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Vorweihnachtszeit 2022 in Barcelona. Für bezahlbare Lichterketten hat Madrid gesorgt.

© IMAGO/ZUMA Wire / IMAGO/Davide Bonaldo

Spaniens Kampf gegen hohe Strompreise: Ein Deckel für die Inflation

Spanien hat die Inflation mittlerweile besser in den Griff bekommen. Geholfen hat ein Preisdeckel für den Strommarkt. Ein Modell für ganz Europa?

Von Juan F. Álvarez Moreno

„Trotz der Unsicherheit, die Putin verursacht hat, kommt Spanien voran“, sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez in einer Pressekonferenz Anfang Dezember. „Wir haben die niedrigste Inflationsrate im ganzen Euroraum.“

Mit 6,6 Prozent im Vorjahresvergleich stiegen die Preise im November 4,7 Prozentpunkte weniger als in Deutschland. Im Juli hatte die spanische Inflation noch bei fast elf Prozent gelegen.

Seit mehr als einem Jahr versucht die Regierung, die hohen Energiepreise abzufedern: Sie hat einen Tankrabatt eingeführt, die Mehrwertsteuer für Strom und Gas gesenkt, den Nahverkehr bis Jahresende kostenlos gemacht und 200 Euro an Arbeitslose und Menschen mit niedrigem Einkommen ausgezahlt.

Strompreis vom Gas entkoppelt

Trotzdem waren die Strompreise im Februar 600 Prozent höher als ein Jahr zuvor und deutlich teurer als in Deutschland oder Frankreich. Schon vor der russischen Invasion in der Ukraine war der Strompreis rasant gestiegen – und mit ihm der politische Druck, etwas zu unternehmen.

In europäischen Märkten orientiert sich der Strompreis an der teuersten Energiequelle. Als der Gaspreis stieg, stieg auch der Preis für Wind-, Sonnen- und Kohle-Strom.

Die spanische Regierung handelte deswegen mit der EU-Kommission eine einjährige Ausnahmeregelung aus, um den Strom- vom Gaspreis zu entkoppeln. Der maximale Strompreis wurde für viele Kunden auf 40 Euro pro Megawattstunde festgesetzt, solange es keine neuen Verwerfungen auf dem Strommarkt gibt.

40
Euro pro Megawattstunde ist der maximale Strompreis in Spanien

2023 soll die Obergrenze schrittweise auf 70 Euro steigen. Ausgenommen ist lediglich Strom, der durch die Verbrennung von Gas hergestellt wird. Hier müssen auch spanische Kunden die teuren Marktpreise zahlen.

Doch die Maßnahme lohnt sich, wie eine Studie der Denkfabrik Esade ergab. Ohne den Preisdeckel hätten die Preise 24 Prozent höher gelegen, so die Experten.

Keine Preisexplosionen in Spanien

Seit Juni hat sich der Strompreis im spanischen Großhandelsmarkt stabilisiert, und von den europäischen Preisexplosionen im Sommer blieben die Spanier verschont.

Der Effekt des Gaspreisdeckels für den Strommarkt reicht nicht aus, wenn Gaspreise in die Höhe schießen

Santiago Martínez, Chefanalyst der spanischen Bank Ibercaja

Aktuell bezahlen Verbraucher etwa 20 Cent pro Kilowattstunde, wenn ihr Tarif direkt an den Strommarktpreis gekoppelt ist. Zum Vergleich: Die deutsche Strompreisbremse soll im kommenden Jahr den Preis auf maximal 40 Cent deckeln.

„Der Preisdeckel hat sein Ziel erreicht und die Strompreise gesenkt“, urteilt der Wirtschaftsprofessor Manuel Hidalgo von der Universität Pablo Olavide gegenüber dem Tagesspiegel. Seine Wirkung auf die Inflation sei spürbar, wahrscheinlich aber nicht so stark, wie die offizielle Statistik zeige.

Denn das spanische Statistikamt berücksichtige für seine Berechnungen nur die Kunden, deren Stromtarif an den täglichen Strommarktpreis gekoppelt ist. Für die restlichen rund 60 Prozent der Spanier sei die Inflation deswegen wohl höher als von der Regierung behauptet.

Ein Modell für ganz Europa?

Verglichen mit Deutschland ist Spanien trotzdem recht erfolgreich gegen die Inflation vorgegangen. Laut Berechnungen der Brüsseler Denkfabrik Bruegel kosteten die Maßnahmen gegen zu hohe Energiepreise seit September 2021 3,2 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts. In Deutschland waren es 7,4 Prozent.

Doch Santiago Martínez, Chefanalyst der spanischen Bank Ibercaja, übt Kritik auch am Preisdeckel: Der Markt werde verzerrt, da die Bürger bei steigenden Preisen nicht mehr zum Sparen animiert würden.

Die Wirkung sei lediglich moderat: „Der Effekt des Gaspreisdeckels für den Strommarkt reicht nicht aus, wenn Gaspreise in die Höhe schießen“, sagt Martínez dem Tagesspiegel. Er empfehle eine gemeinsame europäische Antwort statt nationaler Ausnahmen.

„Das spanische Experiment kann man nur schwer europaweit einführen“, hält der Ökonom Hidalgo dagegen. Zu unterschiedlich seien die Bedingungen in den einzelnen Ländern. Doch der Markt gehöre reformiert, findet auch Hidalgo, da er in extremen Situationen nicht gut funktioniere.

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