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Grausamer Vater. Die Oper „Beatrice Cenci“ im Bregenzer Festspielhaus, mit Graf Francesco Cenci (Christoph Pohl) und Beatrice (Gal James).

© Bregenzer Festspiele / Karl Forste

Bregenzer Festspiele eröffnet: Der sanfte Schänder

Die Bregenzer Festspiele eröffnen mit einer Rarität: Berthold Goldschmidts Oper „Beatrice Cenci“. Leider gewinnt der Stoff in der modernen Inszenierung keine klaren Konturen.

Die Opferkerzen auf dem breiten Glas-Sarkophag brennen, die Goldmünzen im Inneren glänzen. Zu den wuchtigen Klängen der Ouvertüre von Berthold Goldschmidts 1950 komponierter Oper „Beatrice Cenci“ zur Eröffnung der Bregenzer Festspiele schafft Regisseur Johannes Erath mit seiner Bühnenbildnerin Katrin Connan ein starkes Bild für die Verbindung von religiöser Inbrunst und grenzenlosem Reichtum. Die Geistlichen kombinieren ihre zwischen Pink, Violett und Orange gehaltenen Soutanen mit Sonnenbrillen. Dekadenz spricht aus jedem Rockzipfel (Kostüme: Katharina Tasch).

Die Oper erzählt die wahre Geschichte des brutalen, von der Kirche gedeckten Machthabers Francesco Cenci im Rom der Spätrenaissance. Die von ihm vergewaltigte Tochter Beatrice und die ebenfalls von Francesco gepeinigte zweite Ehefrau Lucrezia lassen den Tyrannen ermorden – und werden am Ende selbst hingerichtet. Berthold Goldschmidt (geboren 1903 in Hamburg, gestorben1996 in London) hatte die Oper 1950 im Exil komponiert, in das der jüdische Dirigent und Komponist 1935 aus Nazideutschland geflohen war. Zuvor war die Berliner Premiere seiner 1932 in Mannheim uraufgeführten ersten Oper „Der gewaltige Hahnrei“ durch die Nationalsozialisten verboten worden.

Anders als in seinem Opernerstling zeigt sich Goldschmidt in „Beatrice Cenci“ milder. Der Brutalität der Vorlage geht er aus dem Weg. Seine immer noch tonal gebundene Musik mäandert zwischen Monumentalität und kammermusikalischer Intimität, zwischen kontrapunktischen, eher spröde klingenden Barockallusionen und spätromantischer Üppigkeit, zwischen dunklen Orchesterfarben und süßlichen Violinsoli. Damit war er in der von Serialismus geprägten Nachkriegs-Avantgarde ein Außenseiter und verfiel in ein langes kompositorisches Schweigen, ehe er Ende der 1980er-Jahre wieder entdeckt wurde. 1992 kam „Der gewaltige Hahnrei“ in Berlin umjubelt auf die Bühne, 1994 folgten Aufführungen von „Beatrice Cenci“ in Berlin (konzertant) und Magdeburg (szenisch) in der englischen Originalfassung.

Es entfaltet sich keine Dramatik

Für die österreichische Erstaufführung im Bregenzer Festspielhaus entschied man sich erstmals für die vom Komponisten angefertigte deutsche Textversion. Allerdings vermag auch sie nicht, dem Stoff klarere Konturen zu geben. Es fehlt den Figuren vor allem an musikalischer Identität. Dramatische Entwicklungen werden abgebrochen, bevor sie sich überhaupt entfalten können. Die Abgründe bleiben verborgen oder seltsam fern.

Als Belcanto-Oper hatte der Komponist sein Werk bezeichnet und damit die gesanglichen Linien gemeint, mit denen er die Hauptpartien gestaltete. Diese können auch in stratosphärische Höhen reichen, die Gal James als Beatrice sicher bewältigt. Ihr zunächst zu eindimensionaler Sopran gewinnt im Laufe des Abends mehr Zwischentöne. Trotzdem bleibt diese geschändete Frau mit ihrer roten Perücke und dem Puppenkleid seltsam distanziert. Christoph Pohl schenkt dem dauergeilen, brutalen Vater weiche Kantilenen und selbstbewusste Posen. Dieser selbstgefällige Francesco Cenci mit seinem nackten Oberkörper und dem goldenen Penisschutz erhält noch am ehesten Profil. Dshamilja Kaiser gefällt als Stiefmutter Lucrezia mit sattem, farbenreichem Mezzo. Michael Laurenz singt den intriganten Prälaten Orsino mit leuchtendem Tenor, Christina Bock macht aus Beatrices Bruder Bernardo einen ebenfalls puppenhaften Leidensgenossen. Per Bach Nissen ist ein klangmächtiger, in der Tiefe schwachbrüstiger Kardinal.

Musik ohne Sogwirkung

Regisseur Johannes Erath versucht es erst gar nicht, den Figuren Leben einzuhauchen, sondern stellt sie in ästhetischen, aber nur selten zwingenden Bildern zusammen. Eine Abendmahlszene wird zur Orgie, ein Kerzentisch zum gläsernen Sarg. Da sorgt auch das runde, an ein Kameraobjektiv erinnerndes Bühnenzentrum, in dem sich Beatrice und Lucrezia im dritten Akt verlieren, für zu wenig Tiefenschärfe.

Diese fehlt auch den Wiener Symphonikern unter ihrem Dirigenten Johannes Debus. Zwar widmet sich das Orchester durchaus mit hoher klanglicher Qualität und einer guten Balance der vielschichtigen Partitur, aber mitunter fransen die Ränder aus, sind Einsätze nicht zusammen. Die Musik entwickelt keine Sogwirkung, was aber auch der zwischen den Stilen changierenden, häufig auf der Stelle tretenden Komposition anzukreiden ist.

Das Bregenzer Aushängeschild bleibt allen Ausgrabungsversuchen zum Trotz die Seebühne. Und hier wird die kommerziell extrem erfolgreiche letztjährige „Carmen“-Produktion (Kartenverkaufsrekord mit mehr als 193 000 Besuchern 2017) auch in diesem Jahr wieder die Kasse füllen, so dass man sich neben kleineren Produktionen und Orchesterkonzerten mit Thomas Larchers Oper „Das Jagdgewehr“ (15.8., Werkstattbühne) heuer sogar noch eine Uraufführung leisten kann.

Weitere Vorstellungen am 22.7., 11 Uhr 30.7., 19.30 Uhr, Festspielhaus Bregenz. Das Gesamtprogramm gibt es im Internet unter www.bregenzerfestspiele.com

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