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Opera singer Anna Netrebko performs during a dress rehearsal for the traditional Opera Ball in Vienna, Austria February 27, 2019.   REUTERS/Leonhard Foeger - RC14E8EABA20

© / Reuters/Leonhard Foeger

Anna Netrebko an der Berliner Staatsoper: Immer noch nicht ausreichend distanziert von Putin?

Warum die Auftritte der russisch-österreichischen Sopranistin an der Berliner Staatsoper vom kommenden Freitag an so umstritten sind.

In die Kritik geraten ist die 1971 im russischen Krasnodar geborene Opernsängerin Anna Netrebko seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022. Der Grund: ihre mutmaßliche Nähe zu Wladimir Putin.

Im Jahr 2012 unterschrieb Netrebko, die seit 2006 neben der russischen auch die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, eine von 500 bis 600 weiteren russischen Prominenten unterzeichnete Petition, mit der Putins zweite Präsidentschaftskandidatur unterstützt werden sollte. Sie begründete ihre Unterschrift so: „In den letzten zwanzig Jahren hat Wladimir Putin viel für die Kultur, die Kunst und die Künstler getan, so dass Russland heute eine Kulturnation ist. Viele Künstler haben für ihn gestimmt.“

Auf einem Foto mit einem Separatistenführer in der Ost-Ukraine

2014, kurz nach der Annexion der Krim, spendete sie für die ukrainischen Musiker der Oper von Donezk, weil diese monatelang keinen Lohn erhielten. Bei der Scheckübergabe ließ sie sich mit dem ukrainischen Separatistenführer Oleh Zarjow ablichten, auf dem Foto ist sie vor der „Neurussland“-Flagge der Separatisten zu sehen.

Gala im Kreml zu ihrem 50. Geburtstag

Immer wieder ist sie bei öffentlichen Ehrungen auf Fotos mit Putin zu sehen, und 2021 feierte sie ihren 50. Geburtstag im Kreml-Palast mit einer Gala.

Kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs sagte Netrebko, sie sei gegen diesen Krieg und ein unpolitischer Mensch. Am 30. März 2022 wiederholte sie in einer von dem Berliner Medienanwalt Christian Schertz verbreiteten Erklärung, dass sie den Krieg gegen die Ukraine „ausdrücklich“ verurteile. Desweiteren bedauerte sie, dass ihre Handlungen oder Aussagen in der Vergangenheit zum Teil falsch interpretiert werden konnten: „Ich bin kein Mitglied einer politischen Partei und ich bin mit keinem Führer Russlands verbündet.“

Und weiter: „Tatsächlich habe ich Präsident Putin in meinem ganzen Leben nur eine Handvoll Mal getroffen, vor allem im Rahmen von Verleihungen von Auszeichnungen für meine Kunst oder bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele. Ich habe ansonsten nie finanzielle Unterstützung von der russischen Regierung erhalten und lebe in Österreich, wo ich auch steuerlich ansässig bin.“

Schon vorher hatte Netrebko gleich nach Kriegsbeginn auf eigenes Betreiben diverse Auftritte abgesagt, unter anderem in der Berliner Staatsoper. Dazu kamen Absagen ihrer Konzerte durch die Bayrische Staatsoper und die New Yorker Metropolitan Opera, die von Netrebko inzwischen auf Schadensersatz verklagt wurde.

Inzwischen ist Netrebko wieder vielfach aufgetreten, ob in Wien oder Wiesbaden, in Verona oder Buenos Aires. Neben der Berliner Lindenoper stehen in dieser Saison unter anderem wieder die Mailänder Scala und die Pariser Opéra in ihrem Kalender.

Ein für Mitte Oktober in Prag geplantes Konzert im Smetana-Saal allerdings wurde abgesagt. Einvernehmlich, wie die Prager Stadtverwaltung und Netrebkos Management mitteilten. Der Prager Vizebürgermeister Jiri Pospisil hatte eine Zu- oder Absage von der Zustimmung der ukrainischen Botschaft abhängig gemacht, da Netrebko auf einer ukrainischen Sanktionsliste stehe. Diese hat sich nun gegen einen Auftritt ausgesprochen.

Staatsoper hat sich „differenziert mit Netrebko auseinandergesetzt“

Bei der Staatsoper heißt es jetzt zur Begründung der vier „Macbeth“-Auftritte von Netrebko im September, dass man sich mit ihr „seit Kriegsbeginn sehr differenziert auseinandergesetzt“ habe: „Anfang März 2022 wurde mit Anna Netrebko einvernehmlich beschlossen, dass sie an der ,Turandot’-Neuproduktion im Juni 2022 nicht mitwirkt und auch alle zukünftigen Engagements wurden auf den Prüfstand gestellt. Ohne eine deutliche Positionierung der Künstlerin war und wäre eine weitere Zusammenarbeit für die Staatsoper Unter den Linden nicht tragbar.“

Nun habe Anna Netrebko sich, so die Staatsoper auf ihrer Website, „in einer am 31. August 2023 im US-Gerichtsregister veröffentlichten Klageschrift erneut sehr deutlich von Wladimir Putin distanziert und außerdem Falschaussagen, z.B. Behauptungen, dass sie Putin unterstützt habe, widersprochen.“ Und: „Als Haus ist uns einerseits die volle Solidarität mit der Ukraine überaus wichtig, andererseits ein verantwortungsvoller Umgang mit unseren Künstler:innen.“

Angefügt ist auch noch ein Statement von Netrebkos Management, in dem es heißt: „Anna Netrebko hat weder eine Beziehung zur russischen Regierung noch irgendeine Verbindung zu dem tragischen Krieg in der Ukraine. Es gibt Leute, die erfolglos versucht haben, Anna Netrebko verschiedene Rollen zuzuweisen, aber es gibt eigentlich nur eine, die wirklich passt: die der Sängerin.“

Das wiederum sieht die Berliner Politik etwas anders: „Ich bedauere“, so der Regierende Bürgermeister Kai Wegener, „dass eine internationale erfolgreiche Sängerin wie Anna Netrebko sich bis heute nicht klar und unmissverständlich von dem russischen Angriffskrieg und Putin distanziert hat“. Er sehe ihre Auftritte „sehr kritisch“. Und Kultursenator Joe Chialo kündigte an, keine der vier Aufführungen besuchen zu wollen.

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