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Masse und Klasse.

© dpa

Frankfurter Buchmesse: Helden in Serie

Die Buchmesse geht zu Ende. Was bleibt, neben den Auftritten von Arnold Schwarzenegger, Heinz Buschkowsky und Rainald Goetz? Eine neue Aufmerksamkeit für Kinder- und Jugendliteratur und das Hintergrundrauschen der Digitalisierung. Nur der C.H. Beck Verlag bleibt konsequent analog.

Man fragt sich, warum die Verantwortlichen der Frankfurter Buchmesse nicht viel früher darauf kamen, sich verstärkt dem Bereich Kinder- und Jugendliteratur zu widmen. Denn ganz neu ist es nicht, dass dieser Bereich eine große Marktmacht hat, hier gar noch Wachstumspotenzial liegt. Und überhaupt stellt dieses Marktsegment seit jeher Wiege und Zukunft der Branche und des Lesens dar, das weiß sprichwörtlich jedes Kind. Jedenfalls sind die Kinder- und Jugendbuchverlage in diesem Jahr erstmals auf der Buchmesse in einer Halle konzentriert worden, zusammen mit ein paar Riesen aus dem Erwachsenenbereich: zum Beispiel Random House, wo es mit dem cbj-Verlag einen großen Kinder- und Jugendbuchableger gibt. Oder Ullstein und Piper, die mit dem in Deutschland für J.K.Rowling und Harry Potter zuständigen Carlsen Verlag zur schwedischen Bonnier-Gruppe gehören.

Alles so schön bunt hier, bunter als sonst – das versteht sich, wenn einem der Räuber Hotzenplotz groß entgegenblinzelt oder man an der gesamten Prinzessin-Lillifee-Merchandising-Palette vorbei muss. Vor allem aber ist alles noch ein bisschen lauter und wuseliger als in anderen Hallen, sind doch selbst an den eigentlich nur dem Fachpublikum vorbehaltenen Wochentagen viele Kinder unterwegs, gerade auch Kita-Kinder und Erst- und Zweitklässler.

Während der Signierstunden zeigt sich in der Praxis, wie groß die Marktmacht der Kinder- und Jugendbuchliteratur ist. Da gibt es kein Durchkommen, so lang sind die sich über mehrere Stände erstreckenden Schlangen. Bei der Wiener Schriftstellerin Ursula Poznanski zum Beispiel, die aus ihrem jüngsten Roman „Saeculum“ liest und im Anschluss Widmungen schreibt. Während hier vor allem Jugendliche an der Grenze zur Pubertät anstehen, sind es bei dem „Grüffelo“- und „Stockmann“-Zeichner Axel Scheffler eher die Kleinen oder ihre Eltern, die diesem ihre frisch erworbenen Exemplare mit den Erlebnissen seines neuesten Helden, dem „Superwurm“, unter Stift und Nase halten. Auch draußen auf der Agora ist das Lesezelt voll mit sehr jungen Leuten: Isabel Abedi liest gerade aus dem achten Band ihrer Lola-Reihe, „Fünf Sterne für Lola“. Gerade die einmal eingeführten Figuren, die Mias, Lolas, Emilys und Lilliane Susewinds, sind für die Gruppe der Acht- bis Zwölfjährigen genauso attraktiv wie für die Verlage, die ihre Autoren sicher stets darin bestärken, Helden in Serie gehen zu lassen.

Die Buchmesse verspricht sich von ihrem Kinder- und Jugendbuchschwerpunkt zusätzliche Impulse in Sachen neuer Technologien. Verstreut geht es in den Hallen auch um interaktive Spiele und Apps für Kinder, ums elektronische Lesen, digitale Lernen und Selberpublizieren. Trotzdem verhält es sich dabei wie sonst auf der Messe: Die Macht des Analogen ist groß – und das Digitale lauert siegesgewiss im Hintergrund. Eine echte Krise auf dem Buchmarkt, die gibt es anderswo, wie etwa der Klett-Cotta-Literaturverleger Michael Zöllner beim Empfang seines Verlags betonte, in England oder insbesondere Spanien, aber nicht in Deutschland. Und tatsächlich hat er gut reden: Bei Klett-Cotta gibt es dieses Jahr Umsatzgewinne von weit über fünfzig Prozent im Vergleich zu 2011.

In Erinnerung aber wird man diese Messe, wenn überhaupt, wegen der Auftritte etwa eines Arnold Schwarzenegger behalten, wegen seines grandios-blöden Dreisatzes „Terminator-Governator-Educator“. Wegen so schön abgewrackter Prominenter und Biografienschreiber wie Lothar Matthäus, Rolf Eden oder Peter Neururer (nächstes Jahr sind es vermutlich Erich Ribbeck, Sascha Hehn und ganz sicher Theo Zwanziger, der beim Berlin Verlag ein Manuskript liegen hat). Wegen einer Nina Ruge, die ihr mit dem „Hunde-Verhaltensexperten“ Günter Bloch geschriebenes und eingesprochenes Buch „Was denkt mein Hund? Was fühlt mein Hund“ vorstellte. Oder wegen Heinz Buschkowsky, für den sich laut sehr eingefleischter Frankfurter außerhalb Berlins angeblich kein Mensch interessiert. Buschkowsky wollte am „Vorwärts“-Stand aber tatsächlich weniger eine Debatte über die misslungene Integration in seinem Stadtteil führen, sondern pries die Vorzüge Neuköllns, nicht zuletzt die industriellen: Jacobs, Phillip Morris oder Niederegger lassen oder ließen hier produzieren (was im Bezirk insbesondere in den Morgenstunden gut zu riechen ist).

Ja, und nicht zuletzt wegen Rainald Goetz. Goetz war gut unterwegs mit „Johann Holtrop“, erklärte seine Romanfiguren und deren „Figurizität“, dass man als Autor diese nicht lieben müsse, aber trotzdem Spaß beim Schreiben haben könne und dergleichen mehr. Goetz war gewissermaßen der heimliche Star dieser Messe. Zum einen, weil er sich nie verweigerte, er immer alles gab – und zum anderen, weil jeder, der ihn irgendwo auf einer Bühne sah, nur in den höchsten Tönen von seinen jeweiligen Performances gesprochen hat.

So konnte man sich auf dieser Messe dem Wohlgefühl hingeben, dass alles beim Alten bleibt. Es weiß halt niemand zu sagen, wann zum Beispiel das E-Book das gedruckte Buch erstmals auf dem Markt an Umsätzen übertrumpft: in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren? Oder wann die ersten Verlage auf die Idee kommen, gar keine Printbücher mehr zu veröffentlichen oder dann jeweils nur noch Liebhaberauflagen. Oder wann die ersten Bücher erscheinen, die kein Einzelner mehr, sondern viele zusammen geschrieben haben, nur noch mit Titel, ohne Autorennennung. Obwohl: eigentlich ist das kaum vorstellbar bei der Selbstverliebtheit und Crazyness vieler Autoren. Und dann hätte die Messe wahrlich ein Problem.

Von all dem war zum Beispiel ganz souverän beim Empfang des C.H. Beck Verlags im Hessischen Hof überhaupt nicht die Rede: Wie immer und über alles Digitale erhaben stellte Wolfgang Beck seine Gäste vor, dieses Mal die Historiker Akira Iriye & Jürgen Osterhammel, und gab eine kurze Einführung in die von den beiden mitherausgegebene „Geschichte der Welt“, daraufhin folgten Lesung und Diskussion. Der erste Band dieses Unternehmens, „Weltmärkte und Weltkriege 1870–1945“, lag draußen im Gang auf einem kleinen Tischchen: weit über tausend Seiten stark. Fünf weitere sollen folgen, beginnend mit „Frühe Zivilisationen: Die Welt vor 600“. Das Internet und das E-Book ließen sich an diesem Abend bei C.H. Beck nicht blicken. Und diese Messe? Sie dürfte als eine Übergangsmesse in die Annalen eingehen. Es werden noch einige dieser Sorte folgen.

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