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Das Archiv der Künstlerin über die Kunst des 20. Jahrhunderts ist ein Teil ihrer Arbeit.

© Marcus Schneider

Zofia Kulik in der Galerie Zak Branicka: Papier bügeln

Mit einem Rückblick auf das Werk der Künstlerin Zofia Kulik schließt die Berliner Galerie Zak Branicka - und hat neue Pläne.

Was für ein ereignisreiches Leben. Die polnische Künstlerin Zofia Kulik stellt in der Galerie Zak Branicka aus, und was sie zeigt, ergibt weniger eine Verkaufsausstellung als die Betrachtung einer Künstlerbiografie in Polen seit 1965. Herzstück der Schau ist eine fast wandfüllende Collage mit Momenten im Leben der 1947 Geborenen. Zum Beispiel aus dem Studium der Bildhauerei, das Zofia Kulik 1971 mit Dias von einer Performance abschloss, unerhört damals.

Zu sehen sind Aktionen mit ihrem Partner Przemyslaw Kwiek, mit dem sie zwischen 1971 und 1987 unter dem Namen KwieKulik zusammenarbeitete. Ihr kleiner Sohn Maksymilian. Lebensmittelknappheit und Kunst, die aus ein paar Kartoffeln und einem Zinkeimer entsteht. Reisen nach Amsterdam und nach Kassel im „Polski Fiat“ Das Kriegsrecht 1981, der Entzug der Reisepässe. Auch daraus wird Kunst.

Nach 1990 machte Kulik international Karriere

Leben und Werk sind hier eins, davon zeugen Fotos in Schwarz-Weiß, Faksimiles, Kontaktbögen, Passbilder, fixiert auf bunten Stoffbahnen in Gelb, Blau und kommunistischem Rot. Daneben hängt eine der manuell gefertigten, strengen Fotocollagen, mit denen Kulik nach 1990 international bekannt wurde und ebenso auf die Documenta in Kassel wie die Biennale von Venedig eingeladen wurde: ihr „Selbstporträt mit einer Flagge II“ von 1998 (alle Arbeiten bis zu 13 000 Euro), aus dem Zofia Kulik grimmig herausschaut, über dem linken Ohr eine rote Flagge.

„Zitate aus dem Archiv“, wie die Schau heißt, bildet einen würdigen Abschluss. Seit 2007 haben Asia Zak Persons und Monika Branicka ihre gemeinsame Kreuzberger Galerie geführt, in der sich viel über Kunst in Polen erfahren ließ: über die Nachkriegsavantgarde in Ausstellungen etwa von Roman Opalka und Józef Robakowski, über die Freigeister der siebziger Jahre, zu denen KwieKulik zählen, und über jüngere Künstlerinnen wie Katarzyna Kozyra und Agnieszka Polska, die 2017 den Preis der Nationalgalerie gewann. Jetzt soll Schluss sein. Nach der Berlin Art Week und der Messe „Berlin Art“ im kommenden September wollen Zak Persons und Branicka mit Stiftungen weitermachen. Eine Zak-Branicka-Stiftung mit Sitz in Krakau gibt es schon länger, sie soll Kunst in der Tradition der osteuropäischen Avantgarden fördern. Jetzt ist die Kulik-KwieKulik-Stiftung dazugekommen, die Zofia Kuliks Erbe gewidmet ist. So wollen Zak Persons und Branicka ihren Weg aus einem Markt finden, der sich zunehmend auf die Global Player konzentriert.

Kulik denkt darüber nach, wie lange ihre Kräfte noch reichen

„Ich bin 72 Jahre alt und eine sehr pragmatische Frau“, meinte Zofia Kulik während der Ausstellungseröffnung. Kulik hat überlegt, wie lang ihre Kräfte reichen werden. Seit 2008 schon bereitet sie nur noch wenige Schauen vor und baut stattdessen ihr Archiv aus. Kulik und Kwiek haben seit den sechziger Jahren das Kunstgeschehen in Polen fotografiert und gefilmt, Kulik sammelte zudem Plakate, Zeitschriften, Bücher, Dias, Schallplatten und Dokumente. Wie schon im Studium versteht sie Kunst zuerst als Tätigkeit und Prozess, und so ist nun ihr Archiv ein Work in Progress geworden.

„Doing performance art history“, heißt es über sie in dem Schweizer Film „Cultivating the Archive“ von 2016, in etwa „performative Kunstgeschichte betreiben“. Eine im postkommunistischen Osteuropa gut gepflegte Praxis: Es geht auch darum, das künstlerische Schaffen zweier Generationen, die im Off wirkten, vor dem Vergessen zu bewahren.

Die Kulik-KwieKulik-Stiftung könnte das Haus der Künstlerin eines Tages für die Forschung öffnen. Wie es dort bereits jetzt aussieht, zeigen in der Galerie ein gerahmtes Farbfoto, ein Archivschrank und der Schweizer Film. Alles hat seinen Platz: Kameras und Objektive, Abzüge, sogar die Putzlappen für die Linsen. Kulik bügelt zerknitterte Papiere, sortiert Alben, kopiert, digitalisiert, speichert. Und lässt sich dabei aufnehmen, wie sie sich am Tisch mit Przemyslaw Kwiek an die gemeinsamen Aktionen erinnert. Leben und Kunst sind bei Zofia Kulik wieder eins.

Galerie Zak Branicka, Lindenstr. 35; bis 31.8., Di–Sa 11-18 Uhr, vom 5.8.–18.8. nach Vereinbarung

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