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Kneipenabend im Prenzlauer Berg.

© Silke Reents/dpa

Barbesuch in der Kastanienallee: Literaturliebe mit Hefeweizen

Ausgehen mit Bekannten kann mitunter unangenehm werden. Mit dem richtigen Gesprächthema und in der richtigen Bar ist das allerdings ganz anders, findet unsere Autorin.

Mit Bekannten „mal was trinken gehen“ ist ein riskantes Unterfangen – wenn es schlecht läuft, stirbt das Gespräch nach wenigen Minuten einen grausamen Tod, und das einzige Bier wird eilig heruntergestürzt. Da will der Ort wohlweislich gewählt sein, am besten eine Bar mit Blick nach draußen, auf gesprächige Passanten zum Beispiel.

Wir treffen uns im Café Morgenrot in der Kastanienallee und bestellen zwei Hefeweizen an der Bar. Die Fensterfronten sind aufgestoßen, warmer Sommerwind weht herein. An der mit Lichterketten und Kerzen geschmückten Bar smalltalken wir, die Gläser fest umklammernd, übers Studium, die Schulzeit, den letzten Urlaub. Um uns herum füllt es sich, der Kollektivbetrieb lockt junge Alternative an, die zur Getränkebestellung an die Bar schlendern. Gedankenversunken stützen sie sich an den Tresen und studieren die auf der grünen Tafel notierten Getränkepreise.

Die Literatur ist die Anstifterin

Das Bier ist halb leer, die Konversation ist bei prägenden Büchern der Jugend angekommen. Und dann, plötzlich, eine gemeinsame Passion! Beide lasen wir einst heimlich die dicken „Harry Potter“-Bände bis in die Morgenstunden. Und weitere Gemeinsamkeiten brechen sich Bahn, während wir längst, die Ellenbogen auf den Tisch, die Köpfe verschwörerisch zusammenstecken. Her mit dem zweiten Bier! Nun lauter, euphorischer, lassen wir Buchtitel durch den Raum schwirren – Ian McEwans „Abbitte“, Kristin M. Baldursdóttirs „Die Eismalerin“. Worüber andere wohl gerade reden mögen? Egal.

Schon ist die Bekannte zu einer echten Freundin geworden, und die Anstifterin ist die Literatur. Und weil wir beide schon immer Tolstois „Krieg und Frieden“ lesen wollten, wird daraus ein gemeinsames Leseprojekt. Ins Gespräch vertieft verlassen wir die Bar – für einen Seitenblick zum Nebentisch aber reicht es denn doch. Der Typ dort nickt uns lachend zu. Waren wohl auch seine Lieblinge dabei.

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