmal hatte ein Mädchen ihre weißen Schlittschuhe vergessen und die habe ich ein paar Mal anprobiert.“

Die finnische Meisterin Luovula trainiert Lax

Erst viel später, als Lax bereits eine eigene Familie hatte, machte sie öffentlich trans zu sein und traute sich ihre eigenen Schlittschuhe anzuziehen. Heute wird sie von der ehemaligen finnischen Meisterin Elise Luovula trainiert. Die beiden trafen sich zum ersten Mal bei einem Seminar, bei dem Lax von ihren Erfahrungen als trans Person im Sport sprach.

Sie erzählte damals, wie es sich anfühlte bei den Männern antreten zu müssen und Punkte dafür abgezogen zu bekommen, dass sie ein Kleid trug. Danach begann Luovula sie zu trainieren und zwar mit Erfolg: Bei einem internationalen Turnier in Oberstdorf 2017 belegte Lax sogar den dritten Platz – obwohl ihr ein Punkt für das kurze blau-weiße Kleid abgezogen wurde, das sie passend zum hundertjährigen Jubiläum der finnischen Unabhängigkeit trug. „Minna-Maaria hat durch das Turnier in Oberstdorf sicherlich viel in der Eiskunstlaufkultur verändert, sowohl in Finnland als auch anderswo“, sagte Luovula gegenüber Yle.

Dennoch schlägt der Eiskunstläuferin weiterhin viel Hass entgegen. Nach dem Sturz bei der EM fanden sich in den sozialen Medien etliche transfeindliche Kommentare. Einige verwendeten statt „Minna-Maaria“ ihren abgelegten Namen und behaupteten, Können werde durch Ideologie ersetzt. Besonders bizarr erscheint, dass trans Frauen im sportlichen Kontext häufig vorgeworfen wird, automatisch einen Vorteil zu haben, obwohl wissenschaftliche Studien mit derartigen Vorurteilen längst aufgeräumt haben. In diesem Fall wird Lax aber nicht ihr Können, sondern ihr Sturz vorgehalten.

Ministerpräsidentin Sanna Marin nahm auch an der Pride 2022 teil.

© IMAGO/Lehtikuva

Die transfeindlichen Online-Kommentare spiegeln auch ein Stück weit die politische Situation in Finnland wider: Während es in skandinavischen Ländern wie Dänemark oder Schweden längst relativ unkompliziert möglich ist, den offiziellen Geschlechtseintrag zu ändern, müssen trans Personen in Finnland dafür immer noch ein langwieriges Verfahren durchlaufen.

Dazu gehören psychiatrische Gutachten und eine Hormontherapie. Hinzu kommt, dass trans Personen nachweislich sterilisiert oder unfruchtbar sein müssen, um den Geschlechtseintrag ändern lassen zu können. Dieser Sterilisationszwang wurde von trans Personen und Organisationen in den vergangenen Jahren wiederholt kritisiert.

Ministerpräsidentin Sanna Marin will Reform

Auch der Europäische Gerichtshof hatte 2017 geurteilt, dass ein Sterilisationszwang gegen Artikel 8 der Menschenrechtskonvention verstoße. Die Urteile sind eigentlich für alle Mitgliedsstaaten bindend, dennoch setzte Finnland das Urteil nicht um. Das könnte sich nun endlich ändern: Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin macht sich nämlich seit ihrer Wahl 2019 für eine Reform des Gesetzes stark und versprach bereits im Wahlkampf 2017 diese schnellstmöglich umzusetzen. Dabei hob Marin, die selbst in einer Regenbogenfamilie aufwuchs, immer wieder die „persönliche Bedeutung“ hervor, die das Thema für sie habe.

Dennoch wurde das Thema lange Zeit verschleppt, erst seit Beginn des Jahres wird es offenbar ernsthaft angegangen. Nach mehreren Debatten stimmt das Parlament an diesem Mittwoch schließlich über eine Reform des Gesetzes ab. Mit 113 zu 69 Stimmen wurde es beschlossen. „Das Ergebnis ist nicht nur ein Grund zur Freude und zum Feiern, sondern auch eine große Erleichterung“, schrieb die Organisation „Trans ry“.

Die parlamentarischen Debatten der vergangenen Wochen seien verletzend und beleidigend gewesen. Nur wenige Politiker*innen seien überhaupt bereit dazu, inne zu halten und trans Personen zuzuhören. „Dabei ist es das Mindeste, das man von einem Abgeordneten erwarten kann, ist, dass er oder sie sein oder ihr Amt nicht dazu nutzt, unsere Würde zu verletzen.“

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