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Margret Hoppe und Julien Lescoeur: Collection Regard zeigt Architekturfotografie

Wo Vergangenheit und Gegenwart sich begegnen: Die Collection Regard zeigt brillante Architekturfotografie von Margret Hoppe und Julien Lescoeur.

Die Umrisse sehen aus wie ein Kopf. Wie das kubistische Porträt einer Frau, die zur Seite blickt. Mit hellem Teint, kantiger Nase und dunklem Haar. Erst wenn man nahe an das Foto von Margret Hoppe herantritt, ist zu erkennen, dass es sich um den verwinkelten Durchgang eines Gebäudes handelt. Margret Hoppe hat die Torbögen und Durchblicke in der Sternwarte Jantar Mantar in New-Delhi fotografiert. Sie entdeckte den Bau aus dem 18. Jahrhundert bei ihren Recherchen zur Architektur von Le Corbusier in Indien. Jantar Mantar gilt als Vorläufer der europäischen Moderne. Auch wenn das Dia hinter Glas technisch ein Solitär ist, steht das Foto doch programmatisch für die Arbeit von Margret Hoppe, die sich als Archäologin moderner Architektur einen Namen gemacht hat. In ihren Bildern geht es um den Geist der Gebäude aus dem 20. Jahrhundert, um die Überreste der großen Utopien.

Die brillante Ausstellung „Archite(x)turen“ in der Collection Regard stellt zwei sehr unterschiedliche Herangehensweisen der Architekturfotografie einander gegenüber – die Arbeiten von Margret Hoppe und Julien Lescoeur. Hoppe hat in Leipzig und Paris studiert, Lescoeur in Straßburg und Berlin.

Hoppe wurde schon früh in Museen ausgestellt

Noch während ihres Studiums fotografierte Margret Hoppe die bröckelnden Denkmäler des Sozialismus in Bulgarien. Da war ihre wertschätzende, aber nostalgiefreie Handschrift schon klar ausgebildet. Zu ihren Lehrern zählt Christian Boltanski, wie dieser versteht sie sich als Archivarin. Mit entsprechender Beharrlichkeit erforscht sie vergessene Orte, an denen große Ideen untergingen. Berühmt ist die Serie von den „Verschwundenen Bildern“, der abgehängten Staatskunst der DDR. Hoppes mit Preisen ausgezeichneten Fotos wurden schon früh in Museen ausgestellt.

Für ihre aktuelle Serie „Die unterbelichtete Moderne“ (Preise: 1600-4800 Euro) hat sie die Bauwerke des Architekten Thilo Schoder im Stadtbild gesucht. Sie legt die Strukturen der Architektur frei. Schoder, ein Schüler von Henry van de Velde, entwarf nach dem Ersten Weltkrieg vor allem in Gera Wohn- und Geschäftshäuser. In einer Textilfabrik hält ein leeres Büro das Andenken an den Vertreter des Neuen Bauens aufrecht. In Hoppes Bild fällt tiefstehendes Sonnenlicht durchs Fenster. Die schmalen Rahmen werfen lange Schatten auf das geradlinige Mobiliar und die rot-grün gestreifte Tapete.

Thilo Schoder floh vor den Nazis nach Norwegen. In seiner Textilfabrik wurden nach der Wende buntgemusterte Stoffe für den afrikanischen Markt produziert. Bis der Erfolg eine neue Fertigungshalle in der Nähe des Flughafens nötig machte. Jetzt steht das Bauwerk wieder leer.

Auch das Haus Schminke, das Hans Scharoun in Löbau bei Görlitz für einen Nudelfabrikanten entwarf, harrt noch seiner Wiederentdeckung. Hier nutzte Margret Hoppe für ihre Arbeit die Möglichkeit, in der komplett eingerichteten Villa zu übernachten. Die Bilder von Bett, Wandfurnier und Fenster wirken wie beatmet vom gelebten Leben.

Leerstellen und klaustrophobische Räume

Während Hoppe den Genius Loci betont, hüllt der französische Fotograf Julien Lescoeur den Geist des Ortes in Dunkelheit. Lescoeur lebt und arbeitet in Paris und Berlin. In der Collection Regard des Fotosammlers Marc Barbey zeigt er nun zwei Serien, die während seines Aufenthaltes im Moabiter Zentrum für Kunst und Urbanistik entstanden.

Für „Aérolithiques“ beschäftigte sich der Fotograf mit einer Ecke in seinem Atelier, in der ein rätselhafter Kasten an der Decke hing. Als Fan des amerikanischen Schwarzmalers Ad Reinhardt und des Spuk-Spezialisten David Lynch stellte er das Motiv auf den Kopf und produzierte den Abzug als Negativ. Jetzt steht der dunkle Kasten im nachtschwarzen Raum auf dem Boden, ein Grab, eine Leerstelle, die an die „voids“ von Daniel Libeskind im Jüdischen Museum erinnert. Oder aber an ein abstraktes Trompe-l'œil in Schwarz mit einer aufregend malerischen Oberfläche (Preise 2300-2700 Euro).

Noch unheimlicher wirkt die Serie „Velvet Doom“ (Samtenes Verhängnis), die auf dem Gelände des Berliner Holocaust-Mahnmals entstand (Preise: 2300- 7000 Euro). Mit Filter und langen Belichtungszeiten fotografierte Lescoeur bei Nacht die Sichtbetonwände und Treppen, die Textur des Materials. Die Fluchtwege enden im Nichts. Dabei entsteht ein neuer, klaustrophobischer Raum.

Während das Denkmal die Erinnerung lenkt, geht bei Lescoeur die Orientierung verloren. Deshalb ist man versucht, die Bilder vor dem Hintergrund des wieder aufkeimenden Antisemitismus zu lesen. So konträr die Arbeiten von Margret Hoppe und Julien Lescoeur erscheinen – beide Künstler begreifen Gebäude als Gedankenräume, in denen sich Gegenwart und Vergangenheit begegnen.

Collection Regard, Steinstr. 12, Fr 14–18 Uhr.

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