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Stadterzählung. Der Wasserklops. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Kultur: Die Welt ist ein Kugelbrunnen Zum 75. des Bildhauers

Joachim Schmettau.

Hanfkordeln statt Schlangen winden sich um das moderne Medusenhaupt. „Annette“ heißt der matt patinierte Bronzekopf, dem Joachim Schmettau eine Kopfbedeckung zwischen antikisierendem Helm und modischem Ornament aufgesetzt hat. Das ist im Entstehungsjahr 2009 nicht gerade Avantgarde, zeugt jedoch von einer gewissen Konsequenz. Denn seiner Lust am Kontrast ist Schmettau seit nunmehr vier Jahrzehnten treu. Ebenso dem realistischen Menschenbildnis. Das reichert der 1937 in Bad Doberan geborene und in Berlin aufgewachsene Bildhauer früh mit kurios erzählerischen Accessoires an. Mit Brillen samt Gläsern aus Gips, Zigaretten aus Marmor oder der bronzenen Schiebermütze, die aus dem proletarisch anmutenden Kopf mit Mütze“ von 1964 wächst.

Da hat Schmettau das Studium bei Ludwig G. Schrieber seit vier Jahren abgeschlossen, alles deutet auf eine vielversprechende Karriere hin. Preise und Stipendien hagelt es im Folgejahrzehnt, und seine figürliche Bildhauerei – als Gegenentwurf zur vorherrschenden Abstraktion – findet Anerkennung in nationalen und internationalen Ausstellungen. 1971 folgt die Professur an der Vorläuferin der heutigen Universität der Künste. Auch ihr bleibt Schmettau treu, bis 2002.

1972 ist er Gründungsmitglied der „Gruppe Aspekt“. Als einziger Bildhauer unter Malern wie Peter Sorge, Wolfgang Petrick oder Hans-Jürgen Diehl. Doch der beißende Spott des Kritischen Realismus’ West-Berliner Couleur ist seine Sache nicht. Schmettau erweitert das klassische Skulpturen-Repertoire mit Humor und Fabulierkunst. Der puren, inneren Kraft seiner anfangs so einfühlsamen Portraits scheint er jedoch nicht recht zu trauen und tappt alsbald in die Falle eines allzu üppigen Ideenreichtums. Die Perlenschnüre, die 1971 aus einem weiblichen Kopf schnurren oder Glasaugen, die aus Gips- und Porzellanköpfen starren, werden zur Masche. Die Bemalungen, die das realistische Antlitz konterkarieren könnten, bleiben beliebig, die Figuren betont maskenhaft.

Sein größter Coup gelingt dem Bildhauer 1983: der „Weltkugelbrunnen“ auf dem Breitscheidplatz mit der schmettauschen Personage. Mit bronzenen Fabelwesen wie Harry mit der Schweißerbrille oder dem badenden Frauenakt mit dem Bauarbeiterhelm nebst Bierflasche. In typischer Berliner Mundart wurde der sogleich in Wasserklops umgetauft. Mit dem populären, viereinhalb Meter hohen Monolith aus rotem Granit hat sich Joachim Schmettau, der am heutigen Sonntag seinen 75. Geburtstag feiert, endgültig in die Stadtgeschichte eingeschrieben. Die Transform Studiogalerie würdigt den Künstler mit einer Präsentation von Zeichnungen, Collagen und zwei Skulpturen, darunter auch „Annette“ (Pestalozzistraße 10, bis 3. März). Michaela Nolte

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