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Wahrzeichen für Mitte. Nachtstimmung an der Volksbühne.

© Doris Spiekermann-Klaas

Streit an der Volksbühne: Castorf dreht am Rad

Castorf geht in zehn Tagen - und will das Räuber-Rad mitnehmen. Am Freitag soll eine Einigung versucht werden. Auch Kultursenator Lederer hat sich endlich eingeschaltet.

Noch zehn Tage. Dann ist es vorüber und gewesen. Die längste Farewell-Tour der Pop-Kultur – sieht man von den Rolling Stones mal ab – findet ein Ende. Der Regisseur und Intendant Frank Castorf verlässt nach 25 Jahren die Volksbühne. Für manchen Theaterkünstler und Zuschauer fühlt es sich so an, als würde die Volksbühne ganz und gar die Stadt verlassen. Als würde nicht bloß etwas beendet, sondern ein Haus geschlossen.

Das ist ist nicht der Fall. Beim Räuberrad aber, das seit Mitte der Neunziger auf dem Rosa-Luxemburg- Platz steht, könnte es so kommen – dass es komplett verschwindet. Castorf will es so. Das eiserne Symbol seiner Ära, entworfen einst in den wilden Zeiten von seinem verstorbenen Freund und Bühnendesigner Bert Neumann, soll weg. Egal, ob Neumanns Witwe Anwälte eingeschaltet hat, um das Rad vor dem Theater zu retten. Egal, ob die Mehrheit der Volksbühnenangestellten das Wahrzeichen an seinem angestammten Ort behalten will. Egal, wie die rechtliche Lage ist. Egal, was der Nachfolger sagt (Chris Dercon würde das Rad gern im Dorf lassen.) Castorf gibt das trotzige Kind. Oder den motzigen Alten: Wenn ich hier weg muss, dann mit Krach. Rücksichtslos.

Am 1. Juli steigt das finale Fest. Dabei könnte das Rad, so hört man aus der Volksbühne, abgebaut werden. Was für ein Happening! Und danach rollt das Rad mit dem Volksbühnen-Transport nach Avignon, wo die Castorf-Truppe beim Sommerfestival gastiert: Gerüchteweise ist unter dem Himmel Südfrankreichs ein Ritus des Abschieds und der Austreibung geplant.

Kommt es ins Stadtmuseum?

Alles egal? Nicht ganz. An diesem Freitag kommt es zu einem Treffen, bei dem das Rad nicht neu erfunden, aber eine Einigung versucht werden soll. Die Rechtsanwälte der Volksbühne und der Neumann-Erben setzen sich mit der Kulturverwaltung an einen Tisch. Bisher hat sich Senator Klaus Lederer herausgehalten. Es gibt aber auch in seiner Linkspartei kulturaffine Menschen, die das Rad für den öffentlichen Raum retten wollen.

Es ist gut, dass Lederer seine Verantwortung jetzt wahrnimmt. Denn juristisch ist der Fall einfach: Das Rad als Sache gehört dem Land Berlin, nicht der Volksbühne und schon gar nicht Frank Castorf. Das Recht an dem Kunstwerk gehört der Familie von Bert Neumann. Das Rad vor der Volksbühne erinnert schließlich auch an ihn, den Meister der Volksbühnen-Ästhetik. Er erinnert überhaupt daran, dass am Erfolg eines Theaters sehr viele Kunstwerker und Handwerker beteiligt sind. Zum Beispiel die tollen Schauspieler der Castorf’schen „Räuber“-Inszenierung von 1990 mit Henry Hübchen.

Das Räuber-Rad hat Füße und tiefe Wurzeln. Abbau und Verlagerung ins Berliner Stadtmuseum – das steht auch zur Rede – wäre ein fauler Kompromiss. Das Rad hat Speichen, sie sehen aus wie starke Arme. Es hat Geschichte und es ist Geschichte. Es muss stehen. Still.

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