zum Hauptinhalt
Von Bamako nach Berlin. Das Omniversal Earkestra - hier in Mali - kommt ohne Bandleader aus. Die musikalische Leitung wechselt ständig.

© Trikont

Omniversal Earkestra: Funky wie ein Mercedes

Das Berliner Omniversal Earkestra hat in Mali mit Bigband-Legenden ein Album eingespielt. Eine Begegnung.

Seit acht Jahren gibt die Berliner Bigband The Omniversal Earkestra jeden Montag ein Konzert. Derzeit ist natürlich Pause, doch schlimmer als der Verzicht auf das Montagsritual ist für die Band die Tatsache, dass auch die große Show in der Kulturbrauerei, die in einigen Tagen hätte stattfinden sollen, ins Wasser fällt. Zu gerne hätte man das Ergebnis eines verrückt klingenden Projekts präsentiert.

Anfang 2019 reisten die Berliner, begleitet von einem Filmteam, sechs Wochen durch Mali, um mit Stars der in den Siebzigern populären Bigbands zu spielen und ein Album aufzunehmen.

Auf dem Konzert in der Kulturbrauerei wollte man „Le Mali 70“ und den dabei entstandenen Film „Berlin-Bamako-Allstars“ von Markus Schmidt erstmals aufführen, Gäste aus Mali hätten mit auf der Bühne stehen sollen. Der nächster Versuch soll im Januar stattfinden – wer weiß. Immerhin gibt es jetzt schon mal die Platte.

Das Omniversal Earkestra ist eine ungewöhnliche Bigband. Es gibt keinen Bandleader, die musikalische Leitung wechselt ständig. Alle Mitglieder sind Profimusiker mit unterschiedlichem Background, ihre Liebe zum klassischen Bigband-Sound hat sie zusammengebracht. 14 Leute gehören zur Stammbesetzung, weitere zehn Musiker helfen aus.

Spiritus Rector hinter dem Mali-Abenteuer ist der Filmemacher Markus Schmidt, ein langjähriger Fan der Band und gleichzeitig Kenner von Mali und dessen Musikszene. Als Cutter für die Dokumentation „Mali Blues“, die die lokale Musikszene nach der weitgehenden Vertreibung der Islamisten 2014 im Norden des Landes beleuchtet, bereiste er schon vor Jahren das Land. Er nahm Kontakt zu den Stars der Szene auf, etwa zu Salif Keïta und Sorry Bamba, um sie für seine Vision eines transkulturellen Austauschs zu gewinnen.

Islamisten wollen Musik verbieten

Damals nahm die Idee Form an, erinnert sich Schmidt beim Treffen in seinem Studio: Das Omniversal Earkestra spielt mit den Legenden aus der goldenen Ära der Siebziger die Big-Band-Hits neu ein. Er stieß auf offene Ohren. Gefördert wurde das Projekt vom Turn-Kulturfonds, der den kulturellen Austausch deutscher und afrikanischer Initiativen unterstützt.

Vor der Reise suchte sich das Omniversal Earkestra zunächst ein Repertoire zusammen: Stücke von Mystère Jazz de Tombouctou oder der Rail Band, die in den siebziger Jahren ungemein populär waren. Die Nummern wurden in Partituren umgesetzt und eingeprobt. Danach ging es nach Mali.

[„Le Mali 70“ von The Omniversal Earkestra erscheint bei Trikont]

Die Aufnahmen, die Schmidt von der Reise mitgebracht hat, lassen erahnen, was für ein Abenteuer der Trip gewesen sein muss. Die 14-köpfige Band reiste samt Kamerateam durch ein Land, das sich immer noch im Kampf gegen den Islamismus befindet, ein Bürgerkrieg, in dem das französische Militär genauso präsent ist wie die Bundeswehr.

Tuareg-Musiker erzählen, dass die Islamisten Musik verbieten wollten. Sie schnappen sich eine Gitarre und spielen ihre Lieder – erleichtert, dass der Spuk vorbei ist. Ein paar Konzerte hat die Bigband in Mali gegeben, übernachtet habe man teilweise auf den Dächern der Hotels, um Geld zu sparen, berichtet Markus Schmidt.

Für jedes Stück kamen malische Musiker ins Studio

Höhepunkt der Reise waren die Proben und Aufnahmen in Salif Keïtas Studio in Kalabancoro, einem Ort im Speckgürtel von Malis Hauptstadt Bamako. Für jedes Stück, das die Bigband einspielte, kamen neue malische Musiker ins Studio: Sänger, Keyboarder, Gitarristen, Perkussionisten; gemeinsam wurden die Stücke erarbeitet und aufgenommen. Die Berliner lasen dabei die Noten vom Blatt, die Malier gaben ihre Beiträge aus dem Stegreif zum Besten.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Mitunter kam es zu skurrilen Szenen. Schmidt zeigt seine liebste, die auch im Film vorkommen soll: Einer der Berliner Musiker bearbeitet eine Metallglocke, als sich der Komponist Cheick Tidiane Seck beschwert, dass er so nicht arbeiten könne.

Es sei der völlig falsche Rhythmus. Salif Keïta muss schlichten. Was die Berliner hier veranstalteten, habe sowieso nur entfernt mit der malischen Musik zu tun, meint er. Aber es sei ihr gutes Recht, den Bigband-Sound auf ihre Weise zu interpretieren. Irgendwann beruhigt sich Cheick Tidiane Seck wieder.

Auch in Mali verbindet man Deutschland mit Präzision

Auch wenn die Interpretation Seck nicht vollends überzeugt: „Mali 70“ ist eindrucksvoll, der Sound mächtig und voll. Ganz in der Tradition des Afrobeats, den Fela Kuti zur selben Zeit in Nigeria zusammengebraut hat und doch mit hörbar malischem Einschlag.

Etwas weniger funky als Kuti, dafür stärker von der traditionellen Musik Malis geprägt. Und nach kultureller Aneignung klingt es auch nicht. Hier ist organisch etwas entstanden, dem man die Respektbezeugung vor einer anderen Musiktradition jede Sekunde lang anhört.

Und wie kommt das, was das Omniversal Earkestra im Austausch mit den Lokalhelden eingespielt hat, in Mali an? „Die Leute sind begeistert“, meint Markus Schmidt. „Da kommen diese Deutschen daher und spielen die eigene Musik so rund und tight wie ein gut laufender Mercedes.“ Auch in Mali verbindet man Deutschland vor allem mit Präzision und Perfektion.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false