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Markenzeichen Lila. Die Rapperin Sookee tritt in Zukunft als Sukini auf.

©  Katja Ruge

Rapperin Sookee über ihren Abschied: „Jedes Konzert muss ein Abriss sein“

Sookee ist eine der wichtigsten deutschen Rapperinnen. Jetzt hat sie die Nase voll vom deutschen Hip-Hop-Gechäft. Ein Gespräch über Feminismus, Erwartungsdruck und ihre Zukunft.

Sookee, auf dem Album „Lila Samt“ gab es 2014 ein Stück mit dem Titel „Vorläufiger Abschiedsbrief“. Weshalb ist daraus jetzt ein endgültiger Abschied geworden?
Damals ging es vor allem um meine Frustration über den Sexismus und die Homophobie der Rap-Szene. Allerdings habe ich mich da noch verstärkt an einzelnen Gestalten wie Fler oder Kollegah abgearbeitet. Ich habe es zwar als strukturelles Problem gesehen, aber noch nicht die Systemfrage gestellt. Über die Jahre bin ich dann immer mehr an den Punkt gekommen zu fragen: Warum können die sich derart aufführen? Wer guckt alles weg? Aber vor allem: Wer sind die Manager? Wer sind die Booker, die PR-Leute, wer baut die Beats, wer dreht die Videos?

Die ganze Industrie kam in Ihren Blick.
Ja, denn es geht ja nicht nur darum, dass diese misogynen und homophoben Äußerungen stattfinden, sondern auch darum, dass damit ein Haufen Kohle verdient wird und sich das diskursiv einschreibt, dass es Weltbilder prägt. Und es ist ein System, an dem ich ein Stück weit auch mitwirkte. Wenn ich auf dem gleichen Festival auftrete wie Straßenbande 187, verdienen wir aus demselben Portmonee. Hinzu kommt: Mein Backstage-Bereich ist dann nur zwei Türen von ihrem entfernt. Wenn ich meinen Soundcheck mache, stehe ich mitten in deren Kulissen. Das ist eine Form von Kompromiss, die ich nicht halten kann. Das geht nicht mehr.

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Wie war das, bei Festivals quasi das Gegengewicht zu solchen Acts zu bilden?
Das Thema Feigenblatt war schon sehr groß. Mir ist klar, dass es darum geht, Tickets zu verkaufen und, dass man dann halt auch mal jemand wie mich dazubucht, um die Einseitigkeit etwas auszugleichen. Aber da kam es zu Situationen wie dieser, dass ich auf einem Festival, mit zwei Bühnen und 40 Acts der einzige weibliche Act war. Natürlich habe ich mich bei meinem Auftritt darüber beschwert. Auch darüber, dass ich um 13 Uhr die kleinere der beiden Bühnen eröffnet habe. Es war der schlechteste Slot überhaupt. Klar spreche ich das an und nerve für vier.

Klingt anstrengend.
Ich habe vier Festivalsommer mitgemacht, mich konstant nach oben gearbeitet. Aber ich merke, dass ich echt unglücklich werde. Ich war nach jedem Sommer völlig am Ende, weil dieser Stress so massiv ist. Du musst auf Knopfdruck funktionieren: Jetzt hast du deine 45 Minuten, und da gibst du alles. Aber was soll das heißen und wo bleibe ich da? Ich habe festgestellt, dass es kaum noch um ein schönes Erlebnis geht, sondern vor allem um die Kapitalisierbarkeit des Gigs durch seine Zweitverwertung etwa über Social Media. Es gibt ja kein Foto von der Menge, wo die Leute einfach nur stehen und interessiert gucken.

Stimmt, es soll ja nach Spaß aussehen.
Es muss immer ein Abriss sein. Ein Konzert, ist kein Konzert mehr, sondern ein Abriss oder eine Rasur. Man tritt auch nicht mehr auf, sondern man liefert ab. Das sind Begriffe, mit denen ich nichts anfangen kann. Mich interessieren gute Momente. Ich will Blickkontakt mit einzelnen Personen, Dankbarkeit in beide Richtungen. Ich wünsche mir eine schöne Erfahrung und nichts, was am Ende auf Instagram krass aussieht.

Es ist eine Art Überbietungsspirale.
Klar, es geht um Wachstum, Wachstum, Wachstum das ist der Kapitalismus. Du musst immer einen obendrauf setzen, du kannst nicht ruhiger werden. Eine Albumveröffentlichung steht und fällt mit der Promo, nicht mit dem Album als solchem. Wenn dich jemand verklagt, wenn dein politischer Feind dich angreift, ist das Promogold.

In Ihrem Abschiedsstatement schreiben Sie: „Feminismus ist ein Business geworden. Ja, sogar feministischer Hip-Hop befindet sich auf dem Weg zur Verwertungslogik.“ Könnte man es nicht auch als Fortschritt sehen, dass der Kapitalismus den Feminismus etwas angesagter macht?
Aber es ist ein zweischneidiges Schwert. Und sich als Feministin zu bezeichnen, ist das eine, feministisch zu leben ist das andere. Mein Feminismus bezieht sich eher aufs Zweite und fordert mehr Substanz als ein „Feminist“-Shirt. Gegenwärtig wird ja jede Frau, die an einem Mikrofon steht schon als feministisch bezeichnet – sogar wenn sie sexistische Sachen rappt oder mit Sexisten zusammenarbeitet. Das geht alles als feministisch durch, weil es wirtschaftlich funktioniert. Feminismus setzt aber zwei Dinge voraus, nämlich eine Solidarität mit anderen Leuten. Dass es nicht nur um den eigenen Erfolg geht, sondern, dass man unmittelbare und weiter entfernte Menschen mitdenkt und mitzieht. Außerdem braucht es ein Strukturbewusstsein und einen Blick auf die Machtverhältnisse.

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Einige deutsche Rapperinnen wie Haiyti, Juju oder Nura sind im Mainstream angekommen. Wie sehen Sie das auch vor dem Hintergrund, dass es sich nicht um feministische Künstlerinnen handelt?
Erst mal ist jede, die da ist, gut. Ich finde die drei in Bezug auf bestimmte Kollaborationen zwar schwierig, Juju mit Xavier Naidoo etwa. Irritierender sind aber Figuren wie Katja Krasavice oder Shirin David, die ein Album rausbringen und sofort einen Vertrag für einen eigenen Duft unterschreiben. Aber das ist deren Entscheidung, ich kann mir keine moralische Überlegenheit erhoffen, nur weil sie Frauen sind. Und ich kann mich auch nicht darum kümmern, ihnen irgendwie die Augen zu öffnen. Das wäre absurd und größenwahnsinnig. Außerdem würde ich mich dabei verausgaben. Genau davon will ich weg.

Der feministische Rap in Deutschland verliert durch Ihren Abschied eine seiner wichtigsten Stimmen.
Ich habe jetzt zehn Jahre daran mitgewirkt und merke, dass für mich der Punkt erreicht ist, wo ich etwas verändern muss. Ich weiß aber, dass viele Leute nachkommen, über die ich mich sehr freue. Beispielsweise Finna, eine feministische Rapperin aus Hamburg, die ein Schwerpunkt auf antifaschistische Themen legt, aber auch über Körper, Identität und Body Positivity rappt. Oder jemand wie Plaeikke aus dem Umfeld des Höhlenkollektives in Leipzig. Wichtig ist auch die Musikpromoterin und DJ Lina Burghausen aka Mona Lina, die auf ihrer Website unter dem Titel „365 female MCs“ Rapperinnen vorstellt.

Im Track „SSRI“ von Ihrem letzten Album sprechen Sie ihre Erfahrungen mit Depressionen und Kliniken an. War das Musikbusiness schlecht für Ihre Gesundheit?
Absolut. Ich habe anderthalb Jahre ab 2018 versucht, einen Nachfolger von „Mortem & Makeup“ zu schreiben. Es ging nicht. Ich habe was geschrieben, ich habe es verworfen. Ich wusste, es muss krasser werden, es muss musikalisch und technisch besser werden. Es muss inhaltlich interessanter werden. Das ist ein übermäßiger Druck für jemanden wie mich, die mit Leistungsansprüchen und Selbstzweifeln in einem sehr ungesunden Maße zu tun hat. Darum kümmere ich mich seit Jahren in Therapien.

Dass die linke Szene mitunter sehr harsch mit Ihnen umgegangen ist, hat sicher nicht zum entspannten Arbeiten beigetragen.
Wir sind häufig sehr streng und kritisch miteinander. Einerseits ist der Umgang zwar wohlwollend, und man feiert sich. Aber wehe, du fällst hinter die eigenen Maßstäbe zurück. Es muss halt immer besser werden, man muss mehr machen, es muss noch toller, emanzipierter und fortschrittlicher sein. Da kannst du nicht mal hingehen und sagen: Heute hab ich über einen Witz gelacht, der geht eigentlich nicht klar. Dafür wirst du geköpft. Dann drohen dir Ausschlüsse. Für meine Psyche bedeutet das, dass ich auch dazu neige, mir selber Ausschlüsse zu verschaffen. Es ist eine Entfremdung von sich selbst, ein psychopathologischer Zustand, in dem ich gegen mich selber arbeite. Egal was ich mache, alles ist falsch.

Heftig.
Teil der Selbstbestrafung ist, sich weiter diesem Druck auszusetzen. Wie ein strafendes Elternteil, das sagt: Du gehst da jetzt hin, keine Diskussion. Dann stehe ich da oben und liefere ab, rasiere. Kann aber kaum etwas fühlen, merke nur die Anspannung, die Verantwortung. Es hat sich auch gegenüber dem Publikum oft total falsch angefühlt, als würde ich die Leute anlügen. Zwar gab es zwischendurch Momente, die mir ans Herz gingen, aber das war nicht das durchgängige Gefühl.

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Viele Musikerinnen und Musiker erschaffen sich eine Kunstfigur, was ihnen einerseits kreativen Freiraum verschafft und andererseits hilft, das Geschäftliche vom Privaten zu trennen. Wie war das bei Ihnen?
Ich habe den Begriff Kunstfigur nie in meinem Kopf gehabt. Die Dinge, die ich auf der Bühne sage, sage ich auch privat oder in Interviews. Ich identifiziere mich sehr mit dem, was ich tue. Authentizität ist gar keine Frage für mich. Ich gehe ja nach unserem Gespräch nicht nach Hause, werfe die lila Klamotten ab und sage: Endlich wieder Hellgrün tragen! Für mich hätte eine Kunstfigur immer etwas von einer Lüge.

Viele Rapper benutzen das Argument, dass sie nur Rollen spielen. Glaubwürdig?
Nein, ich weiß doch, wie die Leute um ihre Texte ringen und wie sie sich mit den Dingen identifizieren. Es ist doch nicht so, dass jemand Sexismus total ablehnt, ihn aber auf der Bühne reproduziert, weil das die Rolle ist. Niemand leidet unter seiner eigenen Bühnenfigur und konzipiert etwas, was er gar nicht will. Wenn du dich als Bausa auf die Bühne stellst, dann bist du halt immer der Casanova. Der Typ, der vorrangig über seinen Schwanz lebt, ansonsten eine große Fresse hat und viel Koks und Wodka konsumieren muss, um über die Runden zu kommen.

Ihr Abschied von Sookee ist nicht ihr Abschied von der Musik. Letztes Jahr haben sie unter dem Namen Sukini das Album „Schmetterlingskacke“ mit Rapsongs für Kinder veröffentlicht. Lief das weniger mühevoll ab als zuletzt bei den Sookee-Alben?
Ich habe das innerhalb von einer Woche geschrieben. Es war total leicht. Ich habe mich abends hingesetzt und losgelegt. Schwupp, war ich fertig mit dem ersten Lied und schrieb gleich noch eins. Sonst haben zwei Zeilen manchmal ewig gedauert. Auch die Zusammenarbeit mit den drei Musikern war wunderbar. Ich habe mich sogar getraut zu singen, was früher nie infrage kam. Derzeit habe ich vor nichts Angst. Und: ich habe um 18.30 Uhr Feierabend und niemand ist besoffen.

Wie gefällt Ihrer fünfjährigen Tochter die neue Musik?
Sie mag gerade andere Bands ein bisschen lieber. Deine Freunde zum Beispiel oder Klassiker wie „Der Traumzauberbaum“ von Angelika Mann und Reinhard Lakomy. Aber sie ist schon auch stolz darauf, dass es das Album gibt. Der Titel stammt übrigens von ihr. Ich habe sie gefragt, ob ich mir den ausleihen darf und habe sie mit ins Studio genommen, wo sich sich alles angehört hat. Danach gab sie mir ihr Okay.
Konzert: Astra Kulturhaus Berlin, 7.3., 20 Uhr (ausverkauft)

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