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 Jesus Christus inmitten seines Gefolges

© promo/Pamela Raith

"Jesus Christ Superstar" an der Deutschen Oper: Judas, mach du das!

Rocken mit Locken: Die Londoner Tourneeproduktion „Jesus Christ Superstar“ gastiert an der Deutschen Oper Berlin. Der Star des Abends ist allerdings nicht der Messias.

Judas Ischariot ist erzürnt. Die Verschwendung unter den Jüngern Jesu Christi und auch der Umgang mit Frauen wie Maria Magdalena behagen ihm nicht. Er beschließt, zu handeln und den Meister vor sich selbst zu retten. So beginnt die rockige Reise über die letzten sieben Tage Christi: „Jesus Christ Superstar“ gastiert eine Woche lang in der Deutschen Oper.

1971 feierte das Musical des damals noch unbekannten Andrew Lloyd Webber mit den Texten von Tim Rice am Broadway Premiere. Der christliche Heilsbringer als Star einer Rockoper – das erzürnte damals die Gemüter zahlreicher religiöser Gruppierungen. Den Part des Jesus übernahm niemand Geringeres als Deep-Purple-Sänger Ian Gillan.

Die Londoner Tourneeproduktion ist ein echtes Spektakel und gleichzeitig eine Hommage an die Originalproduktion. Jesus wandelt mit langen, blond gelockten Haaren, weißem Leinentuch, sanfter Miene und barfuß durch die Schar seiner Jünger, die ihren Herrn mit seeligem Lächeln anbeten. Auch sein Gefolge umtanzt ihn mit weiten Leinenhemden und Sandalen. Allein Judas ist Außenseiter. Mit strengem Blick, in Lederhosen und weit aufgeknöpftem Hemd sticht er sofort heraus in einer Gruppe, die stark an die Hippiebewegung der 70er Jahre erinnert.

Judas, der Superstar

Das Bühnenbild ist minimalistisch und zugleich eindrucksvoll. Schwarze, eckige Säulen und ein Gerüst mit beweglichen Treppen rahmen die Bühne. So wechselt der Handlungsort elegant vom Garten Gethsemane an den pompösen Hof von König Herodes. Hauptdarsteller Glenn Carter gibt einen Jesus, der stets besänftigende Gesten für seine Jünger übrig hat. Doch auch die allzu menschlichen Züge, die diese Darstellung des Messias in den 70er Jahren so revolutionär und provokant machten, spielt er mit großem Engagement, ringt in „Gethsemane“ unablässig mit sich selbst, besingt Einsamkeit und Hilflosigkeit, versteht es, die Selbstzweifel Jesu mit sanften Tönen zu untermalen.

Während der Kreuzigung, bei der ohne jede Musik nur die metallischen Schläge des Hammers durch den Saal hallen, durchbricht Carter die gespannte Stille mit schneidenden Schreien voll Leid und Angst. Seit vielen Jahren spielt er den Part, er hat ihn verinnerlicht – vielleicht etwas zu sehr. Seine Stimme klingt routiniert, manchmal lustlos und entkräftet. Was zum Part des gefühlvollen und menschlichen Messias durchaus passt – aber eben nicht immer.

Der Superstar in dieser Produktion ist allerdings nicht Jesus, sondern Judas. Tim Rogers nimmt von Beginn an mit starkem Schritt und kraftvollem Gesang die gesamte Bühne für sich ein. Als Judas stirbt, schreit Rogers die Worte förmlich heraus, lässt seine Stimme kunstvoll brechen und zittern. Es sind die letzten, erschütternden, schweißgebadeten Momente eines verzweifelten Verräters.

Tosender Applaus für die Bösewichte

Überhaupt machen die Antagonisten den Abend zu einem Erlebnis. Cavin Cornwall ist Priester Caiaphas, und so beeindruckend hochgewachsenen seine schlanke Statur ist, so abgrundtief und abgedunkelt ist sein Bass, der den Saal erbeben lässt. Mit steinerner Miene trägt er die Anklage gegen Jesus vor. Tom Gilling ist ein herrlich überzogener, komödiantischer König Herodes mit ausladendem Gang und dem glitzerndem Lidschatten. Pontius Pilatus (Jonathan Tweedie) hingegen tritt mit imperatorischem Gebaren auf – aber er zerfällt angesichts der Bürde, die er trägt.

Mindestens so wichtig wie die Solisten sind in „Jesus Christ Superstar“ die Ensemblemitglieder. Zum Abendmahl im Garten Gethsemane singt Jesu Gefolge noch laut und sorglos „Look at all my trials and tribulations“, in der Reprise nach der Verhaftung Jesu verfällt der Gesang in ein verzweifeltes Flüstern. Die Band im Orchestergraben kracht energisch los, zeigt jedoch auch viel Gefühl für kleine Töne. Zum Finale geben die Sänger und Musiker noch einmal alles, die Zuschauer wippen mit den Füßen. Tosender Applaus zum Schluss – besonders für die Bösewichte.

Deutsche Oper Berlin, bis 2. August, täglich 20 Uhr (2. August 19 Uhr), zusätzlich 1. August, 15 Uhr und 2. August, 14 Uhr

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