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Unterstützer der Militärjunta in Niger versammeln sich.

© REUTERS/stringer

Update

Nach Ablauf des Ultimatums: Vorerst keine Militärintervention der Ecowas-Staaten im Niger

Die Putschisten ließen die Frist zur Wiederherstellung der Demokratie verstreichen. Doch die Ecowas-Staaten verzichten vorerst auf einen Einmarsch und wollen am Donnerstag das weitere Vorgehen beraten.

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Trotz des Auslaufens eines von der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) an die Putschisten im Niger gestellten Ultimatums soll es offenbar zunächst keine Truppenentsendung in den Krisenstaat geben. Eine unmittelbare Militärintervention werde in diesem Stadium nicht ins Auge gefasst, verlautete am Montag aus Ecowas-Kreisen.

Unabhängig davon schlossen die Putschisten „bis auf Weiteres“ wegen der „Gefahr einer Intervention“ den Luftraum. Die Staats- und Regierungschefs des Ecowas-Bündnisses würden am Donnerstag über das weitere Vorgehen beraten. Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten sollen in Nigerias Hauptstadt Abuja zusammenkommen, wie Ecowas-Sprecher Amos Lungu am Montag der Deutschen Presse-Agentur bestätigte.

Am Wochenende war ein Ultimatum der Ecowas an die seit einem Staatsstreich Ende Juli in Niger regierende Militärjunta ausgelaufen. Die Staatengruppe hatte die neuen Machthaber im Niger aufgefordert, den festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum wieder einzusetzen und die verfassungsmäßige Ordnung innerhalb einer Woche wieder herzustellen. Die Gruppe wolle ansonsten Maßnahmen ergreifen, die auch Gewalt beinhalten könnten, hieß es.

Luftraum über Niger geschlossen

In einer Mitteilung des Sprechers der Junta im nationalen Fernsehen am Sonntagabend hieß es, jeder Versuch, den Luftraum zu verletzen, werde sofort und energisch beantwortet. Grund für den Schritt seien die immer deutlicher werdenden Drohungen einer Intervention aus den Nachbarländern.

Air France teilte am Montag mit, Flüge von und nach Ouagadougou und Mali, den Hauptstädten der westlichen Nachbarstaaten Nigers Burkina Faso und Mali, seien bis 11. August ausgesetzt.

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Bei Verbindungen zu anderen Flughäfen in der Region verlängerten sich die Flugzeiten. Auch die Lufthansa und ihre Tochter Brussels Airlines fliegen Umwege um den nigrischen Luftraum, so dass Flüge nach Afrika bis zu dreieinhalb Stunden länger dauerten oder Tankstopps erforderlich seien, erklärten die Airlines. 

Bundesregierung befürchtet Gewalt gegen festgesetzten Präsidenten

Die Bundesregierung sieht die Putschisten in Niger nicht in der Lage, das Land dauerhaft zu regieren. „Jetzt fangen die Sanktionen an zu wirken“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes am Montag in Berlin. Die Stromversorgung aus Nigeria sei gekappt worden. Niger als eines der ärmsten Länder der Welt bezieht mehr als 50 Prozent seines Stroms aus dem Nachbarland. Es gebe zudem Probleme mit der Bargeldversorgung.

Der Sprecher warnte davor, dem festgesetzten Präsidenten Mohamed Bazoum Gewalt anzutun. Er sagte, dass man sich Sorgen um den Politiker mache. „Und deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal unsere Botschaft an die Putschisten unterstreichen, dass sie mit scharfen persönlichen Konsequenzen rechnen müssen, sollte dem demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum und seiner Familie etwas zustoßen“, sagte der Sprecher.

„Wir würden das genauso wie unsere afrikanischen Partner als Eskalation wahrnehmen.“ Auf Nachfrage nannte er Sanktionen und auch nationale oder internationale Strafverfolgung als mögliche Schritte. Weiterhin hoffe die Bundesregierung, dass die Putschisten auf Vermittlungsbemühungen der Afrikanischen Union sowie der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas eingehen.

Polizisten aus Niger, die die Militärjunta unterstützen.

© AFP/-

Auf die Frage, welche völkerrechtliche Grundlage dies habe, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, er wolle nicht spekulieren. Eine Intervention könne gegebenenfalls auch auf Einladung Nigers durch seine vertretungsberechtigten Verfassungsorgane möglich sein, „also sprich der demokratisch gewählten Regierung“.

Das Auswärtige Amt sieht die Lage in dem Land als weiterhin fragil und angespannt an. „Jetzt fangen auch die Sanktionen an zu wirken. Die haben durchaus auch schmerzhafte Auswirkungen auf die Menschen und aber auch auf das Regime“, sagte der Sprecher. Und: „Sie wissen ja, die Stromversorgung aus Nigeria ist gekappt worden. Auch scheint es erste Probleme mit Bargeld zu geben.“

Italien pocht auf Verlängerung des Ultimatums

Italien rief die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas zuvor dazu auf, ihr Ultimatum an die Putschisten im Niger zur Wiedereinsetzung des Präsidenten zu verlängern. „Der einzige Weg ist der diplomatische“, sagte der italienische Außenminister Antonio Tajani der Zeitung „La Stampa“.

„Ich hoffe, dass das Ultimatum der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (Ecowas), das vergangene Nacht um Mitternacht abgelaufen ist, heute verlängert wird.“

Jugendliche schließen sich zu Bürgerwehren zusammen

In der Bevölkerung wächst indes die Unterstützung für die Putschisten. Berichten des französischen Senders RFI zufolge versammelten sich am Sonntag rund 30.000 Menschen im General-Seyni-Kountché-Stadion in der Hauptstadt Niamey, um gegen die Ecowas-Sanktionen zu protestieren. Bereits in der Nacht zum Sonntag schlossen sich Jugendliche zu Bürgerwehren zusammen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum für entmachtet erklärt. Der Kommandeur der Eliteeinheit, General Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.

Algerien schließt eine militärische Intervention aus

Algeriens Präsident Abdelmadjid Tebboune warnte am Wochenende nach Angaben der Zeitung El-Bilad und der Nachrichtenseite Ennahar, ein militärisches Eingreifen im Niger könnte die gesamte Sahel-Zone destabilisieren. Eine Teilnahme Algeriens an einer militärischen Intervention schloss Tebboune demnach strikt aus.

Trotz der Zuspitzung der Lage steht nach Aussage der französischen Außenministerin Catherine Colonna ein Abzug der französischen Soldaten aus dem Niger nicht auf der Tagesordnung. Sie warnte die Machthaber im Niger, die Drohung der Ecowas ernstzunehmen.

Die neue Junta hatte zuvor die militärische Zusammenarbeit mit der einstigen Kolonialmacht am Donnerstag aufgekündigt. Noch immer hat Frankreich dort rund 1500 Soldaten stationiert. Die USA sind mit rund 1000 Soldaten vor Ort, die Bundeswehr mit rund 100. Der Niger war einer der letzten westlichen Verbündeten in der von islamistischen Terrorgruppen destabilisierten Sahel-Zone.

Unbegründet ist Colonnas Warnung vor dem Handeln der Ecowas nicht. Die Gruppe hat bereits in der Vergangenheit mehrfach militärische Eingreiftruppen aufgestellt. Zuletzt griff die Gruppe 2017 in Gambia ein. Militärische Ecowas-Operationen erfolgten bislang jedoch immer auf Einladung der betroffenen Regierung.

Die Militärregierungen in Mali und Burkina Faso hatten sich hingegen schnell auf die Seite der neuen Machthaber im Niger gestellt. Die Mitgliedschaft der beiden Länder in der Ecowas ist ausgesetzt. Das französische Außenministerium kündigte am Sonntag an, bis auf Weiteres alle Entwicklungshilfe- und Budgethilfemaßnahmen für Burkina Faso auszusetzen. (dpa)

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