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Der Kommunist Jupp (Erwin Geschonneck, links) diskutiert in Konrad Wolfs "Sonnensucher" mit Kollegen.

© Defa-Stiftung / Herbert Kroiss

Verbotene Defa-Filme auf DVD: Veto aus Moskau

Zwei DVD-Boxen versammeln Defa-Filme, die aus verschiedenen Gründen in der DDR verboten waren.

Der neue Film von Konrad Wolf mutete der DDR in seiner Entstehungszeit einiges zu: Arbeiter, die sich so gar nicht vorbildlich verhalten, sondern in der Freizeit grölen und saufen; ehemalige SS-Männer und Wehrmachtsangehörige in der Belegschaft eines volkseigenen Betriebes; einen unorthodoxen Altkommunisten, der eine Beziehung mit einer sogenannten liederlichen Frau pflegt und sich nur widerwillig zum neuen Parteisekretär machen lässt, weil ihn die Schreibtischarbeit mehr Schweiß kostet als die Arbeit unter Tage; eine junge, mehrfach vergewaltigte Frau, die nicht mehr lächeln kann und Gefahr läuft, sich zu prostituieren.

Dazu kommen sowjetische „Freunde“, die irgendwie in diesem explosiven Durcheinander die Produktion sichern sollen. „Sonnensucher“, im Jahr 1958 entstanden, schildert den Alltag in der Wismut, einer deutsch-sowjetischen Firma, die in der DDR Uran abbaute, das die Sowjetunion wiederum im Rüstungswettlauf mit dem Westen benötigte. Die Figuren des Films haben die unterschiedlichsten Motive, bei der Wismut zu arbeiten; viele lockt der Verdienst, andere das Abenteuer im bunt zusammengewürfelten Milieu. Alle sind sie vom Krieg gezeichnet. Manche wurden „zur Bewährung“ in den Bergbau delegiert, so wie die junge Frau Lutz.

Phasen der Liberalisierung und Restriktion

Konrad Wolfs „Sonnensucher“ ist einer von acht Filmen, die in einer nunmehr zweiten DVD-Box mit verbotenen Defa- Filmen versammelt sind. Die erste, zehn Filme umfassende Box konzentrierte sich auf die sogenannten „Kellerfilme“, die vom Kahlschlag nach dem elften Plenum des Zentralkomitees der SED vom 16. bis zum 18. Dezember 1965 betroffen waren. Damals warf Erich Honecker als Wortführer etlichen DDR-Künstlern (darunter die Schriftsteller Werner Bräunig, Manfred Bieler) „Nihilismus“, „Skeptizismus“ und „Pornografie“ vor. Als Folge wurden zahlreiche Bücher, Theater- und Musikstücke verboten – und fast die gesamte Jahresproduktion der Defa mit Filmen wie „Das Kaninchen bin ich“ von Kurt Maetzig und Frank Beyers „Spur der Steine“.

Die zweite DVD-Box „Verboten“ weitet den Blick nun auf die Jahre vor und nach dem elften Plenum. Die Defa-Geschichte erscheint in diesem Kontext keineswegs als permanente Krisengeschichte, sondern als eine, in der Phasen der Liberalisierung und Restriktion beständig wechselten, in der es großen Mut zum Experiment und viel Willen zur Wahrhaftigkeit gab, aber eben auch enorme, oft erfolgreiche Widerstände seitens der staatlichen Behörden. Auch Konrad Wolf musste im Jahr 1959 das „Sonnensucher“-Verbot erleben; offiziell hieß es, dass der Film nach intensiven Diskussionen von den Machern zurückgezogen worden sei. Tatsächlich hatten Regierungskreise der Sowjetunion ihr Veto gegen „Sonnensucher“ eingelegt, weil man gerade Abrüstungswillen bekunden wollte gegenüber den USA, und da kam ein Film über den Uranabbau nicht gelegen. Zudem hatte die SED im Juli 1952 auf der II. Parteikonferenz das Dogma des „Sozialistischen Realismus“ als Richtmaß für die Kunst ausgerufen, und da konnte Wolfs Porträt einer quasi anarchischen, unheroischen Gesellschaft auf dem Weg zum „neuen Menschen“ eigentlich nur Anstoß erregen.

Etliche Entdeckungen lassen sich heute machen

Immer wieder kam es vor, dass bereits finanzierte oder begonnene Defa-Produktionen plötzlich nicht mehr in die Parteilinie passten und deshalb in Archivkellern und -schränken verschwanden, gar nicht oder um viele Jahre verspätet oder verstümmelt („umgearbeitet“) aufgeführt wurden. Nicht nur politische Motive spielten eine Rolle; mitunter waren die Filme ästhetisch zu eigenwillig. Einige der Regiearbeiten von „Verboten 2“ sind bereits einzeln auf DVD erschienen; andere – wie etwa „Jadup und Boel“ von Rainer Simon, der 1980 eine völlig marode DDR zeigte – noch nicht. In der schieren Menge der für die „Verboten“-Boxen zusammengestellten Produktionen, beide erschienen in Kooperation mit der Defa-Stiftung bei Icestorm, zeigt sich der Verlust für die zeitgenössische DDR-Kultur noch einmal mit großer Wucht. Auf eine die Ideologie stützende Apologetik lassen sich Defa-Filme jedenfalls ebenso wenig reduzieren wie DDR-Kunst sonst.

Etliche Entdeckungen lassen sich da heute machen bei dieser schönen Edition, die interessantes Bonusmaterial aufweist. Interviews mit den Cuttern oder Kameraleuten beispielsweise. Egon Günther etwa berichtet über den Film „Das Kleid“, dass es purer „Leichtsinn“ gewesen war, ihn zu drehen. Tatsächlich kann man nur staunen, wenn man Konrad Petzolds Regiearbeit aus dem Jahr 1961 (Günther schrieb das Drehbuch) heute sieht: Als Variante auf Hans Christian Andersens Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ erzählt der Film in frischer Stilisierung à la Brecht und Beckett von einer Stadt, die von hohen Mauern umgeben ist und von einem „großen Terroristen“, einem „Zuchtmeister“ beherrscht wird. In ihr wohnt angeblich das Glück – wiewohl Polizisten Gesinnungsschnüffelei betreiben und es Armut gibt. „Objektiv parteifeindlich“ und mit „konterrevolutionären Zügen“ behaftet – so lautete die Einschätzung der DDR-Filmverantwortlichen bei der Endabnahme am 28. März 1962. Da stand die Mauer schon einige Monate. Bis zur rekonstruierten Aufführung 1991 wussten überhaupt nur wenige Eingeweihte von dieser filmischen Herrschaftskritik.

„Verboten 2“ und „Verboten“, erschienen in Kooperation mit der Defa-Stiftung bei Icestorm, je Box ca. 38 €

Anke Westphal

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