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"Johannes" von Konrad Mühe, 2019.

© Galerie Russi Klenner

Konrad Mühe in der Galerie Russi Klenner: Stahl im Kopf

Menschliche Figuren mit Körpern aus Stahlregalen: Die Kreuzberger Galerie Russi Klenner zeigt Skulpturen von Konrad Mühe.

Elisabeth zeichnet Linien an die Fensterscheibe der Galerie Russi Klenner (Luckauer Straße 16, bis 13. April), wie man Herzen und andere Botschaften an beschlagene Fenster malt. Doch die sich flugs wieder auflösenden Zeichen an der mattierten Scheibe sind Projektionen. Wo steckt Elisabeth? Der Künstler Konrad Mühe wischte zuvor mit seinem Finger auf einem Touchscreen herum, seine aufgezeichneten Gesten werden nun als Dauerschleife ans Fenster geworfen. So weit das Making-of. Interessanter ist die Fiktion, die Mühe in der Galerie entfaltet: „Elisabeth“, „Nigel“, „Stella“ und vier weitere neue Skulpturen repräsentieren menschliche Figuren – mit Körpern aus Stahlregalen und Köpfen aus Beamern.

Zu sehen sind außerdem eine Reihe von Wachsabgüssen von Beamerfronten, die wie Totenmasken von Breitgesichtern mit Zyklopenaugen wirken, und eine ältere Projektionsarbeit. Video und Skulptur, Virtualität und Körper gehen bei Mühe eine faszinierende Verbindung ein. 2011 entstand ein Schlüsselwerk: „Fragen an meinen Vater“ zeigt Filmfragmente mit dem Schauspieler Ulrich Mühe, der 2007 starb. Sein Sohn Konrad, Jahrgang 1982, setzte sich den Vater als Found-Footage-Körper wieder zusammen. Womöglich kann die Fiktion wirklich offene Fragen beantworten.

Träumen von sich selbst

Ohne Kommunikation sind wir nichts. Wir reden sogar mit Dingen. Man muss nicht unter Verfolgungswahn leiden, um sich von der Attrappe einer Überwachungskamera angestarrt zu fühlen. Auf eine solche Empfindung spielt der Ausstellungstitel „Im fremden Blick“ an. Es gibt eine Unschärfe zwischen dem Ich und der unbelebten Welt, und in dieser Grauzone existieren Konrad Mühes Figuren. „Nigel“ ist sozusagen der Prototyp eines Regals à la Mühe mit Beamer-Kopf und einem Projektionsobjektiv als Auge. Kein Licht dringt heraus, obwohl – das Lüftungsgeräusch verrät es – Nigel hellwach ist. Wie ein Hans Guck-in-die-Luft schaut er zum Deckenlicht herauf.

Augenlicht – diesen schönen Begriff darf man hier wörtlich nehmen. Wie schon erwähnt hat „Elisabeth“ gerade nur Fingermalerei im Kopf. „Robert“ wirft Wärmebilder von Handys, Föhnen und anderen Geräten an die Wand. Die Projektionen erscheinen wie Fantasien oder Erinnerungen der Charaktere.

„Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“, fragt ein Sci-Fi-Roman im Titel – besser bekannt als Vorlage zum Film „Blade Runner“, in dem sich Menschen und Roboter jagen und Maschinen menschlich sind. Mühes Androiden träumen nicht selten von sich selbst. Das verbindet sie mit der Spezies Homo sapiens.

Jens Hinrichsen

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